“Mit dem Nachlass von Gad Klein schließt die Forschungsstelle eine Lücke in ihren Beständen zur Filmgeschichte des späten 20. Jahrhunderts, die bislang maßgeblich durch die Werbematerialien des Progress-Filmverleihs aus der ehemaligen DDR geprägt war”, erklärt Prof. Dr. Dr. Patrick Rössler, Co-Leiter der IFhM. “Das Material aus westdeutscher Herkunft erlaubt uns nun, die Filmproduktion in beiden deutschen Staaten im Vergleich zu untersuchen.”
Der 1954 in Petach Tikvah, Israel, geborene Gad Klein lebte bis zu seinem Tod in Hamburg. Er erarbeitete sich insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren ein landesweites Renommee. Nach einem Studium der Philosophie und Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg schrieb er u.a. für den „Spiegel“, „Stern“, „Tempo“, „Sounds“, „Szene“, „Cinema“ und verschiedene Tageszeitungen. Ab 1990 war er als Redakteur für „TV Spielfilm“ tätig. Seine viel beachteten Rezensionen und Bewertungen global vermarkteter Hollywood-Blockbuster und europäischer Arthouse-Filme erlangten meinungsbildende und richtungsweisende Bedeutung, ebenso wie seine Auseinandersetzungen mit radikalen Independent-Filmen aus nationaler und internationaler Produktion. Mit einem enzyklopädischen Wissen über Filmgeschichte, die Produktionen der Major Filmstudios in Hollywood, aber auch die der europäischen Filmkunststudios ausgestattet, ging er keiner Auseinandersetzung aus dem Weg. Im Gegenteil, er setzte sie meist in Gang. Analyse und Interpretation eines Films, welches Genre auch immer, waren für ihn eine essenzielle Angelegenheit.
Gad Klein beeindruckte aber auch durch seine Persönlichkeit, was sich u. a. in seiner Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Niklaus Schilling niederschlug. Als Darsteller war er selbst in fünf Kinofilmen zu sehen, beispielsweise unter der Regie von Monika Treut oder Elfi Mikesch. Daneben trat er als leidenschaftlicher Sammler von Filmliteratur, Filmfoto- und Filmwerbematerialien in Erscheinung – darunter umfangreiche Serien der US-amerikanischen Standardwerke „Film Daily Yearbook“ und „Motion Picture Almanach“. Seine Filmkenntnisse erhielten nicht nur in seiner breit angelegten Sammlung eine medial wichtige Ergänzung, er stellte auch Reproduktionen wichtiger Motive für Interessierte in den Redaktionen deutscher Medien zur Verfügung.
Der Kontakt zu Gad Kleins Witwe ermöglichte es der Universität Erfurt, 2024 die überwiegenden Teile der hinterlassenen Sammlung und seines Arbeitsarchivs als Spende zu Lehr- und Forschungszwecken in den Bestand der Universitätsbibliothek und der Interdisziplinären Forschungsstelle für historische Medien zu überführen. Zwar ging ein erheblicher Teil des Archivs Anfang der 2010er-Jahre durch einen Hochwasserschaden im Außenlager in Wandsbek-Marienthal für immer verloren. Aber die erhalten gebliebenen Dokumente erlauben es heute dennoch, die Arbeitsweise eines Filmjournalisten in einer Ära zu rekonstruieren, die noch nicht durch digitale Abläufe geprägt war, und in der Informationen, Bilder und Clips nicht jederzeit verfügbar waren.
So hilft zum Beispiel das übergebene Tonaufnahmegerät, die Interviews mit Regisseur*innen, Produzent*innen und Schauspieler*innen via Audio-Kassetten nachzuvollziehen, ein ausgewähltes Interview-Protokoll als Typoskript kann mit dem anschließend publizierten Text verglichen werden. Weitere Typoskripte geben detailliert Auskunft über die aufwendige Vorbereitung für zu veröffentlichende Texte in jenen Jahren. Ausweise mit Akkreditierungen bei wichtigen Festivals (z. B. Berlinale, Filmfest München, Filmfest Hamburg), verdeutlichen die damalige Bedeutung von Präsenzveranstaltungen, und Materialsammlungen etwa zum deutschen Kinostart von „Aliens – Die Rückkehr“, einem Blockbuster unter der Regie von James Cameron (1986), vollziehen die zeitgenössischen Diskussionen (“Frau Rambo“) nach. Bis heute anregend sind Auseinandersetzungen wie etwa in dem überlassenen Radio-Feature „Als der Sex noch Bomben hatte“ (Sendemitschnitt, SWR 1993), das die Rolle weiblicher Hauptdarstellerinnen in der Filmbranche der 50er-Jahre thematisiert und unter dem Eindruck aktueller Entwicklungen wie der #metoo-Debatte heute in Forschung und Lehre neu gelesen werden kann.
Die Ausstellung ist jeweils zu den Öffnungszeiten der Universitätsbibliothek zu sehen.