Das KEEP-Projekt knüpft an die Erkenntnisse des vorangegangenen DFG-Projektes zu probabilistischen Entscheidungen bei Kindernan. Hier wurden seit 2013 mit querschnittlicher, experimenteller Forschung Entscheidungen von Kindern im Vergleich zu Erwachsenen untersucht. Das KEEP-Panel Thüringen soll mit längsschnittlichen Daten einen Einblick in die Entwicklung von Entscheidungskompetenz besonders mit Blick auf spätere gesellschaftliche Partizipation ermöglichen. Der Panelstart war im August 2022. Die ersten längsschnittlichen Daten liegen ab September 2023 vor.
Um Entscheidungen zu treffen, ist es oft wichtig, mit Wahrscheinlichkeiten umgehen zu können. Konsequenzen einer Entscheidung sind meist nicht mit Sicherheit aber mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorhersagbar. Ab wann können Kinder Wahrscheinlichkeiten für ihre Entscheidungen zu nutzen?
Um diese Frage zu beantworten, wurden Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren mit einem Entscheidungsspiel konfrontiert: In diesem Spiel, sollten die Kinder nach versteckten Schätzen suchen und hatten dabei zwei Tiere als Ratgeber. Diese Tiere geben an, wo der Schatz versteckt ist, liegen allerdings nicht immer richtig. Vorhersagen des ersten Tieres trafen in 50% zu, die des zweiten Tieres in 83%. Kinder und Erwachsene erlebten diese „Trefferwahrscheinlichkeit“ der Ratgeber. Anschließend entschieden sie sich mehrmals, wo sie nach dem Schatz suchen wollten und konnten dabei den Ratschlägen des schlaueren oder des dümmeren Tieres folgen. Zusätzlich wurde entweder das schlauere oder das dümmere Tier der Freund der Kinder oder Erwachsenen. Dem Freund zu folgen, kann zu besseren Entscheidungen führen, wenn er ein guter Ratgeber ist. Es führt allerdings zu schlechteren Entscheidungen, wenn er das dümmere Tier ist.
Die Ergebnisse zeigen, dass Erwachsene dem schlaueren Tier mehr vertrauten als Kinder. Sie berücksichtigen demzufolge die „Trefferwahrscheinlichkeit“. Im Alter von neun Jahren ist die Fähigkeit der richtigen Nutzung von Wahrscheinlichkeitsinformation noch nicht vollständig ausgebildet. Kindergartenkinder sind zudem noch besonders anfällig für irrelevante Informationen. Verglichen mit Grundschülern und Erwachsenen vertrauten sie ihrem Tierfreund auch dann, wenn die Vorhersagen des anderen Tieres häufiger zutrafen.
Zudem hat unsere Studie gezeigt, dass bereits Kindergartenkinder viele Informationen berücksichtigen können. Sie wissen allerdings nicht, welche Informationen für Entscheidungen wichtig sind. Der Einfluss von irrelevanter Information ist in dieser Altersgruppe besonders groß.
Artikel: Betsch, T., & Lang, A. (2013). Utilization of probabilistic cues in the presence of irrelevant information: A comparison of risky choice in children and adults. Journal of Experimental Child Psychology, 115, 108–125. https://doi.org/10.1016/j.jecp.2012.11.003
Oft sind nicht alle für Entscheidungen relevanten Informationen verfügbar, sondern müssen erst mühsam gesammelt werden. Die Fähigkeit Informationen zu suchen beeinflusst deshalb oft die Entscheidungsqualität: Wenn nicht alle relevanten Informationen gesucht wurden, kann keine gute Entscheidung getroffen werden. Wir untersuchen deshalb, ab welchem Alter Kinder Informationen suchen können. Dabei konfrontieren wir Kinder mit Entscheidungsumwelten in denen unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten und Suchrestriktionen berücksichtigt werden müssen. So dürfen zum Beispiel nur wenige Informationen gesucht werden. Dann ist es besonders wichtig, dass nur wirklich wichtige Informationen gesucht werden. Das sind in diesem Fall Informationen die mit hohen Wahrscheinlichkeiten verknüpft sind und deshalb für die Entscheidung besonders hilfreich sind. Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren suchen jedoch nicht gerichtet nach Informationen. Häufig suchen sie vor allem unwichtige Informationen und treffen deshalb auch schlechte Entscheidungen. Neunjährige Kinder können allerdings bei der Entscheidung selbst Wahrscheinlichkeiten berücksichtigen. Dies lässt uns vermuten, dass das Verständnis für Wahrscheinlichkeiten besser ausgeprägt sein muss, wenn es die Informationssuche leiten soll. Für Informationsintegration reicht hingegen auch intuitives Verständnis von Wahrscheinlichkeiten.
