Das Projekt hat sich auf zwei Fallstudien konzentriert:

  1. Barcelona 
  2. Lyon

Die spektakuläre Zunahme von Städten bzw. die Entwicklung großer Agglomerationen im 20. und 21. Jahrhundert hat zur Folge, dass seit kurzem die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten bzw. in ihren Peripherien lebt.  Vor 1800, als – mit Ausnahme einiger stark popularisierter Regionen wie z. B. Norditalien oder Flandern – die Mehrzahl der Menschen noch auf dem Land lebte, hat Europa durchaus schon Phasen intensiver Urbanisierung erlebt, denen allerdings meist Phasen der Stagnation oder des demographischen Schwunds folgten: die Zeit des Römischen Reiches, die vor allem im südlichen Europa zu einer Reihe von Stadtgründungen und in den Städten zu ersten Raumgestaltungen geführt hat; das 12. und 13. Jahrhundert, als es im Zuge des Aufschwungs von Wirtschaft und Handwerk zu einer ganzen Reihe von Neugründungen gekommen ist und ältere Städte neu gestaltet wurden. Die inzwischen stark christianisierten Stadträume wurden teilweise erst damals mit Mauern umgeben. Und schließlich das 18. Jahrhundert, als ein starker demographischer Aufschwung die Städte zwang, ihr mittelalterliches Gewand abzulegen, indem sie ihre Mauern einrissen, die Grenzen erweiterten und neue Viertel anlegten, wo zuvor häufig nur unbebautes Gelände, Sümpfe, Weinberge, Felder oder schlicht die "Bannmeile" waren. Das Bedürfnis, die Städte zu erweitern, hat eine Stadtplanung entstehen lassen, bei der es sich – im Europa des 18. Jahrhunderts – im Wesentlichen um eine Stadtplanung der Peripherie handelte.  Die Architekten wurden damals zu Urbanisten, wie Jean-Claude Perrot schon 1975 festhielt. Dem wäre hinzuzufügen: Sie wurden zu Raumsoziologen avant la lettre oder zu Choreographen der städtischen Peripherie, denn sie mussten planen, vorhersehen, erwerben, bauen, aber auch die neu erworbenen Stadtgebiete ordnen und die Menschen dort "anordnen", nämlich ansiedeln.  Das Projekt beschäftigt sich mit verschiedenen, stadtbezogenen Prozessen der Raum-Ordnung, insbesondere mit denen der städtischen Peripherien - und deren Rückwirkungen auf die gesamte räumliche Konfiguration der Stadt. 

Anders als der Mainstream der Stadtplanungsforschung glauben lassen möchte, gab es auch schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts Stadtplanungsprojekte, die großflächig und systematisch konzipiert wurden. Jedoch lässt sich an den Stadterweiterungsprojekten des 18. Jahrhunderts, bei denen es sich oft um ein öffentlich-privates Gemeinschaftsunternehmen handelte, auch eine Denk- und Handlungsweise ablesen, die die Stadt als Ganze im Blick hatte und sie als Organismus begriff.  Deshalb muss, wer über Stadt- und Raumplanung reden möchte, schon hier ansetzen: bei der Urbanisierung des 18. Jahrhunderts, die allerdings nicht eine Modernisierung darstellt, wie die Vertreter der (deutschen) Gesellschaftsgeschichte meinten, sondern die nur als langwieriger Prozess zu verstehen ist, der von vielen Blockaden und Rückschlägen begleitet war, bei dem sich manchmal Visionen und Scheitern gegenseitig vollständig aufheben konnten. 

Die Beschäftigung mit der Urbanisierung der Peripherie bedeutet auch, sich den Gebieten zu widmen, die in den letzten Jahrzehnten eine neue Aufmerksamkeit erfahren haben, sei es aufgrund ihrer sozialen Probleme – wie in Chicago, Los Angeles oder Paris  – sei es deshalb, weil immer mehr Menschen aufgrund der angenehmeren Wohnmöglichkeiten an den Stadtrand ziehen und dadurch die Randgebiete größer werden als die Innenstadt. Wo also ist hier die Stadt, im Zentrum oder an der Peripherie?  Dies sind Fragen, die in dem städtebaulichen Kontext um 1800 relevant wurden und mit denen sich die damaligen Stadtplaner (Architekten und Stadträte) beschäftigt haben. 

Dieser Prozess der Peripherisierung, der die ehemaligen Vorstädte stärker in die Stadt einbezog, Stadtgrenzen verlegte, aber auch unerschlossene Gebiete erst bewohnbar machte, war von semantischen Umdeutungen der zur Stadt gehörenden Räume begleitet: Stadtdörfer wurden zu Stadtvierteln, die ehemalige "Bannmeile" (banlieue) zum Villenvorort (banlieue chic), und wer nicht dort wohnte, konnte diese Gebiete wenigstens als Naherholungsgebiete nut¬zen. Während die Stadt bis dato selbst Zentrum war, redete man im Zuge der ersten Erweiterungsprozesse davon, dass die Stadt ein Zentrum habe. Die Ausdehnung der Städte, die oft parallel verschönert und funktional umgestaltet wurden, wurde aller¬dings auch von der Entstehung neuer Heterotopien begleitet: Friedhöfe, Irrenhäuser, Schlachthöfe wurden vor die Tore der Stadt verlegt und es entstanden Gewerbegebiete. 

Sich mit Peripherisierungsprozessen zu beschäftigen heißt also nicht zuletzt, die Differenz von Zentrum und Peripherie, die in der Stadt als gesellschaftlicher Lebensform vielleicht am deutlichsten zum Ausdruck kommt, weder als "immer schon" dagewesen noch als statisch zu verstehen. Die Zentrum-Peripherie-Differenzierung schlägt sich zwar räumlich nieder und lässt sich umgekehrt aus den Raum-Ordnungen ablesen, doch sie ist prinzipiell dynamisch und die Peripherisierungsprozesse sind je nach zeitlichen, vor allem aber auch rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexten unterschiedlich verlaufen: Im 18. Jahrhundert waren ganz andere Akteure beteiligt als noch im späten Mittelalter. 

Ziele: 

Es geht in dem Projekt also nicht nur darum, historische Formen und Topographien von Städten zu rekonstruieren, was ja auch schon gemacht wurde, sondern eher darum, den Veränderungen räumlicher Konfigurationen, z.B. des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie, nachzugehen. Langfristiges Ziel des Projektes ist es, einen dynamischen (digitalen) Städteatlas zu konzipieren, der es zulässt, eine nicht-lineare Perspektive auf die Geschichte stadträumlicher Veränderungen zu werfen. Jedenfalls sollten diese Prozesse nicht länger geometrisch-objektiviert, sondern multiperspektivisch und unter Berücksichtigung der schwierigen Durchsetzungsprozesse und der immer wieder vorhandenen Rückschläge dargestellt werden.