Vera Höke
vera.hoeke@uni-erfurt.deAssoziierte Doktorandin (Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien)
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Forschungsprojekt
Intuition und religiöse Erfahrung – die Individualisierung von bhakti vor dem Hintergrund transzendentalen Christentums in der „New Dispensation Church“
Das Projekt wird im Rahmen der Kolleg-Forschergruppe eine der nahezu „klassischen“ indischen Reformbewegungen unter britischer Kolonialherrschaft, den Brahmo Samaj, sowie die aus ihr entstandene Church of the New Dispensation, thematisieren, also vor allem den von Keshab Chandra Sen begründeten Zweig untersuchen. Den historischen Rahmen bildet die Zeit zwischen ca. 1850 und 1880.
Besonders in der New Dispensation Church wird dem Individuum eine zentrale Bedeutung zugewiesen. Göttliche Inspiration und die menschliche Intuition bilden die primären Zugänge zum Göttlichen. Sie stehen als Autorität über allen Schriften, und gelten als Grundlage der Religionen. Auf ihrer Basis ist es Keshab Chandra Sen möglich, die in der Brahmo-Tradition so verachteten Hindu-Rituale nicht nur wieder aufzugreifen, sondern mit christlichen Ritualen zu einer integrierten, als stimmig empfundenen Entität zu konstruieren. Die evozierende Sprache in diesen neuen Ritualen sucht in den Anwesenden Bilder hervorzurufen, die eine Einfühlung in bestimmte religionshistorische Momente oder an relevante Orte bewirken sollen. Dieses Zeit-, Raum- und Kulturgrenzen übergreifende Erleben zielt darauf ab, spezifische religiöse Inhalte zu verinnerlichen, und tritt an die Stelle intellektuellen Disputes. Die religiöse „Bildung“ des Individuums (die auch und gerade moralische Aspekte und Aspekte der persönlichen Entwicklung umfasst) nimmt eine zentrale Rolle ein, die sich auch in den Strukturen der religiösen Gemeinschaft niederschlägt.
In der Konzeption dieser Lehre spielten christliche Impulse eine zentrale Rolle. Obwohl Keshab Chandra Sen schon früh einen regen Kontakt mit verschiedenen Missionaren in Kalkutta pflegte, war ihr Einfluss nicht unbedingt ausschlaggebend. Als wesentlicher kann die Rezeption unitarisch-transzendentalistischer Werke aus Amerika und England gelten. Keshab Chandra und andere Brahmos setzten sich v.a. mit den Schriften Theodore Parkers und Ralph Waldo Emersons auseinander. Vor diesem Hintergrund muss meines Erachtens der Rückgriff auf die Gaudiya-Vaishnava Rituale und bhakti betrachtet werden, die in der Bewegung seit 1876 deutlich an Bedeutung gewannen. Genau diese Kombination „westlich-christlicher“ und „hinduistisch-traditioneller“ Elemente hat die Bewegung historiographisch marginalisiert, da sie entweder als zu „christlich“ oder als zu „traditionell“ charakterisiert wurde, um wirklich von Interesse zu sein. Doch diese Verbindung erscheint mir keineswegs beliebig, oder rein dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung geschuldet zu sein. Die potentiellen Gemeinsamkeiten zwischen transzendentalistischen Idealen und bhakti, die in der Individualität der Zugangsweise zum Göttlichen und der Emotionalität bestehen, sind bisher nicht erfasst worden.