Anfang Februar hat sich die 7. Gruppe deutscher MESH-Studierender in den Libanon begeben, um an der Partneruniversität Saint Joseph (USJ) in Beirut Geschichte und Gesellschaft des Landes und der Region nicht nur aus europäischer, sondern in globaler Perspektive zu studieren.
Die Université Saint-Joseph de Beyrouth (USJ), an der die MESH-Studierenden ein Semester lang studieren, ist die älteste und wichtigste französischsprachige Universität des Libanons. Sie gehört zu einer der renommiertesten Universitäten des Landes und der ganzen Region. Weitere Informationen zu unserer Partneruniversität findet ihr in der Bilderstrecke von MESH-Studentin Maria Klenner:
Weil es uns von mehreren Leuten empfohlen wurde und weil gerade eine Freundin aus Deutschland zu Besuch ist und wir ihr etwas bieten wollen, versuchen wir heute nach Mleeta zu fahren, allgemein bekannt als das "Hisbollahmuseum". Um ohne Auto dort hinzukommen, muss man zuerst einen der Minibusse nach Saida nehmen. Wie immer fallen wir in diesem extrem auf und die arabische Großfamilie vor uns beginnt auf halber Strecke Selfies mit uns im Hintergrund zumachen. Sie hören erst auf, als ich beschließe den Spieß umzudrehen und selber ein Selfie schieße - mit ihnen im Hintergrund. In Saida angekommen, werden wir sofort von einem Taxifahrer angesprochen, der uns nach Mleeta bringen will. Allerdings ist uns der Preis zu hoch. Wir wollen erst mal herumfragen was der Standardtarif ist. An der Bushaltestelle fragen wir nach Mleeta und ein Busfahrer winkt uns sofort zu seinem Bus. "Prima", denken wir, "das hat doch gut geklappt". Wir tuckern also durch das Hinterland bis wir in einer Kleinstadt grob in der Gegend von Mleeta ankommen. Dort teilt uns der Busfahrer mit, dass das eigentlich sein Ziel ist und Mleeta noch ziemlich weit weg wäre. Er würde uns schon dort hinbringen, aber das würde kosten. Wir diskutieren lange hin und her (der Fahrer versteht leider nur Arabisch), aber eigentlich haben wir keine andere Wahl als mit ihm mitzufahren. Außer uns ist der Bus leer, nur die Frau des Busfahrers steigt noch zu. Wir versuchen noch ein bisschen mit dem Fahrer zu handeln, aber vor allem seine Frau gibt nicht nach. Eigentlich findet sie, er hätte uns gar nicht mitnehmen sollen oder wenn schon dann einen höheren Preis verlangen sollen. Sie telefoniert wild herum auf der Suche nach jemandem, der Englisch oder Französisch spricht, damit wir besser diskutieren können, aber unser Arabisch ist meistens doch besser als die Fremdsprachenkenntnisse der „Dolmetscher“. Schließlich schaffen wir es sogar dem Busfahrer klar zu machen, dass wir nur nach Mleeta wollen und er dort nicht auf uns warten und uns wieder zurückbringen soll. Der Preis, den wir dafür aushandeln, passt wiederum der Ehefrau nicht und sie zetert während der ganzen Fahrt vor sich hin. Der Bus schafft es mit Müh und Not die steilen, engen Straßen nach Mleeta hinauf und dort angekommen fängt die Diskussion wieder von vorne an. Endlich schaffen wir es die beiden wegzuschicken, stellen uns aber vor, wie die Frau des Fahrers noch während der ganzen Rückfahrt mit ihm schimpft, weil er nachgegeben hat.
Das Museum liegt spektakulär auf einem Hügel, von dem aus man einen tollen Blick über die ganze Ebene und bis zum Meer hat. An diesem Ort haben sich 2006 die Hisbollah Kämpfer versteckt und von dort gegen Israel gekämpft. Jetzt ist es ein Museum, beziehungsweise ein Ort der Propaganda, der auf eine spezielle Art interessant und gleichzeitig unbeschreiblich schräg ist. Es werden eroberte israelische Panzer, Waffen, etc. als Kriegstrophäen präsentiert und man kann durch Tunnel und Gräben gehen, in und um die hübsch verteilt seltsame Figuren stehen, die die Hisbollahkämpfer darstellen sollen. Das Ganze ist zum Teil mit dramatischer Musik hinterlegt, damit man sich auch wirklich wie ein echter Hisbollahkämpfer fühlen kann. Es herrscht eine ziemlich beklemmende Stimmung, gegen die man sich nicht wirklich wehren kann. Es gibt auch noch eine Ausstellung und einen Werbefilm, der es uns zum Teil kalt den Rücken runter laufen lässt. Besonders skurril finden wir zum Schluss den Souvenirshop, in dem man Hisbollahflaggen in allen Größen, wahrscheinlich fürchterliche Propaganda-DVDs und viele Dinge mehr erstehen kann.
