Die Erfurter Theologie schöpft aus der Tradition – mit klarem Blick auf die Zeichen der gegenwärtigen Zeit – ihr Innovationspotenzial für die Zukunft. Die Fakultät führt die Tradition des Philosophisch-Theologischen Studiums (PTS) Erfurt fort, das 1952 als einzige katholische akademische Ausbildungsstätte in der DDR gegründet wurde. Erst mit der deutschen Wiedervereinigung erhielt das Theologische Studium die staatliche Anerkennung. Der Vatikan erhob das Philosophisch-Theologischen Studium 1999 zu einer selbstständigen kirchlichen Fakultät. Drei Jahre später stimmte Rom der Eingliederung in die staatliche Universität zu. 2003 folgte die offizielle Aufnahme in die Hochschule. Heute zählt die nach wie vor einzige Katholisch-Theologische Fakultät in Ostdeutschland zwölf Professuren und rund 200 Studierende.
In einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA haben der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr und Universitätspräsident Walter Bauer-Wabnegg die Fakultät 2017 anlässlich des 15-jährigen Jubiläums ihrer Aufnahme in die Uni Erfurt gewürdigt und sie als unverzichtbaren Bestandteil der Hochschule bezeichnet. Die katholische Theologie sei nicht nur profilschärfend für die Hochschule, sondern habe auch die Herausforderung angenommen, in einem säkularisierten Umfeld katholische Theologie zu betreiben und so auch mit den Menschen, die keinen Glauben haben, einen Dialog zu führen. Zudem stelle sie sich der Aufgabe, über das theologische Wirken hinaus in den interdisziplinären Forschungen der Universität und den gesellschaftlichen Diskursen Platz zu nehmen. Bischof Neymeyr hob aber auch die ökumenische Ausrichtung der Fakultät hervor. Sie kooperiere eng mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Jena und dem Institut für Evangelische Theologie an der Universität Erfurt. Bereits der spätere Reformator Martin Luther (1483-1546) habe in Erfurt als Student eine für seine Zeit sehr moderne Theologie kennengelernt. Diese Prägung wirke fort und mache Erfurt für Theologie-Studierende bis heute interessant.
Die Katholisch-Theologische Fakultät sieht sich als die Bewahrerin der Tradition der Theologischen Fakultät der alten Universität Erfurt und als eine der Brücken zurück zu den Anfängen der Universität Erfurt, die im 14. Jahrhundert gegründet, im Jahr 1816 geschlossen und 1994 wieder neu errichtet wurde. In gewisser Weise führt unsere Fakultät damit auch die Tradition der Theologischen Fakultät der ehemaligen deutschen Universität Breslau fort, die nach der Schließung der Universität Erfurt zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs für die preußischen Gebiete die Ausbildungsstätte in Katholischer Theologie war.
Professoren der Breslauer Fakultät waren auch an der Gründung des Philosophisch-Theologischen Studiums Erfurt beteiligt. In der Tradition der alten Universität Erfurt und des Philosophisch-Theologischen Studiums Erfurt versteht sich die heutige Katholisch-Theologische Fakultät der modernen Universität Erfurt als Brücke nach Polen, nach Tschechien und zum Osten Europas.
Das vergangene Jahr 2017, im dem man in Deutschland und in vielen Teilen der Welt der Anfänge der Reformation vor 500 Jahre gedachte, war für die Katholisch-Theologische Fakultät in Erfurt ebenfalls Anlass, sich auf ihre Geschichte, ihre Aufgaben und Herausforderungen heute zu besinnen. Sie ist nicht nur eine Katholisch-Theologische Fakultät im Kernland der Reformation, sondern mit dem Auditorium Coelicum und der Kilianikapelle auf dem Domberg nutzt sie für ihre Lehrveranstaltungen Räume, in denen bereits Martin Luther gelernt und gelehrt hat und in denen er zum Priester geweiht wurde.
Es ist für die Katholisch-Theologische Fakultät Erfurt deshalb selbstverständlich, dass die Reformation mit ihren Ursachen und die durch sie ausgelöste katholische Reform zentraler Gegenstand ihres Forschens und Lehrens sein müssen. Sie befasst sich mit den Anliegen und der Theologie der Reformation und der Geschichte des Konfessionalismus und sie weiß sich zu theologischer Forschung und Lehre in dezidiert ökumenischer Perspektive verpflichtet.
Als Katholisch-Theologischer Fakultät im Osten Deutschlands ist ihr besonderes Anliegen die Erforschung der Geschichte des katholischen Lebens in der Deutschen Demokratischen Republik, das durch die deutsche und europäische Teilung sowie eine staatlich betriebene Säkularisierung geprägt war. Die Existenz und das Leben als Katholische Christinnen und Christen in der Diaspora und in einer Umwelt die durch staatlich-politische Vorgaben zunehmend ent-christlicht wurde, prägen bis heute jenen Raum, in dem und für den die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt Theologinnen und Theologen ausbildet.