Artikel: Betsch, T., Lehmann, A., Lindow, S., Lang, A., & Schoemann, M. (2016). Lost in search: (Mal-)adaptation to probabilistic decision environments in children and adults. Developmental Psychology, 52, 311–25. https://doi.org/10.1037/dev0000077
Unterschiedliche Umwelten stellen verschiedene Herausforderungen an den Entscheider. Manchmal muss er erst alle wichtigen Informationen suchen um dann eine Entscheidung zu treffen. Deshalb gehört es zu guten Entscheidungen strategisch nach Information suchen zu können. Gelingt dies nicht, leidet die Entscheidungsqualität. Andere Umwelten bieten bereits viele Informationen an. Hier muss zwar nicht erst mühsam gesucht werden, es ist aber schwierig, sich vor der Einflussnahme von irrelevanter Information zu schützen. Wir untersuchen, ob diese unterschiedlichen Umwelten Kindern das Entscheiden erleichtern oder erschweren.
Die Ergebnisse zeigen, dass Grundschulkinder profitieren, wenn alle Informationen verfügbar sind und nicht mühsam gesucht werden müssen. Vorschulkinder treffen jedoch auch in einer solchen Umwelt keine besonders guten Entscheidungen. Alle Kinder, und sogar Erwachsene, lassen sich jedoch auch von unwichtigen Informationen beeinflussen. Dies mindert zwar die Entscheidungsqualität, zeigt aber auch, dass Kinder in der Lage sind, viele Informationen gleichzeitig zu berücksichtigen.
Artikel: Betsch, T., Lang, A., Lehmann, A., & Axmann, J. M. (2014). Utilizing probabilities as decision weights in closed and open information boards: A comparison of children and adults. Acta Psychologica, 153, 74–86. https://doi.org/10.1016/j.actpsy.2014.09.008
In einer digitalen Welt gehören soziale Medien schon längst zur Lebenswirklichkeit vieler Kinder. Konfrontiert mit einer Flut von Informationen ist es für gutes Entscheiden besonders wichtig, zwischen relevanten und irrelevanten Quellen unterscheiden zu können. Auch Erwachsene wissen, dass das nicht immer leicht ist. Besonders Informationen von beliebten, berühmten Persönlichkeiten verleiten oft dazu, logische Gründe oder Expertenempfehlungen beim Entscheiden außer Acht zu lassen. So findet man in vielen Haushalten Produkte, für deren Kauf man sich auf Empfehlung einer medialen Persönlichkeit entschieden hat. Auch Kinder sind diesen medialen Persönlichkeiten bereits durch Film und Fernsehen ausgesetzt. Doch welchen Einfluss nehmen diese medialen Persönlichkeiten auf ihre Entscheidungen? Sind Kinder in der Lage, relevante von irrelevanten Quellen zu unterscheiden?
Unser Entscheidungsspiel war so konstruiert, dass inhaltliche Experten für die Entscheidung relevante Informationen lieferten, während die medialen Persönlichkeiten irrelevante Informationen lieferten, da sie sich in der jeweiligen Entscheidungssituation nicht auskannten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kinder unterschiedlich auf Informationen medialer Persönlichkeiten reagieren. Wir fanden drei Gruppen von Kindern, die sich darin unterscheiden, inwieweit die medialen Persönlichkeiten ihre Entscheidungen gegenüber inhaltlichen Experten lenken. Ein Drittel der Kinder besaß bereits die Fähigkeit, relevante Informationen zu erkennen und für ihre Entscheidungen zu nutzen, während ein weiteres Drittel seine Entscheidungen von den Informationen der medialen Persönlichkeit abhängig machte. Zusätzlich finden wir eine Gruppe von Kindern, die ihre Entscheidungen unsystematisch traf. Das bedeutet, dass sie ihre Entscheidungen weder von der relevanten noch von der irrelevanten Information abhängig machten. Insgesamt weisen damit die Mehrheit der Kinder Probleme mit dem Erkennen und Verwenden relevanter Informationen beim Entscheiden auf, wobei mediale Persönlichkeit starken Einfluss nehmen können.