Wir haben doch recht schnell genug von der Propaganda und müssen uns daher der nächsten Herausforderung stellen: wieder zurück nach Saida zu kommen. Mleeta liegt wirklich sehr abgelegen und außer uns sind nicht viele Besucher da. Zum Glück kommt gleichzeitig mit uns ein anderer Mann auf den Parkplatz und dieser nimmt uns mit ins nächste Dorf, wo wir dann angeblich ein Taxi nehmen können.
In dem Dorf quatscht uns auch sofort ein Taxifahrer an, der ist uns allerdings mal wieder zu teuer und außerdem wollen wir sowieso erst noch etwas essen. Wir fallen also in einen kleinen Laden am Dorfplatz ein und essen dort etwas, das sich am besten als Knoblauch mit Hühnchen beschreiben lässt. Der Ladenbesitzer will natürlich wissen wo wir herkommen und erzählt uns dann, dass er auch mal in Deutschland gelebt hat. Seine Familie ist allerdings jetzt in Rumänien, er ist aber gerade nicht so oft dort, da er sich mit seiner Frau gestritten hat und deswegen lieber im Libanon bleibt. Ein weitere Mann im Laden hält uns ein Foto einer Familie unter die Nase und fragt ob wir Leute davon kennen. Es stellt sich heraus, dass diese Familie in Deutschland lebt und er offensichtlich davon ausgeht, dass sich alle Deutschen untereinander kennen.
Mittlerweile hat das ganze Dorf mitgekriegt, dass Ausländer beim Hühnchen essen am Dorfplatz sitzen, denn immer wieder schaut jemand interessiert zu uns herein und registriert, dass wir tatsächlich da sind. Wahrscheinlich sind wir der Inhalt des Dorftratsches für die nächsten Tage. Auch die Taxifahrergang hat sich anscheinend schon untereinander ausgetauscht und jetzt wissen sie alle Bescheid, dass da Leute im Dorf sind, die irgendwie wieder zurück nach Saida müssen. Auch welchen Preis wir vorhin bereit waren zu zahlen scheint sich herumgesprochen zu haben, denn als wir den Laden verlassen, wartet dort schon ein Taxifahrer auf uns und nimmt uns genau für diesen Preis mit nach Saida. Feixend fährt er dann an den anderen Taxifahrern vorbei. Im Endeffekt haben wir jetzt genau so viel bezahlt, wie der erste Taxifahrer heute morgen in Saida von uns haben wollte. Mit dem wären wir wahrscheinlich schneller gewesen und es wäre deutlich bequemer gewesen, aber wir hätten nur halb so viel erlebt!
Text: Agnes Heim
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Agnes Heim/Gijs Slegers
Saida ist eine Stadt etwas südlich von Beirut. Um dort hin zu kommen, fahren wir zunächst mit dem Taxi zur Bushaltestelle und steigen dort in einen der Minibusse, die Richtung Saida fahren. Fahrpläne, Linien oder feste Haltestellen gibt es nicht, man kommt einfach zu dem Ort, wo alle Busse abfahren und fragt sich durch. Beziehungsweise geht zum nächstbesten Bus, aus dem jemand laut „Saida!“ ruft. Wir landen in einem ziemlich klapprigen Minibus, in dem noch deutschsprachige Schilder hängen, der aber wahrscheinlich vor ungefähr zwanzig bis dreißig Jahren in Deutschland wegen Altersschwäche ausgemustert wurde. Es muss sich um einen Schulbus für Grundschulkinder oder etwas ähnliches gehandelt haben, denn wir müssen unsere langen Beine ziemlich zusammenfalten um auf die Sitze zu passen.
