Maritime Geschichte (18.–20. Jh.): Walfang, Strände, Inseln, Häfen, Kartographie der Meere
Afrikanische Geschichte (18.–20. Jh.): Küstengesellschaften, Dekolonisation, Naturpolitik und Tier-Mensch-Beziehungen, Raum und Territorialität
Globalgeschichte (18.–20. Jh.): Verflechtungen, Mobilität und Migration, Konnektivität
Filmgeschichte (20. Jh.): Film und Kino im Ersten Weltkrieg
Eine Insel unberührter Natur in einem ökologisch kollabierten Gewässer: Während der Viktoriasee weithin als mahnendes Beispiel für die Zerstörung von Biodiversität durch die Ansiedlung invasiver Arten gilt, so steht Rubondo im Ruf, zu den letzten Resten einer intakten Tier- und Pflanzenwelt in Afrika zu zählen. Doch auch das Artengefüge auf der tansanischen Insel hat sich durch die Einführung vormals gebietsfremder Spezies verändert. Nashörner und Giraffen, Schimpansen und Mantelaffen, Elefanten und Antilopen – in der Umbruchphase der Dekolonisation haben Naturschützer ab 1963 rund Einhundert große Säugetiere nach Rubondo gebracht, um die Insel in eine neuzeitliche Arche Noah für die bedrohte Fauna Ostafrikas zu verwandeln. Dieses Experiment zur Bewahrung von Arten ist auch eine Geschichte von Verlusten: Die dort lebenden Menschen, die Nyarubondo, mussten die Insel verlassen und dafür Siedlungen, Vieh, Heiligtümer und vieles mehr aufgeben. Ab 1966 erweiterten der deutsche Zoodirektor Bernhard Grzimek und die mit ihm verbundene Zoologischen Gesellschaft Frankfurt die Tieransiedlungen auf weitere Spezies mit einem hohen Seltenheits-, Schau- und Begegnungswert, um Rubondo auf eine touristische Vermarktlichung vorzubereiteten. Nach langjährigen Finanzierungs- und Zuständigkeitskonflikten gelangte diese Phase 1977 zum Abschluss, als das tansanische Parlament die Insel als Nationalpark klassifizierte, um sie für die postkoloniale Tourismuswirtschaft in Wert zu setzen. Mit diesem Schritt endeten die Tieransiedlungen und auch die Zeit, in der Rubondo die Funktion eines Brückenprojekts zur Übersetzung kolonialer Naturverhältnisse in die nachkoloniale Ära erfüllte. Als erste Darstellung zur Geschichte der ältesten und größten Naturschutzinsel Afrikas ordnet die Untersuchung die Vorgänge in die aktuellen Debatten um das massenhafte Aussterben von Arten und um die Dekolonisierung von Natur ein. Sie zeigt, wie Menschen schon während der deutschen Herrschaft in das Artengefüge von Rubondo eingegriffen und unter kolonialen Voraussetzungen die Bedingungen für das Leben von vielen Spezies verändert haben. Die Insel erweist sich als eine Welt im Kleinen, die zum Nachdenken über Großes einlädt: Über die Steuerbarkeit von Verwilderung und die Natürlichkeit einer durch menschliche Eingriffe regulierten Natur. Über die Rolle von Tourismus und Nichtregierungsorganisationen in postkolonialen Naturschutzarchitekturen. Und über das Vermögen von Tieren und Pflanzen, den historischen Wandel zu beeinflussen und Geschichte so zu einer mehr als menschlichen Geschichte auszuformen.
Aktuelle Publikationsliste (2025)
The Grey Undercurrent. Whalers and Littoral Societies at the Deep Beaches of Africa (1770–1920), München/Wien 2023.
Zus. mit Iris Schröder und Wolfgang Struck (Hg.), Jenseits des Terrazentrismus. Kartographien der Meere und die Herausbildung der globalen Welt, Göttingen 2022.
Zus. mit Wolfgang Struck, Ruth Schilling, Frederic Theis und Florian Tüchert, Karten–Reisen. Von Meereswissen und Welterfahrung, Wiesbaden 2021.
Zus. mit Iris Schröder, Frederic Theis und Petra Weigel, Die Welt im Meer. Globalisierung und Globalität in der europäischen Kartographie der Meere des 19. Jahrhunderts, in: WerkstattGeschichte 83 (2021), S. 69–83.
Zus. mit Josephine N. Msindai, Christian Roos und Volker Sommer, Population History of Chimpanzees Introduced to Lake Victoria’s Rubondo Island, in: Primates 62/2 (2021), S. 253–265. Online hier verfügbar
Eine neue Arche für die alte Ordnung. Die Tierumsiedlungen aus dem Flutungsgebiet der Kariba-Talsperre (Zentralafrikanische Föderation) und ihre fotografische Repräsentation, 1958–1963, in: WerkstattGeschichte 82 (2020), S. 95–107. Online hier verfügbar
Zus. mit Wolfgang Struck, Iris Schröder und Elena Stirtz, Karten-Meere. Eine Welterzeugung, Wiesbaden 2020.
