Forschungsprogramm
Konzept
Das Theologische Forschungskolleg an der Universität Erfurt, welches mit der Katholisch-Theologischen Fakultät verbunden ist, wurde 2009 eröffnet. Es bietet jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, in dem Nachwuchskolleg t³ (Theologie – Tradition – Transformation) und damit in einer Teamsituation an ihren Promotions- oder Habilitationsthemen zu arbeiten. Diese fokussieren sich stark auf Transformationsprozesse von Kirche, Glauben und Theologie in Geschichte und Gegenwart. Zusammen mit Professorinnen und Professoren aus verschiedenen theologischen Disziplinen wird an entsprechenden Fragestellungen in Kolloquien, auf Tagungen und bei Gastvorlesungen gearbeitet. Theologinnen und Theologen aus dem In- und Ausland erhalten als Fellows die Möglichkeit, eigenen Forschungsprojekten im Theologischen Forschungskolleg nachzugehen. Auf die Kommunikation zwischen allen Akteuren wird großer Wert gelegt.
Standort Erfurt
Erfurt ist als Standort für ein solches Forschungskolleg auf besondere Weise geeignet. Die Situation von Glaube und Kirche in einer stark säkularisierten Gesellschaft fordert die theologische Forschung heraus, gewohnte Denkmuster in Frage zu stellen und nach neuen Wegen theologischer Argumentation zu suchen. Die geistes- und kulturwissenschaftlich ausgerichtete Universität bietet mit der Religionswissenschaft, dem Martin-Luther-Institut, dem Max-Weber-Kolleg und dem universitären Schwerpunktfeld „Gesellschaft – Religion – Weltbeziehung“ sowie einer vielfältig in Forschung und Lehre mit anderen Disziplinen kooperierenden katholischen Theologie ein hervorragendes wissenschaftliches Umfeld. Benachbarte evangelisch-theologische Fakultäten und unterschiedliche kirchliche Ansprechpartner und Institutionen, die den Herausforderungen der Gegenwart an den christlichen Glauben besonders offen gegenüberstehen, schaffen ideale Rahmenbedingungen für ein solches Kolleg mitten in Deutschland.
Schwerpunkt Transformationsprozesse
Das Theologische Forschungskolleg befasst sich mit Transformationsprozessen von Glaube, Christentum und Kirche in europäischen Kontexten. Es geht von tiefgreifenden Veränderungsprozessen aus, die das Profil des christlichen Glaubens und seiner Praxis sowie der kirchlichen Institutionen in kurzer Zeit weiter gravierend verändern werden. Das Forschungskolleg untersucht wissenschaftlich verschiedene Aspekte dieser Prozesse, entwirft theologisch verantwortbare Modelle für die Zukunft von Glaube und Kirche und begleitet die Entwicklung beider konstruktiv und kritisch.
Das generelle Interesse, das die verschiedenen Projekte im Nachwuchskolleg t³ teilen, gilt den Aufgaben, Herausforderungen und Perspektiven des Christentums in einer stark säkularisierten Gesellschaft. Sowohl einzelne Ausprägungen des christlichen Glaubens als auch die Institution Kirche verändern sich mit ihrem kulturell-gesellschaftlichen Umfeld:
- Um die heutige Situation von Glaube und Kirche verstehen zu können, arbeitet das Forschungskolleg historisch wie gegenwartsbezogen.
- Die Gottesfrage wird neu und anders gestellt in einer pluralen Gesellschaft, die viele Deutungen von Geschichte und Leben bereit hält und die Möglichkeit der „säkularen Option“ eröffnet.
- In einer pluralen, stark säkularisierten Gesellschaft sind Ort und Aufgabe akademischer Theologie neu zu bestimmen.
- Jenes Modell von Kirche, das stark hierarchisch strukturiert ist und auf eine örtlich-pfarrliche Struktur setzt, befindet sich deutlich in der Krise, damit auch überkommene Ausprägungen der Ekklesiologie.
- Die Liturgie, das kirchliche Handeln mit Ritualen, muss mehr und mehr auch für Menschen offenstehen, die wenig oder gar nicht mit religiösen Traditionen vertraut sind, und muss sich in neuen, kirchlich ungewohnten Lebenssituationen bewähren.
- Interkulturelle und ökumenische Erfahrungen der Kirchen und der akademischen Theologien eröffnen Perspektiven einer zeitgemäßen Entwicklung.
Von besonderem Interesse sind spezifische Konfliktlagen sowie ihre Lösungen im (religions-) politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext.
Arbeitsweise
Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Disziplinen forschen gemeinsam an den beschriebenen und ähnlichen Fragestellungen. Sie arbeiten mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen zusammen. Die Kooperation mit Partnerinstitutionen in Mittelost- und Westeuropa weitet den Blick auf die eigenen Fragestellungen und bindet Erkenntnisse aus anderen wissenschaftlichen Zusammenhängen ein.
Das Forschungskolleg fördert insbesondere Doktorandinnen und Doktoranden mit ihren jeweiligen Projekten. Die Professorinnen und Professoren bringen sich mit eigenen und vernetzten Forschungsprojekten in die Forschungsarbeit ein.
