Forschungsschwerpunkt

Minderheit – Migration – Mission

Die Forschung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt steht in Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld in den ostdeutschen Bundesländern. Es ist unter anderem durch die Erfahrungen der DDR-Zeit, die gesellschaftlichen Transformationsprozesse nach den politischen Umbrüchen 1989, eine geringe Bindung an die Institution Kirche und kirchlich-religiöse Traditionen bei einem Großteil der Bevölkerung sowie die Pastoral der christlichen Kirchen in der Diaspora geprägt. Eine zukunftsfähige Theologie muss sich gerade in der Forschung mit ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld auseinandersetzen. Sie muss mit ihrer Zeit über Fragen von Glaube, Gesellschaft und Kultur im Austausch stehen und sich von ihr befragen und anregen lassen. Nur so kann sie Impulse in diese Zeit hineingeben.

Verschiedene Forschungsinteressen wie -projekte an der Fakultät gelten der Kirche als gesellschaftlicher Minderheit, Themen der Migration, die zur Geschichte der katholischen Kirche in Ostdeutschland gehören, und der Mission. Die thematische Klammer des Forschungsschwerpunkts der Fakultät und seiner einzelnen Projekte ist das Verhältnis von Katholizismus und pluraler Öffentlichkeit mit ihrer Ausdifferenzierung hinsichtlich Religion und Weltanschauung sowie entsprechend vielfältigen Praktiken. Der Katholizismus wird in seiner Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Umfeld und neuen, das Christentum herausfordernden Verfasstheiten des Religiösen zum Forschungsobjekt. Traditionsweitergabe und Ritualpraxis, Glaubensaussage und Ethik, kirchliche Rechtskultur und Gemeindepastoral, institutionalisierte wie individualisierte Ausprägungen des Katholizismus werden erforscht. Es wird nach den religionsphilosophischen Konsequenzen gefragt. Themen und Fragestellungen der Geschichte wie der Gegenwart werden untersucht. Dabei sind auch die ökumenischen Dimensionen jeweils im Blick. Es geht um Phänomene, die zukünftig das Leben der Kirche in weiten Teilen Deutschlands bestimmen könnten. Dieser Forschung kommen der innertheologische Pluralismus der Hermeneutik und Methodik der Erfurter Lehrstühle wie das kultur- und sozialwissenschaftliche Profil der Universität Erfurt sehr entgegen.

In Erfurt besteht innerhalb der theologischen Forschung eine gewachsene Sensibilität für Prozesse wie Entkirchlichung, Traditionsverlust, Neuverortung von Religion usw. und ihre Untersuchung im Kontext des kulturellen Gedächtnisses.

Minderheit

Minderheit

„Diaspora“ beschreibt pointiert die Situation der katholischen Kirche in den neuen Bundesländern. Dabei geht es weniger um die zwischenkonfessionellen Verhältnisse als um das Verhältnis zu einer postsozialistischen Gesellschaft mit einer Mehrheit der Konfessionslosen, in der Christen generell eine Minderheit bilden. Für die katholische als gegenüber der evangelischen kleinere Kirche ergibt sich daher ein doppelter Minderheitsstatus. Das Leben in der Minderheit stellt jede Gemeinschaft vor besondere Anforderungen. Es entwickeln sich ganz spezielle Verknüpfungen des Einzelnen mit dieser Gemeinschaft und der umgebenden Gesellschaft. Nach zwei Diktaturen, die eine bewusst antikirchliche Haltung gefördert haben, sind noch etwa 30 Prozent der Menschen konfessionell gebunden, die aber nur zum Teil ihr Christsein aktiv gestalten. Diese Situation besitzt für die Theologie Laborcharakter. Hier lässt sich beobachten, wie Ortskirchen in dieser Minderheitssituation leben, sich der eigenen Grundlagen bewusst sind und als Teil der Gesellschaft handeln.  Eine Untersuchung der genaueren Umstände einer solchen, für das ehemals volkskirchlich geprägte Europa neuen Situation, ist für das Leben und künftige Selbstverständnis von Kirche insgesamt unabdingbar. Das Forschungsprojekt interessiert sich generell für Prozesse und Phänome von katholischer bzw. christlicher Minderheit und blickt über den Raum Mittel- und Ostdeutschlands hinaus.