Nach ungefähr einer Stunde sind wir angekommen und stehen mitten im Chaos. Vor allem die Altstadt Saidas ist ein furchtbares Gewirr aus Gassen, sodass alle Stadtpläne nur sehr schematisch sind und auch Google Maps überfordert ist. Wir beschließen also zunächst das „Sea Castle“ zu besichtigen, das Wahrzeichen Saidas, das schön übersichtlich direkt am Hafen liegt. Am schönsten sieht es allerdings vom Ufer aus, die Besichtigung dauert daher nicht lange. Wir atmen also noch einmal tief durch und wagen uns dann in die Altstadt. Diese ist eigentlich ein einziger großer Markt, in dem es ohne erkennbare Ordnung einfach alles willkürlich nebeneinander gibt: Obst und Gemüse, Kleider und Schuhe, lebendige Hühner, Tische und Stühle, halbe Kühe und Ziegenköpfe (hübsch dekorativ in einer Plastikkiste am Boden), Souvenirs, frischen Fisch, Süßigkeiten, Falafel, usw. Die Häuser stehen sehr dicht aneinander, zum Teil mit Planen beschattet, zum Teil geht man durch richtige Tunnel. Kabel hängen wirr über den Ständen und Straßenkatzen streunen überall herum. Rein zufällig finden wir eine uralte Kirche. Die Moschee, die ich eigentlich besichtigen wollte, scheint geschlossen zu sein. Dafür ist das dreihundert Jahre alte Hammam, von dem ich dachte es wäre eine Art Museum, anscheinend immer noch in Betrieb. Auf jeden Fall ist es noch beheizt und man bietet uns an wir könnten uns schnell abduschen und dann sofort hineingehen…
So spontan sind wir allerdings doch nicht, also beschränken wir uns darauf noch eine Kreuzfahrerburg zu besichtigen, die wir komplett für uns allein haben. Zum Abschluss schauen wir noch beim Khan el Franj, einem Harem/Handelskontor (erst das eine, dann das andere), vorbei- Dort werden wir aber relativ schnell wieder hinausgeworfen, da der Wächter Feierabend machen will.Wir sind auch schon ziemlich fertig und gehen also zurück Richtung Bushaltestelle. Wir folgen den lauten Rufen „Beirut!“ und landen wieder in einem sehr klapprigen und engen Minibus. Mit uns steigt noch eine größere arabische Familie ein, mit mehreren Frauen und einer unüberschaubaren Anzahl Kindern unterschiedlichen Alters. Mitten auf der Fahrt tippt mir plötzlich jemand auf die Schulter und als ich mich umdrehe, wird mir über den Sitz hinweg ein drei Wochen altes Baby in die Hand gedrückt. Das Kind und ich gucken etwas verwirrt, der Rest amüsiert sich gut. So etwas passiert einem in Deutschland im Bus wahrscheinlich nie…
Text: Agnes Heim
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Agnes Heim/Gijs Slegers
Wir brauchen eine kurze Pause von Beirut, daher unternehmen wir einen ersten Ausflug in eine andere Stadt: nach Byblos. Dort kann man mit dem Bus hinfahren, die Bushaltestelle ist jedoch ziemlich weit von unserer Wohnung weg. Zum Glück wissen wir schon, wo man bei uns in der Nähe am leichtesten ein Taxi bekommt: die meisten Service (Gemeinschaftstaxis) fahren auf der Rue Damas und diese ist nur fünf Minuten von unserer Wohnung entfernt. Wir haben also schon einen festen Taxiwartepunkt.
Es hält wie meistens sofort ein Taxi an, nur die Verständigung ist mal wieder schwierig: Der Fahrer scheint die Bushaltestelle, zu der wir wollen, nicht zu kennen und spricht außerdem nur Arabisch. Während wir diskutieren, wird das Verkehrschaos um uns herum immer größer, denn natürlich stehen sowohl das Taxi, als auch wir mitten auf der Straße. Schließlich schaltet sich eine Polizistin ein, die zufällig an der Kreuzung steht - vielleicht um den Verkehr zu regeln, aber so genau ist das nicht zu erkennen. Sie kann zwischen uns und dem Taxifahrer vermitteln, uns ist der Preis aber zu hoch. Alles für nichts also.
Auf der anderen Straßenseite steht allerdings schon das nächste Taxi. Diesmal erkennt der Fahrer die Bushaltestelle und fordert auch einen angemessenen Preis. Er errät außerdem gleich, dass wir nach Byblos wollen und setzt uns direkt beim richtigen Bus ab. Dieser fährt gleich los und wir werden vom Ticketverkäufer hineingeschoben mit den Worten: „in thirty minutes remind the driver!“ Okay…? Naja, die Fahrt zieht sich ein bisschen, da mal wieder Stau ist.
Irgendwann sagt Google, dass wir beinahe in Byblos sind und wir beschließen jetzt mal den Fahrer zu erinnern, dass wir dort aussteigen wollen. In diesem Moment bremst er auch schon scharf mitten auf der Schnellstraße, ruft „Byblos“ und wir werden an der Ausfahrt mitten auf der mehrspurigen Straße hinausgeworfen. Es ist mal wieder ein kleineres Abenteuer über alle Straßen zu kommen, die zwischen uns und dem historischen Stadtzentrum liegen, aber schließlich schaffen wir es ohne überfahren zu werden und stehen neben den ersten antiken Säulen.
