Prof. Dr. Peter Ebenbauer

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Universität Erfurt

Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien

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99105 Erfurt

 

peter.ebenbauer@uni-graz.at

  • Bericht

Bericht über die ersten beiden Fellowship-Wochen (26.10. - 09.11.2019) 

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Lebenslauf

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Die rituelle Transformation von Zeit und Raum im synagogalen Gottesdienst. Konzepte und praktische Umsetzungen im Vergleich zu christlicher Liturgie

Zu den Spezifika jüdischer Ritualgeschichte gehört das Phänomen der Stiftung zeitlicher wie räumlicher Ordnungen, die die Geschichts- und Welterfahrung der Glaubensgemenischaft auf fundamentale Weise prägt. Kernbereiche des synagogalen Gottesdienstes – der Schabbatgottesdienst, die Liturgien der Jahresfeste, täglich vollzogene Gebete – zeichnen sich dadurch aus, dass durch sie eine Transformation der lebensweltlichen Zeit- und Raumererfahrung initiiert wird. Der Schabbat und die Jahresfeste strukturieren nicht nur die Lebenszeit der Gläubigen, sie verknüpfen auch die umgreifenden Zeit- und Geschichtsdimensionen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einem dynamischen Kontinuum. 

Rituelle Vergegenwärtigung, Re-Aktualisierung und Antizipation göttlicher Offenbarung in geschöpflicher und heilsgeschichtlicher Vermittlung spielen darin eine entscheidende Rolle. Analog dazu transzendiert synagogale Liturgie auch den unmittelbaren Ortsbezug der Feiergemeinschaft und initiiert eine dramatische Konfiguration der Orte und Räume dieser Welt durch die Symbolik des Ausgerichtetseins auf den Ort Gottes inmitten seiner Schöpfung. 

Steht für die zeitliche Transformation vor allem die Dynamik des Schöpfungs- und Geschichtshandelns des Gottes Israels mit dem Kulminationspunkt der Ruhe und Heiligkeit des siebten Tages  im Zentrum der rituellen Symbolik, so bildet für die räumliche Transformation die Erinnerung an und Ausrichtung auf Jerusalem einen wchtigen Fokus liturgischer Raum- und Welt-Ordnung.

Wie sich diese transformativen Dynamiken von Zeit und Raum in unterschiedlichen kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und epochalen Kontexten manifestieren und materialisieren, ist nun im Einzelnen als durchaus different und pluriform anzunehmen; ebenso ist damit zu rechnen, dass Analogien und Differenzen zu christlich-liturgischer Zeit- und Raumsymbolik je nach Kontext und wechselseitigen Beziehungs-Konstellationen differieren.

Auf der Basis dieser Thesen sollen Einzelbeobachtungen aus unterschiedlichen Epochen (Spätantike, Hochmittelalter, Gegenwart) zu jüdischen wie zu christlichen rituellen Praktiken der Transformation von Zeit und Raum gesammelt und ausgewertet werden. Konkret sollen anhand von historischen und gegenwärtigen Quellen gottesdienstliche Akte der Vergegenwärtigung und Aktualisierung vergangener wie künftiger Heilszeit im Kontext der Schabbatfeier und einzelner jüdischer Jahresfeste im Hinblick auf eine liturgische Theologie der Zeit analysiert werden; im Hinblick auf eine liturgische Theologie des Raumes sollen unterschiedliche Jerusalem-Bezüge der Synagoge und ihrer Liturgie untersucht werden; beides jeweils im Vergleich mit zeitgenössischen Mustern und Praktiken christlich-liturgischer Zeit- und Raumsymbolik.