Migration

Migration

Die jüngere Geschichte der katholischen Kirche in Mittel- und Ostdeutschland ist eng mit Migration  verbunden. Ein Großteil der katholischen Bevölkerung setzte sich zeitweise aus Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs zusammen. Doch trugen auch andere Migrationsprozesse (Arbeitssuche) zur Ansiedlung von Katholiken und zum Gemeindeaufbau bei. Dabei verband die Eingewanderten oftmals nicht viel mehr als ihre gemeinsame Konfession. Die zeitgeschichtliche Erforschung dieser Migrationsprozesse ist von entscheidender Bedeutsamkeit, um die Katholiken in der Region, ihr Zusammenleben und ihr Handeln in Kirche und Gesellschaft verstehen zu können. Migration von Menschen gleich welcher Religionszugehörigkeit ist für die Kirche  aufgrund ihres diakonal-sozialen Selbstverständnisses stets eine Herausforderung. Migration ist verbunden mit Verlusten und stetigen Neuanfängen, menschlichen Einzelschicksalen und den Problemen ganzer Gemeinschaften. Die einzelnen Teilprojekte beziehen sich auf unterschiedliche Migrationen, nehmen ihre geschichtliche Entwicklung und die örtlichen Gegebenheiten in den Blick. Zu den Themenfelder gehören neben (kirchen-)historischen und sozialethischen Fragestellungen die Untersuchung der Bedeutung von Religionsgemeinschaften und christlichen Gemeinden oder von Liturgie und Frömmigkeit für Migranten. Verschiedene theologische Disziplinen sind in die Forschung involviert. Aus den Forschungsergebnissen zur Geschichte lassen sich auch Erkenntnisse für die Gegenwart gewinnen, in der Migration ein aktuelles Thema und eine besondere Herausforderung für Kirche darstellt.

Mission

Mission

Das Thema „Mission“ wird theologisch u.a. wieder diskutiert, seitdem innerkirchlich das Bewusstsein wächst, dass die Kirche ihrem Wesen nach „missionarisch“ ist. Allerdings sind der Begriff „Mission“ wie die Geschichte der christlichen Mission problembeladen. „Mission“ transportiert viele Missverständnisse und ist erklärungsbedürftig. Mission ist immer wieder auch mit Gewalt und Unterdrückung sowie wenig Respekt für religiöse Freiheit von Individuen und für bestehende Kulturen einher gegangen. Antworten, die über Jahrhunderte akzeptiert waren, was „Mission“ bedeute und wie der Glaube weiterzugeben sei, tragen heute nicht mehr. Vieles davon muss verworfen werden, anderes beispielsweise mit einem neuen Blick auf andere Kulturen und Religionen, auf Menschenwürde und Religionsfreiheit weiter buchstabiert oder ganz neu entwickelt werden. Die Aufarbeitung dieser kirchlichen Missionsgeschichte ist heute ebenso wichtig wie die Klärung eines theologisch tragfähigen und akzeptablen Missionsbegriffes. „Mission“ und der Missionsauftrag Jesu werden stärker als Evangelisation von Menschen und Gruppen sowie im Zusammenhang mit „Selbstevangelisation“ verstanden. Diese Verkündigung wird auch im „westlichen Kontext“ mit seiner christlichen Vergangenheit oder seinem christlichen Hintergrund immer bedeutsamer. „Dialog“ erweist sich in diesem Kontext als ein Schlüsselbegriff, gerade vor dem Hintergrund der alltäglichen Diasporasituation in Mittel- und Ostdeutschland.

Inhaberin der Professur für Kirchenrecht
(Katholisch-Theologische Fakultät)
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