Die Promovierenden stellen in jedem Semester im Rahmen von Kolloquien ihre Projekte und eigene Arbeitsfortschritte vor. Die Rückmeldungen in den Kolloquien von Mitpromovierenden und den beteiligten Professorinnen und Professoren aus verschiedenen Fächern der evangelischen und katholischen Theologie werden seit vielen Jahren als sehr hilfreich erlebt.
Die Promovierenden bereiten darüber hinaus einmal im Jahr eine Tagung vor, die vor allem aus Mitteln des Theologischen Forschungskollegs finanziert wird. Sie entwickeln selbstständig Thema und Konzept, laden die Referentinnen und Referenten ein, sind für die gesamte Organisation der Tagung und auch für die Wissenschaftskommunikation einschließlich möglicher Publikationen verantwortlich.
Sie nehmen an den regelmäßigen Gastvorlesungen, weiteren Tagungen im In- und Ausland und Workshop des Kollegs teil, die u. a. auch auf ihre Anregungen zurückgehen.
Neben den wissenschaftlichen Tagungen finden Workshops statt, in denen akademische „Soft skills“ vermittelt werden (Präsentationstechniken, Erarbeitung von Postern etc.).
In jedem Semester lädt das Theologische Forschungskolleg für vier Wochen eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler als Fellow nach Erfurt ein. Die Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler beteiligen sich am Programm des Kollegs und stehen in regem Austausch mit den Promovierenden.
Das Nachwuchskolleg ist im Rahmen der Nachwuchsförderung der Universität Erfurt EPPP-zertifiziert und nimmt an der entsprechenden Förderung teil.
Internationale Projekte
European Graduate School for Research: Theology in religious, cultural and political Processes of Transformation
Theology in religious, cultural and political Processes of Transformation
Die European Graduate School for Research on Theology in religious, cultural and political Processes of Transformation führt theologische Forschung und Nachwuchsförderung dreier europäischer Universitäten (Leuven, Salzburg und Erfurt) thematisch und strukturell zusammen. Untersucht werden aktuelle Transformationsprozesse der katholischen Kirche in Europa und weltweit, die die gesellschaftliche Präsenz, aber auch das Selbstverständnis der Kirche verändern. Wie sind diese Prozesse zu deuten, welche neuen Gestalten des Christentums bilden sich heraus? Dafür werden in Promotions- und Habiltationsprojekten sowie kooperativer internationaler Forschung sozio-institutionelle, religiöse, politische, pastorale Entwicklungen und Veränderungen in der kirchlichen Administration in den Blick genommen.
Theologie und Kirche in Zeiten der Pandemie. Ein europäischer Vergleich
Die Corona-Pandemie treibt nicht nur Medizin und Wirtschaft, Bildung und Sozialwesen um, sondern ist auch ein Thema der Theologie. Das gilt ganz grundsätzlich: Eine solche Pandemie mit einem unermesslichen Leid und einer Vielzahl von Toten wirft zwangsläufig die Gottesfrage auf. Dem kann sich die Theologie nicht entziehen, in der es zentral um die Frage nach Gott geht. Sie muss zugleich reflektieren, wie die Kirche(n) und ihre Einrichtungen in einer solchen Pandemie reagieren, im wahrsten Sinne des Wortes Seelsorge betreiben und dabei ihre Angebote und ihre Kommunikationsformen entsprechend modifizieren. Den damit verbundenen Transformationsprozessen wendet sich ein internationales Projekt zu, das die Professuren für Dogmatik(Prof. Dr. Julia Knop) und für Liturgiewissenschaft(Prof. Dr. Benedikt Kranemann) der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt in mehreren Workshops seit Dezember 2020 durchführen: „Pastoral, Theologie und Kirche in Zeiten der Pandemie. Ein europäischer Vergleich.“
An Fragen mangelt es nicht, zumal verschiedene Ortskirchen in Europa im Blick und mit Diskurspartnern beteiligt sind: Wie reagiert die katholische Kirche in Europa auf die Pandemie? Wie sieht die Situation in einzelnen Ländern aus? Wie geht man in Pastoral, Liturgie, Theologie mit der Pandemie um? Wie reagieren die Kirchenleitungen? Welche landes- und kulturspezifischen Besonderheiten im Umgang mit der Pandemie lassen sich beobachten? Dafür haben die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler der Universität Erfurt Kolleginnen und Kollegen aus Belgien, Großbritannien, Kroatien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz, Slowenien und Tschechien eingeladen. Die Veranstalter hoffen auf ein möglichst differenziertes Bild, das kirchliche und kulturell-gesellschaftliche Besonderheiten widerspiegelt.
Bericht zum Projekt| Interview mit Prof. Dr. Julia Knop und Prof. Dr. Benedikt Kranemann
Kooperationen
Fördernde Institutionen
- Alexander von Humboldt-Stiftung
- Česko-německý fond budoucnosti / Deutsch-tschechischer Zukunftsfonds
- Deutsche Forschungsgemeinschaft
- Deutscher Akademischer Austauschdienst
- Fundacja Współpracy Polsko-Niemieckiej / Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
- Katholischer Akademischer Austauschdienst
- Netzwerk der West- und Nordgebiete Polens
- Österreichische Akademie der Wissenschaft
- Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
- Vereinigte Kirchen- und Klosterkammer Erfurt