Als Katholisch-Theologische Fakultät in einem weitgehend säkularen und postreligiösen Umfeld und in der kritisch-reflektierten Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, hat sich die Erfurter Fakultät in den vergangenen Jahren einen signifikanten Vorschuss an Erfahrungen und Kompetenzen erarbeitet, von denen anderen Fakultäten in Deutschland und darüber hinaus in den sich gegenwärtig abzeichnenden gesellschaftlichen Entwicklungen und kulturellen Herausforderungen profitieren können. Die vielfältigen Forschungen der Fakultät zu diesem Themenfeld finden zusammen im gemeinsamen Forschungsschwerpunkt „Minderheit – Migration – Mission. Katholizismus im öffentlichen Raum der Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der historischen Situation Ost- und Mitteldeutschlands“.
Im Blick zurück auf 15 Jahre Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität Erfurt sprachen Berichte in den Medien und Stellungnahmen von Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen Lebens immer wieder von der Fakultät als einer Erfolgsgeschichte der deutschen Wiedervereinigung — doch inwiefern ist sie das? Weil das Professorium der Fakultät inzwischen weitgehend mit Personen aus den alten Bundesländern und aus dem westlichen Ausland besetzt ist? Weil die Fakultät es geschafft hat, Teil einer staatlichen Universität zu werden? Weil sie es geschafft hat, ihren Platz zu behaupten, in der Forschung präsent und mit Drittmittelprojekten immer wieder erfolgreich zu sein?
Eine Erfolgsgeschichte ist die Fakultät, weil sie es seit ihrer Gründung als Philosophisch-Theologisches Studium Erfurt immer wieder geschafft hat, die Wirklichkeit anzunehmen, sich allen Herausforderungen ohne Angst zu stellen und für schwierige Fragen kreative und unkonventionelle Antworten zu finden. Eine Erfolgsgeschichte wird sie auch in Zukunft sein, wenn sie weiterhin alle Aufgaben ebenso mutig und konstruktiv angeht. Mit gezielten Maßnahmen wirbt sie für ein Studium der Katholischen-Theologie in Erfurt. Sie hat Anstrengungen unternommen, sich und ihre Forschung in der Öffentlichkeit deutlicher sichtbar zu machen, und nutzt dafür die neuen Medien in all ihrer Vielfalt.
Die Katholisch-Theologische Fakultät Erfurt ist bereit, alle Chancen zu nutzen, die sich ihr heute bieten. Dazu gehört die neue ICE-Verbindung, die Berlin genauso wie München zu ihren Nachbarn macht. Erfurt, seine Universität und die Katholisch-Theologische Fakultät sind im Zentrum Deutschlands und Europas angekommen. Mit der Katholisch-Theologischen Fakultät ist der “Osten” im Zentrum angekommen. Katholische Theologie in Erfurt ist heute weit mehr als Katholische Theologie im Osten. Katholische Theologie in Erfurt ist Katholische Theologie im grünen Herzen von Thüringen, Deutschland und Europa. An Erfurt und seiner Fakultät führt kein Weg mehr vorbei. Es gilt: „Alle Wege führen nach Rom – viele davon über Erfurt.“
Theologie in Erfurt ist Theologie in der Mitte Deutschlands und Europas. In den kommenden Jahren wird sich die Katholisch-Theologische Fakultät verstärkt damit auseinandersetzen müssen, ob und wie dies ihre Lehre und Forschung inhaltlich neu akzentuieren und prägen soll. Vielleicht ist es für alle Angehörigen der Katholisch-Theologischen Fakultät, vielleicht auch der Universität und weit darüber hinaus, längst an der Zeit, mental einen Ortswechsel zu vollziehen und die eigene Position neu zu bestimmen. Ost und West werden sich in Deutschland zunehmend angleichen, dies gilt auch für die Stellung von Kirche und Theologie – falls sich hier nicht sogar schon längst die Angleichung vollzogen und falls hier nicht schon längst Bilder, Vorstellungen und Vorurteile einer grundsätzlichen und nachhaltigen Korrektur bedürfen.
Nötig ist möglicherweise auch ein neuer und unvoreingenommener Blick auf die Umwelt, in der die Fakultät forscht und lehrt und für die sie Theologinnen und Theologen ausbildet. Vielleicht gilt es zu entdecken, dass auch der “Osten” doch nicht einfach nur säkular und ent-christlicht ist. Vielleicht gilt es auch zu entdecken, dass die Katholisch-Theologische Fakultät in der Mitte Deutschlands sowie Europas nicht mehr nur für Kirche und Gesellschaft im “Osten” forscht und lehrt.
Die Katholisch-Theologische Fakultät in Erfurt ist eine Ausbildungs- und Forschungsstätte in einer kulturell und historisch attraktiven und spannenden Region und sie entwickelt innovative Konzepte nicht nur in Forschung und Lehre, sondern für die Kirche und die Gesellschaft in Thüringen, Deutschland und Europa. Für Kirche und Gesellschaft stellt sie sich der Frage, wie Menschen in Zukunft leben und diese in gemeinsamer Verantwortung gestalten wollen. Studierende, Lehrende und Forschende aus aller Welt können an der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt im grünen Herzen Deutschlands und Europas im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aller Fächer der Universität Erfurt, sowie national und global vernetzt, die Vergangenheit in all ihren Facetten analysieren, die Gegenwart mit ihren Herausforderungen reflektieren und die Zukunft mitgestalten.