Der „Gothaische Hofkalender“/“Almanach de Gotha“ erschien als deutsch-französische Parallel-Ausgabe von 1764 bis 1944. Seit 1785 wurde er von Justus Perthes verlegt, der mit ihm sein Gothaer Verlagsgeschäft begründete. Zum „Nutzen und Vergnügen eingerichtet“ war der „Gotha“ ein typisches Kalenderunternehmen der Aufklärung. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erfuhr der „Gotha“ tiefgreifende Wandlungen. An seine Seite traten die genealogischen Taschenbücher, in denen sich die komplexe soziale Stratigraphie und Rangordnung des Adels abbildete. Der „Gotha“ stieg so zum wichtigsten genealogischen Verzeichnis des europäischen Adels auf. Zugleich entwickelte er sich zu einem diplomatisch-statistischen Jahrbuch der Staatswelt des 19. und 20. Jahrhunderts weiter. Diese inhaltliche, mediale und funktionale Neuformierung des Gotha erfolgte in Interdependenz mit der Verwissenschaftlichung und Professionalisierung von Statistik und Genealogie, im Fall der Genealogie auch deren breiten Popularisierung in allen Gesellschaftsschichten. Motor dieser Entwicklung war nicht zuletzt der Verlag selbst, der spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts europaweit agierende Kartenverlag Justus Perthes Gotha, durch den Genealogie, Statistik und Kartografie enge disziplingeschichtlich wie ökonomisch getriebene Verflechtungen eingingen.
Überraschenderweise hat der „Gotha“ als eines der Standardwerke der Moderne bisher kaum Beachtung in den historisch arbeitenden Geisteswissenschaften gefunden. Das DFG-Projekt „Der Gotha – Studien zum wichtigsten genealogischen Kompendium der Moderne“ stellt den „Gotha“ erstmals in den Fokus der Forschung. Bei der Tagung im Dezember soll der Blick auf das Entstehungsumfeld und die Funktionskontexte von Verlag und Publikation gerichtet werden.
Um Anmeldung bis zum 22. November unter veranstaltungen.fb@uni-erfurt.de wird gebeten.