gefördert im Rahmen des HERA-Projektes „Encounters with the Orient in Early Modern Scholarship“, in Kooperation mit Prof. Charles Burnett (The Warburg Institute, London UK), Dr. Jan Loop (University of Kent at Canterbury, UK), Prof. Bernd Roling, Freie Universität Berlin), Prof. Outi Merisalo (University Jyväskylä, Finland), Prof. Gerard Wiegers, (University of Amsterdam).
Laufzeit: 3 Jahre, 2013–2016
Johann Gerhard, orientalistisch gebildeter Theologe und einer der führenden Lutheraner in Deutschland, hielt das Hebräische für die „matrix omnium aliarum linguarum“; auf den neueren Idiomen laste die Erbsünde von Babel, nur auf denen der Semiten nicht, denn sie hatten am Turmbau nicht mitgewirkt. Gerhards Sohn, Johann Ernst Gerhard d.Ä. (1621–1668), lenkte denn auch schon früh sein Interesse auf diese „semitischen“ Sprachen. Mit 26 Jahren, 1647, gab er Wilhelm Schickards hebräische Grammatik neu heraus und verfasste als Anhang eine eigene Harmonia linguarum orientalium, scil. Chaldaicae, Syriacae, Arabicae, Aethiopicae cum Ebraica. Es ist die Zeit, in der sich in der Forschung gerade so etwas wie eine semitische Sprachfamilie abzeichnet: Christian Rave veröffentlicht 1648 seine Generall Grammer for the Ebrew, Samaritan, Calde, Syriac, Arabic, and Ethiopic Tongue.
Für Johann Ernst Gerhard gibt es eine ungewöhnlich günstige Quellenlage: In der Forschungsbibliothek Gotha sind nicht nur seine Druckwerke und die 6000 Bände umfassende Bibliothek (von ihm und seinem Vater) erhalten, sondern auch 1450 Briefe an ihn, Notizhefte, das Reisetagebuch seiner Peregrinatio academica sowie die annotierten Wittenberger Dissertationen. Zudem ist uns von privater Seite das Stammbuch zugänglich gemacht worden, das er auf der Peregrinatio geführt hat. Dadurch bietet es sich an, an ihm exemplarisch den Typus des theologisch geprägten Orientalisten zu untersuchen.
Seit 1644 verband Gerhard eine Freundschaft und ein enger Briefaustausch mit Hiob Ludolf, dem drei Jahre jüngeren – damals zwanzigjähigen – Erfurter Studenten, der sich wie er für orientalische Sprachen und insbesondere für das Äthiopische interessierte. Ludolf studierte ab 1646 in Leiden bei Jacob Golius und Contantin L’Empereur und reiste danach nach Paris, als Hauslehrer bei Grotius’ Nachfolger als schwedischer Gesandter in der französischen Hauptstadt, Baron Schering von Rosenhahn. Nachdem Rosenhahn ihn nach Rom geschickt hatte, wo Ludolf in Kontakt mit Äthiopiern kam, folgte Ludolf um 1650 seinem Herrn nach Ninköping und Stockholm, wo sich zahlreiche Gelehrte im Kreis von Königin Christina versammelt hatten, nicht zuletzt die Sprachforscher Christian Rave und Samuel Bochart. Von dort aus empfahl Ludolf seinen Freund Gerhard bei zahlreichen Orientalisten in den Niederlanden, als dieser im Frühjahr 1650 zu seiner eigenen peregrinatio academica ansetzte.
Nach seinem Studium in Wittenberg und seiner Peregrinatio nach Holland, Frankreich und in die Schweiz machte Gerhard zunächst Karriere als Theologe an der Universität Jena. Er publizierte zur Evangelienharmonie und zu zahlreichen exegetischen und theologischen Einzelfragen. Erst Mitte der 1660er Jahre kam er zu seinen orientalistischen Interessen zurück. Und das mit zwei gleichzeitig verfolgten Publikationsreihen: In der ersten beleuchtet er die verschiedenen orientalischen Kirchen; die zweite war noch ambitionierter, denn sie führte über den Kreis der orientalischen Kirchen hinaus, indem sie die Religionen der ganzen Welt zu traktieren sich bemühte.
2013 - 2016
Als erste Frucht des HERA-Projekts erschien im Februar 2017 bei Brill in Leiden der Sammelband “The Teaching and Learning of Arabic in Early Modern Europe”, herausgegeben von Jan Loop, Alastair Hamilton und Charles Burnett. Anhand von 13 Fallstudien bietet dieser Band einen innovativen Einblick in die Anstrengungen frühneuzeitlicher Europäer, die arabische Sprache zu beherrschen. Wie das HERA-Projekt im Allgemeinen, so sind auch die sorgfältigen Fallstudien in diesem Band bemüht, die zeitgenössischen Zusammenhänge zu erläutern, die das Erlernen einer schwierigen orientalischen Sprache ermöglichten und prestigeträchtig machten – auch in Teilen Europas der Frühen Neuzeit, wo dieses Wissen keinem unmittelbaren praktischen Zweck diente. Das Buch ist auch per Open Access zugänglich.
Bild: Johann Ernst Gerhard (1621-1668), aus Leichenpredigt.