Prof. Dr. Gábor Gángó

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Prof. Dr. Gábor Gángó

Forschungsprojekte

G. W. Leibniz und Osteuropa. Machtpolitische und religionspolitische Aspekte in Praxis und Theorie

Trotz seiner hohen Relevanz für die Formation des frühneuzeitlichen Europabewusstseins erweist sich das Forschungsthema „Gottfried Wilhelm Leibniz und Osteuropa“ als terra incognita im sonst bereits breit ausgeloteten Leben und Werk des deutschen Universalgelehrten und verlangt nach grundsätzlicher kritischer Diskussion. Um zu der Wiederbelebung eines bisher nur marginal behandelten Frühwerkes beizutragen, werde ich während meines Aufenthaltes am Max-Weber-Kolleg ein Manuskript für eine Monographie zum Leibnizschen Traktat Specimen Polonorum, verfasst im Dienste der Kandidatur des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm von Neuburg um die polnische Krone 1669, erstellen. Damit leistet meine Arbeit einen Beitrag zur Forschungsstelle für Frühneuzeitliches Naturrecht des Max-Weber-Kollegs.

Bisheriges Hindernis für eine genauere Auseinandersetzung mit dem Specimen Polonorum war, dass die Forschung hinsichtlich des Kontextes im Dunkeln tappte. Deshalb werde ich ideengeschichtliche Methodologie und philosophiehistorische Interpretation mit grundlegender Quellenforschung kombinieren. Während der philologischen Arbeit greife ich auf polnische Archivquellen ebenso zu wie auf den Bibliotheksnachlass von Leibniz’ Mentor Johann Christian von Boineburg in der Universitätsbibliothek Erfurt. Die Quellenarbeit wird eine umfassende kontextuelle Rekonstruktion der Entstehung des Specimens Polonorum ermöglichen, die uns auch die philosophisch-logischen Ansätze dieses wichtigen Frühwerkes besser verstehen lässt.

Für die kontextgebundene Arbeit ist zuerst die Flugschriftenpolemik des Wahlkampfes, insbesondere die politische Publizistik von Boineburg und seinem Kreis, in den Blick zu nehmen. Zunächst werde ich nicht nur Boineburgs Warschauer Mission als Wahlgesandten des Pfalzgrafen untersuchen, sondern auch hinter die Kulissen der Mainzer Tagespolitik schauen. Die Re-Kontextualisierung der Leibnizschen Flugschrift in der Kurmainzer Politik ermöglicht uns, klarer zu sehen, dass, ähnlich wie andere, auf weitaus eingehenderer Weise analysierte Leibniz-Texte der Mainzer Jahre (von dem „Sekuritätsgutachten“ bis zum Consilium Aegyptiacum), auch die polnische Wahlschrift in enger Verbindung mit der Grundproblematik der Politik des Mainzer Kurfürsten Johann Friedrich von Schönborn steht, d.h. mit der französischen Expansion am Rhein. Die Besonderheit des polnischen Projektes besteht darin, dass, wegen der sich rasch verändernden diplomatischen Konstellationen des Devolutionskrieges, Boineburg (und mit ihm Leibniz) und der Mainzer Kurfürst sich in entgegengesetzten Lagern des polnischen Wahlkampfes fanden.
Auf der Grundlage des auf diese Weise gewonnenen Verständnisses von Leibniz’ Specimen Polonorum möchte ich ein wesentlich politisch (machtpolitisch, religionspolitisch, kulturpolitisch) zentriertes Bild des jungen Leibniz aufzeichnen: das eines mehr pragmatisch und situationsbezogen als ethisch-staatsmetaphysisch – aber keinesfalls nur kurzsichtig-machtorientiert – denkenden Leibniz. Es sollte die Politik in der Mainzer Periode von Leibniz’ Leben ursprünglich als Praxis erscheinen lassen; eine Praxis, die sich theoretisch weitgehend als begründungs- oder erklärungsbedürftig erwies.

Johann Christian von Boineburg im Kontext der Gelehrtenrepublik

gefördert durch die Jutta-Heidemann-Stiftung | Link

Der Mainzer Oberhofmarschall und Polyhistor, Baron Johann Christian von Boineburg (1622–1672) hat gute Chancen, eine der wichtigsten wiederentdeckten Figuren der frühneuzeitlichen Gelehrtenrepublik zu werden. Wie die neuesten Forschungen zeigen, reichte seine Bedeutung als Politiker von der Einwirkung auf die Thüringer Landesangelegenheiten bis zum Einfluss auf die hohe imperiale Politik, als Wissenschaftsorganisator von der Unterstützung des jungen Leibniz bis zur Mitgestaltung der internationalen Gelehrtenkommunikation, als Gelehrter von der Initiierung der Grotius-Rezeption in Deutschland bis zur Mitprägung der ersten Phase der frühmodernen europäischen Naturrechtsdebatte. Sein Nachleben ist durch mehrere Fäden mit Erfurt verbunden: sein Sohn, der Reichsgraf Philipp Wilhelm von Boineburg (1656–1717) wirkte als Statthalter der Stadt und Rektor der Universität; die Bibliothek von Vater und Sohn ist eine der wenigen Gelehrtenbibliotheken im frühneuzeitlichen Deutschland, die intakt geblieben ist. Sie ist jetzt als Sondersammlung der Universitätsbibliothek Erfurt zugänglich.

Nach vielversprechenden anfänglichen Beiträgen (etwa Paasch 2005, Mulsow 2018) ist und bleibt jedoch eine allseitige, kontextualisierte Rekonstruktion der Tätigkeit von Boineburg ein Desiderat der Forschung. Ziel des vorliegenden Vorhabens ist es, die eigenen fallstudienmäßigen Vorarbeiten bezüglich der Stellung von Boineburg in der internationalen Gelehrtenrepublik in der Form einer Buchpublikation zusammenzubringen und die Forschungsfragen in die Richtung einer systematischen Bearbeitung seines Lebenswerkes und seiner intellektuellen Bedeutung zu vertiefen.

Publikationen

Hier gelangen Sie zur aktuellen Publikationsliste (Stand 05/2024).

Weitere Informationen

MWK-FELLOWS COFUND International Fellowship Programme of the Max Weber Center for Advanced Cultural and Social Studies for Experienced Researchers