Geschichte der visuellen Kommunikation im 20. Jahrhundert

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Umschlag der Zeitschrift „Kenshigu kogei"
Umschlag der Zeitschrift „Kenshigu kogei"

Kommunikation ist schon immer visuell, aber im Rückblick erscheint das 20. Jahrhundert im besonderen von einem „iconic turn“ (Maar 2005) geprägt, der wesentlich in Verbindung mit Medieninnovationen steht. Technologischer Fortschritt sorgte für den Durchbruch der Fotografie als Vermittlungsform, denn Rollfilm, lichtstarke Objektive und der elektronische Blitz ermöglichten es nun, fast jede Situation menschlichen und gesellschaftlichen Lebens zu erfassen. Neue Möglichkeiten im Bereich von Satz und Druck erlaubten die Einbindung von Fotografien – zunächst in schwarz-weiß, später auch farbig – und die preisgünstige Herstellung von Massenauflagen: Das Zeitalter der illustrierten Massenpresse war geboren, deren wöchentliche Ausgaben, gemeinsam mit Magazinen und Zeitungsbeilagen, ihren Lesern einen ganz eigenen, vermeintlich authentischen Blick auf das Geschehen der Welt erlaubten.

Ihre Blüte erlebte die Illustriertenpresse in den 1950er Jahren, als an den Kiosken eine kaum überschaubare Zahl an „bunten Blättern“ erhältlich war – neben anderen Erscheinungen der Massenliteratur wie den Taschenbüchern und Trivialromanen, die ihrerseits mit spektakulären Umschlaggestaltungen auf sich aufmerksam machen wollten. Der Einbruch der Fotografie in ursprünglich textdominierte Medienangebote warf natürlich die Frage auf, wie diese unterschiedlichen Materialien visuell zu organisieren sind. Auf erste, eher hilflose Versuche, die mit ihren Umrahmungen und Bordüren eher an private Fotoalben erinnerten, legte schließlich die Bewegung der „neuen Typografie“ ein Konzept vor, das alle Gewohnheiten, die sich die Leser bei der Wahrnehmung von Druckerzeugnissen angeeignet hatten, auf den Kopf stellte. Primär am Bauhaus in Weimar und Dessau entwickelt, das innovative Wege nicht nur in der Gestaltung von Reklame, Schrift und Typographie ging, sondern auch eine Eigenwerbung im Stile moderner Public Relations betrieb, setzte sich schon bald der (unzutreffende) Begriff der „Bauhaus-Typographie" durch.

Die fundamentalste Umwälzung war aber sicherlich mit der Erfolgsgeschichte des Films verbunden: Von den ersten Anfängen als Jahrmarktsattraktion über die Stummfilme mit Musikbegleitung, den Tonfilm und schließlich die Farbproduktionen in aufwändigem Cinemascope haben die Schatten auf der Leinwand ein wachsendes Publikum fasziniert – eine Entwicklung, die mit dem Fernsehen als Heimkino für vielleicht die herausragende Medieninnovation des 20. Jahrhunderts gesorgt hat. Parallel entwickelte sich eine variantenreiche Filmpublizistik, die auf unterschiedliche Weise mit dem medialen Bruch umging, die bewegten Bilder in statische Repräsentationen umsetzen zu müssen.

Diese Website greift unter dem Titel „Geschichte der visuellen Kommunikation im 20. Jahrhundert“ eine Reihe von Themen auf, die ich im Rahmen eines nun schon über 25 Jahre andauernden Forschungsprogramms bearbeitet habe. Der Bogen spannt sich von der Fotografie über den Film, die Filmpublizistik, die Typographie und das Bauhaus bis zu Phänomenen der Massenliteratur. Ihr Zugriff ist mal über Mediengattungen, mal über historische Zusammenhänge, mal über Personen – je nach Perspektive, die einen wissenschaftlichen Ertrag versprach. Grundlage aller Untersuchungen ist das privat geführte „Archiv der Massenpresse Patrick Rössler“, das ich über inzwischen drei Jahrzehnte hinweg aufgebaut habe, um diese Forschungen erst zu ermöglichen, denn Beispiele für solche oft ephemere Druckerzeugnisse sind oft verstreut und zuweilen überhaupt nicht über öffentliche Quellen zu erschließen, was die wissenschaftliche Bearbeitung erschwert. Wenn im Folgenden von einem „Archiv“ die Rede ist, so meint dies – sofern keine spezifischere Angabe erfolgt – immer das besagte Privatarchiv, dessen Bestände in Erfurt, aber nicht an der Hochschule lagern und die nicht Teil der universitären Sammlungen und auch nicht öffentlich zugänglich sind. Die Seite ist modular aufgebaut und enthält Informationen zu Publikationen, Tagungen und insbesondere auch Ausstellungen, die ich als jeweils angemessene Vermittlungsform gewählt habe. In ihrer Gesamtheit soll sie gerade durch die Vernetzung von Inhalten unter unterschiedlichen thematischen Aspekten einen Eindruck davon vermitteln, welche Relevanz der Entwicklung der visuellen Kommunikation im 20. Jahrhundert für unser aller visuelle Sozialisation zukommt.

Patrick Rössler