Ohne genaues Ziel (und ohne vorher in den Reiseführer geschaut zu haben…) schlendern wir weiter und landen im Suq von Byblos. Hier gibt es jede Menge Krimskrams zu kaufen, geschmacklose Souvenirs, Teekannen,Kleider, Sportschuhe, Gewürze, Schmuck und vieles mehr. Wir landen schließlich auf einem kleinen Platz, auf dem auf einer Seite eine Moschee ist und auf der anderen Seite eine große alte Burg. Ich sehe Leute oben auf dem Turm stehen und möchte natürlich sofort auch dort hinauf. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um eine Kreuzfahrerburg, die auf dem Gelände der Altstadt von Byblos erbaut wurde. Um die Burg herum befinden sich daher Ruinen aus mehreren Jahrtausenden, von der Bronzezeit über die Phönizier und Römer bis schließlich zu den Kreuzrittern. Aus dem kurzen Trip auf den Turm wird also eine längere Besichtigungstour,denn dieses Areal ist das eigentliche Highlight von Byblos.
Wir erkunden jeden Gang und beinahe jede Säule, aber dann wird der Hunger doch zu groß und wir gehen wieder zurück in den Suq. In einer Seitenstraße finden wir ein Restaurant neben dem anderen, die sich nicht groß zu unterscheiden scheinen. Wir setzen uns in das nächstbeste und das keine Minute zu früh; denn es fängt mal wieder an zu regnen. Wir sitzen also gemütlich bei frischem Brot, Hummus und Falafeln, während um uns herum alle eilig ins trockene flüchten.
Als wir so vollgestopft sind, dass keine einzelne Kichererbse mehr herein passen würde, ist es auch wieder trocken und wir gehen weiter auf Erkundungstour.Wir kommen an einem kleinen Strand vorbei und landen schließlich am Hafen. Dieser liegt sehr malerisch zwischen alten Häusern und halb zerfallenen Mauern und wirkt mit seinen kleinen Fischerbooten im Abendlicht natürlich extra romantisch.
Auf einem Stein am Ende des Piers schauen wir der Sonne beim Untergehen zu und lassen uns dabei die Stimmung weder von einer herum huschenden fetten Ratte, noch von ausgedehnten Fotoshootings amerikanischer Touristen zerstören. Langsam wird es allerdings etwas kalt, daher machen wir uns auf den Rückweg. Wir laufen nochmal durch den Suq und an der Burg vorbei, bis wir wieder an der großen Straße stehen. Nur eine Bushaltestelle sehen wir leider nicht und so stehen wir etwas verloren am Straßenrand. Wir wissen noch nicht mal, an welcher Straßenseite wir eigentlich suchen sollen. Da hält zum Glück zufällig ein Minibus an, der nach Beirut fährt. Das Ding ist ziemlich klapprig und laut, die Bremse zischt etwas beängstigend und bei jeder größeren Steigung habe ich das Gefühl, dass wir gleich mitten auf der Straße liegen bleiben. Trotzdem kommen wir überraschend schnell in Beirut an.
Text: Agnes Heim
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Agnes Heim/Gijs Slegers
Bestimmt fünf Mal haben wir es uns vorgenommen bevor wir es endlich geschafft haben: Jeden Tag auf dem Weg zur Uni kommen wir am Nationalmuseum vorbei, da möchte man irgendwann wirklich rein. Vor allem, wenn es sich um ein so imposantes Gebäude handelt wie dieses; mit gigantischen Säulen an der Vorderseite. Innen stehen vor allem Statuen, Mosaike und Amphoren aus unterschiedlichen Epochen. Von bronzezeitlichen Gräbern bis zu Mumien aus dem 13. Jahrhundert ist wirklich alles dabei. Besonders gut gefällt uns der "Sarkophag der betrunkenen Cupidi" (links) ;-)
Bemerkenswert ist sonst wohl nur, dass selbst im Museum der Strom ausfällt, wenn mal wieder einer der täglichen Stromausfälle ist! Wir haben mittlerweile eine App, die immer zehn Minuten vorher eine Erinnerung sendet. Denn wenn der Strom vom Generator kommt, passiert es manchmal, dass man plötzlich unter der Dusche im Dunkeln steht und nur noch kaltes Wasser kommt... Auch Wäsche waschen geht nicht und den Wasserkocher darf man nur benutzen, wenn man vorher dem Gott der Generatoren geopfert hat oder so etwas ähnliches - eine genauere Regel ließ sich bisher nicht feststellen.
Text: Agnes Heim
Fotos (soweit nicht anders angegeben): Agnes Heim/Gijs Slegers