Artikel: Breuer, L., Lindow, S., & Betsch, T. (2024). In Spiderman we trust: The influence of familiar media characters on the decision-making of primary school children. Acta Psychologica, 249, 104470, doi.org/10.1016/j.actpsy.2024.104470.
Weitere Forschungsergebnisse finden Sie auf der zugehörigen Projektseite.
Lindow, S., Lehmann, A., Buttelmann, D., & Betsch, T. (2023). Preschoolers’ use of cue validities as weights in decision-making: Certainty does not substantially change the world. Judgment and Decision Making, 18, e38. https://doi.org/10.1017/jdm.2023.36
Lindow, S., & Betsch, T. (2021). Pre-schoolers’ competence to use advice in everyday decision contexts. Journal of Experimental Child Psychology, 215, Article 105311. https://doi.org/10.1016/j.jecp.2021.105311
Lindow, S., & Lang, A. (2021). A lifespan perspective on decision-making: A cross-sectional comparison of middle childhood, young adulthood, and older adulthood. Journal of Behavioral Decision Making. Advance online publication. https://doi.org/10.1002/bdm.2268
Lindow, S. (2021). On searching and finding: The development of information search abilities. Cognitive Development. https://doi.org/10.1016/j.cogdev.2021.101011
Betsch, T., Lindow, S., Lehmann, A., & Stenmans, R. (2021). From perception to inference: Utilization of probabilities as decision weights in children. Memory and Cognition. https://doi.org/10.3758/s13421-020-01127-0
Betsch, T., Lehmann, A., Lindow, S., & Buttelmann, D. (2020). Children's trust in informants in risky decisions. Cognitive Development, 53, 100846. https://doi.org/10.1016/j.cogdev.2019.100846
Lindow, S., & Betsch, T. (2019). Children's adaptive decision making and the costs of information search. Journal of Applied Developmental Psychology, 60, 24–34. https://doi.org/10.1016/j.appdev.2018.09.006
Betsch, T., Lehmann, A., Jekel, M., Lindow, S., & Glöckner, A. (2018). Children’s application of decision strategies in a compensatory environment. Judgment and Decision Making, 13, 514–528. http://journal.sjdm.org/18/18225/jdm18225.pdf
Betsch, T., Wünsche, K., Großkopf, A., Schröder, K., & Stenmans, R. (2018). Sonification and visualization of predecisional information search: Identifying toolboxes in children. Developmental Psychology, 54, 474-481. https://doi.org/10.1037/dev0000447
Lang, A., & Betsch, T. (2018). Neglect of probabilities in decision making with and without feedback. Frontiers in Psychology, 9, 191. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.00191
Lindow, S., & Betsch, T. (2018). Child decision-making: On the burden of predecisional information search. Journal of Cognition and Development, 19, 137–164. https://doi.org/10.1080/15248372.2018.1436057
Lindow, S., Lang, A., & Betsch, T. (2017). Holistic information integration in child decision making. Journal of Behavioral Decision Making, 30, 1131–1146. https://doi.org/10.1002/bdm.2029
Betsch, T., Lehmann, A., Lindow, S., Lang, A., & Schoemann, M. (2016). Lost in Search: (Mal-) Adaptation to probabilistic decision environments in children and adults. Developmental Psychology, 52, 311-325. https://doi.org/10.1037/dev0000077
Betsch, T., Ritter, J., Lang, A., & Lindow, S. (2016). Thinking beyond boundaries. In L. Macchi, M. Bagassi, & R. Viale (Eds.), Cognitive unconscious and human rationality. Cambridge, MA: MIT Press.
Betsch, T., Lang, A., Lehmann, A., & Axmann, J.M. (2014). Utilizing probabilities as decision weights in closed and open information boards: A comparison of children and adults. Acta Psychologica, 153, 74-86. https://doi.org/10.1016/j.actpsy.2014.09.008
Lindow, S. (2014). Entscheidungen bei Kindern: (Wie) Entwickeln sich Entscheidungsstrategien?. Göttingen: Optimus.
Betsch, T., & Lang, A. (2013). Utilization of probabilistic cues in the presence of irrelevant information: A comparison of risky choice in children and adults. Journal of Experimental Child Psychology, 115, 108–125. https://doi.org/10.1016/j.jecp.2012.11.003