Rausch und Rebellion im Südatlantik: St. Helena und das Zeitalter der Revolutionen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 32–33 (2018), S. 22–28.
Die Reisenden, die Fliehenden und die Kommenden: Amerikanische Walfänger als Objekte afrikanischer Aneignung, in: WerkstattGeschichte 77 (2018), S. 7–27. Online hier verfügbar
Der graue Unterstrom: Walfänger und Küstengesellschaften an den tiefen Stränden Afrikas, 1770-1920, Frankfurt a. M./New York 2017.
Raum ohne Ort? Meere in der Geschichtsforschung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 51-52 (2017), S. 41–46.
Rubondo und eine Reise dorthin: Der Feldaufenthalt in der Geschichtswissenschaft – und unter afrikanischen Wildtieren, in: Forschungsschwerpunkt »Tier - Mensch - Gesellschaft« (Hg.), Den Fährten folgen: Methoden interdisziplinärer Tierforschung, Bielefeld 2016, S. 133–153.
Ships and Beaches as Arenas of Entanglements from Below: Whalemen in Coastal Africa, in: InterDisciplines. Journal of History and Sociology 3/1 (2012), S. 25–47. Online hier verfügbar
Ungeahnte Wege: Mobilitätserfahrungen des befreiten Sklaven Timbo Samuel Samson im südlichen Afrika des 19. Jahrhunderts, in: Historische Anthropologie 17/1 (2009), S. 75–91. Online hier verfügbar
2021
Preis zur Förderung der Übersetzung geisteswissenschaftlicher Werke (für »Der graue Unterstrom«) des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: Geisteswissenschaften International
2018
Preis der Zeitschrift für Weltgeschichte für die beste Erstmonographie zur Welt-/Globalgeschichte der letzten drei Jahre (für »Der graue Unterstrom«)
2017
Shortlist-Nominierung »Opus Primum – Förderpreis für die beste Nachwuchspublikation des Jahres« der VolkswagenStiftung (für »Der graue Unterstrom«)
2016
Dissertationspreis »Internationale Geschichte« der AG Internationale Geschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD)
2016
Friedrich Sperl-Preis der Goethe-Universität Frankfurt für herausragende Arbeiten in der Geschichtswissenschaft (für die Dissertation)
2009
Absolventenpreis des Historischen Seminars der Leibniz Universität Hannover (für die Magisterarbeit)
2008
Nachwuchspreis der Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland (für die Magisterarbeit)
Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD)
Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland (VAD)
Mitherausgeber von WerkstattGeschichte und Mitglied der Rezensionsredaktion
Gesellschaft für Globalgeschichte
seit 2021: Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Publikationsreihe »Global – Lokal. Beiträge zur Geschichte Europas in der Welt«
Wintersemester 2020/21
Seminar: »Schwarze Wilderer, weiße Retter? Naturpolitik in Ostafrika seit 1800« (Universität Erfurt)
Wintersemester 2019/2020
Seminar (mit Prof. Dr. Iris Schröder): »Karten-Meere: Ein Forschungsseminar zur Arbeit mit historischen See- und Meereskarten« (Universität Erfurt)
Wintersemester 2017/2018
Seminar: »Historische Reportagen schreiben« (Universität Kassel)
Wintersemester 2016/2017
Seminar: »Geschichten schreiben: Das historische Erzählen im Widerstreit« (Universität Kassel)
Sommersemester 2016
Seminar (mit Prof. Dr. Mieke Roscher): »Beziehungen zwischen Menschen und Walen in umwelt- und tiergeschichtlicher Perspektive« (Universität Kassel)
Wintersemester 2015/2016
Seminar: »Das Afrika-Geschwader: Die Royal Navy im Kampf gegen den Sklavenhandel des 19. Jahrhunderts« (Universität Kassel)
Wintersemester 2015/2016
Seminar: »Film und Kino im Ersten Weltkrieg: Transnationale Perspektiven« (Universität Kassel)
Sommersemester 2015
Seminar: »Dekolonisation in Afrika: Befreiung und ihre Grenzen am Fall von Tansania und Mosambik« (Universität Kassel)
Wintersemester 2014/2015
Seminar: »Arbeit und Alltag in der neuzeitlichen Hochseeschifffahrt« (Universität Kassel)
Wintersemester 2009/2010
Seminar: »Das südliche Afrika im 19. Jahrhundert: Regionale Netzwerke und die Weltwirtschaft« (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Seit 2009
Seminare, Übungen und Vorlesungen insbesondere zur Sozial-, Wirtschafts- und Umweltgeschichte Afrikas, zur Geschichte der Atlantischen Sklaverei, zur Sozial- und Kulturgeschichte der Seefahrt, zur Wissens- und Kartographiegeschichte sowie zu Methoden und Theorien der Geschichtswissenschaft.