Die Staaten im Mittleren und Nahen Osten haben sich lange als resistent gegenüber Entwicklungen zu mehr Demokratisierung gezeigt, wobei der Begriff Demokratisierung für den Prozess der Aufwertung der bürgerlichen Schichten und deren Mitbestimmungsrechten eingeführt wurde. Gleichzeitig entwickelte sich dieser Prozess zu dem dominierenden Erklärungsparadigma für Veränderungen in Staaten hin zu mehr Demokratie, was als Transformation bezeichnet wird. Allerdings wird politische Transformation häufig auf der Ebene der herrschenden Eliten betrachtet, ohne die Rolle anderer Akteure einzubeziehen. Dies ist aber unerlässlich, um die Nachhaltigkeit einer demokratischen Konsolidierung zu bestimmen oder aber in frühen Phasen zu erkennen.
In Ägypten versuchte lange Zeit die herrschende Elite eine kontrollierte Liberalisierung zu lenken und ihre Strategie der Kooptation der oppositionellen Kräfte aus Politik und Zivilgesellschaft fortzuführen, anstatt tiefgreifende aber notwendige Reformen durchzuführen. Die gesteuerte Liberalisierung wurde so streng reglementiert, dass die Maßnahmen für das Regime zumindest auf der formalen Ebene keine Gefahr darstellen konnten. Zugleich unterdrückte das Regime die Aggregation von anderen politischen Meinungen innerhalb des politischen Systems.
Das Ergebnis dieses Prozesses war, dass sich bereits seit einigen Jahren in Ägypten Verwerfungen gezeigt haben, die an der klaren Diskrepanz zwischen den in der Verfassung verankerten Rechten und Freiheiten auf der einen und der Lebenswirklichkeit der Menschen auf der anderen Seite abzulesen waren. Ohne eine „klassische“ Möglichkeit der Aggregation der Unzufriedenheit mit diesen Verwerfungen innerhalb des politischen Systems, ist es im Laufe des Frühjares 2011 zu einer massenhaften Mobilisierung gegen das herrschende Regime und die von ihm zu verantwortenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Defizite gekommen.
Daraus ergibt sich die hier als entscheidend zu untersuchende Frage nach der Identifikation und den Erklärungen für die Mobilisierung oppositioneller Akteure in Ägypten für den ergebnisoffenen Prozess der politischen Transformation, den das Land durchläuft.
Erstgutachter: Prof. Dr. Kai Hafez (Universität Erfurt)