Dr. Marius Heidrich

Dr. Marius Heidrich ist an der Gedenkstätte Hadamar als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Kontaktadresse

Gedenkstätte Hadamar

 

Zur Person

  • 2016 - 2020 Promotion am Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik; Dissertationsschrift: "Kindersegen. Der westdeutsche Protestantismus - herausgefordert von demographischen Entwicklungen (1949 - 1989)" (Die Publikation ist in Vorbereitung)
  • Seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik; Projektmitarbeiter in der DFG-Forschungsgruppe "Der Protestantismus in den ethischen Debatten der Bundesrepublik Deutschland (1949-1989)"
  • 2014 - 2016 Master Geschichtswissenschaften an der Universität Erfurt; Masterarbeit: "Enteignung 'jüdischen Vermögens' durch die Süddeutsche Bodencreditbank München"
  • 2011 - 2014 Bachelor Geschichtswissenschaften und Philosophie an der Universität Erfurt

Forschungsschwerpunkte

  • Sozialstaat und Protestantismus
  • demographische Transformationen in der Bundesrepublik Deutschland
  • Geschlechter- und Diskursgeschichte
  • Public History
  • fiskalische Entrechtung im Nationalsozialismus

Buchpublikation

Kindersegen. Der Geburtenrückgang als soziokulturelle Herausforderung für Gesellschaft und Protestantismus (1949–1989)

Abbildung des Buchcovers "Kindersegen"

Krisenszenarien der Bevölkerungsentwicklung reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Dennoch stellte der »massive« Geburtenrückgang der 1960er Jahren eine wichtige Zäsur für die Bundesrepublik Deutschland dar. Die Funktionsfähigkeit des Sozialstaats genauso wie die Stringenz schöpfungs- sowie sozialethischer Anschauungen des Protestantismus hingen unmittelbar auch von stabilen demografischen Verhältnissen ab. Bereits der »Pillenknick« der 1960er Jahre stellte die sozialstaatlichen ebenso wie die gesellschaftlichen Ordnungen auf die Probe. In den anschließenden Debatten thematisierten unterschiedliche Gruppen die Bevölkerungsentwicklung und die mit ihr einhergehenden Wandlungen von Geschlechterrollen, nationalen Identitäten und individuellen Entwürfen der Familienplanung. Marius Heidrich stellt fest, dass für das gesellschaftliche und protestantische Selbstverständnis letztlich zwei Fragen zentral waren: Welche Bedeutung haben Kinder für und in unserer Gesellschaft? Und: Besteht Vertrauen in die Zukunft?

Informationen auf der Hompage des Mohr Siebeck Verlages

Inhaltsverzeichnis und Leseprobe

Abgeschlossenes Forschungsprojekt

"Kindersegen. Der westdeutsche Protestantismus - herausgefordert von demographischen Entwicklungen (1949 - 1989)" (Die Publikation ist in Vorbereitung)

Krisenszenarien der Bevölkerungsentwicklung reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Dennoch war der „massive“ Geburtenrückgang seit Mitte der 1960er Jahre eine wichtige Zäsur des demografischen Wandels in der Bundesrepublik. Die Funktionsfähigkeit des Sozialstaats hing unmittelbar von stabilen demografischen Verhältnissen ab. Bereits der „Pillenknick“ der 1960er Jahre stellte die sozialstaatliche Ordnung auf die Probe. In den anschließenden Debatten wurden neben der bundesdeutschen Bevölkerungsentwicklung auch der Wandel von Geschlechterrollen, nationaler Identität und Gesellschaft thematisiert. Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Veränderungen stellten normative Vorstellungen von sozialer Ordnung in der Bundesrepublik, sowie wie Leitbilder und implizite Annahmen über die Gesellschaft in Frage. Der Protestantismus hat sich an diesen Debatten wesentlich beteiligt.

Die Hypothese – der soziale Protestantismus wandelte sich vom distanzierten Sozialstaatskritiker zum aktiven Mitgestalter – erfordert das erneute Aufgreifen der Frage nach der Bedeutung des sozialen Protestantismus für den Sozialstaat, mit einem zeitlichen Fokus auf die 1970er und 1980er Jahre.

Ausgangspunkt ist die Rentenreform von 1957, die erstmalig eine sozialstaatlich institutionalisierte Auseinandersetzung über die Alterung der Gesellschaft mit sich brachte. Zukunftsprognosen, als fester Bestandteil des Finanzierungsplans, gingen zwar von einer steigenden Zahl von Rentenempfängern aus, machten jedoch auch deutlich, dass diese von einer proportional nachwachsenden Bevölkerung aufgefangen werden würden. Vernachlässigt wurde, dass die Geburtenzahlen bereits Mitte der 1960er Jahre rückläufig und somit die Annahmen stabiler Bevölkerungsverhältnisse falsch waren. Eine erste dezidierte demografische Debatte setzte Ende der 1970er Jahre ein. Das Ungleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern stellte das bundesdeutsche Renten- und Sozialversicherungssystem vor neue Herausforderung.

Drei weitere Debattenkontexte waren:

Der Status der ausländischen Wohnbevölkerung bzw. die Frage, inwieweit „Fremde“ in die Solidargemeinschaft eingebunden werden sollten. Zugehörigkeit und nationale Identität waren wesentliche Bestandteile dieser Debatten.

Der Wandel der Geschlechterordnung. Das veränderte Leitbild der Frau, von der Hausfrau und Mutter zur „Zuverdienerin“ und Erwerbstätigen, wirkte auch unmittelbar auf das Familienleitbild. Es galt die in Schieflage geratene Sozialpolitik zu Reformieren und damit ihre (Re)Stabilisierung herbeizuführen.

Solidarität wurde zu einem Kernbegriff der Debatten. Die Prämisse des Generationenvertrags sowie die gesellschaftliche Solidaritätsverpflichtung mussten neu gedacht werden.