Dem (Corona-)Alltagstrott entfliehen ...

International
Hannah in Litauen

Ein Auslandsaufenthalt während der Corona-Pandemie? Ist das überhaupt möglich? Ja, ist es! Hannah studiert an der Universität Erfurt Staatswissenschaften und ist aktuell für ein Auslandssemester in Litauen. Ihre Zeit dort empfindet sie "auf eine ganz besondere Art und Weise sehr schön". Denn gerade durch die Einschränkungen lernt sie Land und Leute anders kennen und erlebt intensive Begegnungen - trotz aller Umstände und Einschränkungen. Wie Hannah ihre Zeit in Litauen ansonsten erlebt, darüber erzählt sie hier…

Wo bist du genau in Litauen und für welchen Zeitraum wirst du dort sein?                                                                                
Ich bin für ein Semester von Februar bis Juni 2021 in Kaunas, der zweitgrößten Stadt in Litauen. Kaunas liegt etwa eine Stunde westlich der Hauptstadt Vilnius. Die Stadt hat etwas mehr als 200.000 Einwohner*innen und wirkt ähnlich groß wie Erfurt. Kaunas zeichnet sich durch eine lange wunderschöne Fußgängerzone aus, wo man wirklich alles finden kann. Von den leckersten Bäckereien, über Bubble Tea Stores bis hin zu allen möglichen Bekleidungsgeschäften. Die Straße beginnt auf der einen Seite mit einer pompösen alten Kirche und endet auf der anderen Seite mit dem Kaunas Castle. Ich liebe es, dort auf und ab zu laufen. Und durch die alleeähnliche Anordnung der Bäume hat diese Fußgängerzone einfach einen einzigartigen Touch.

Warum hast du dich für ein Auslandssemester in Litauen entschieden?
Durch die Corona-Pandemie wurde mein geplantes Auslandssemester in Russland abgesagt. Ich wollte eigentlich bereits im Wintersemester 2020/21 ins Ausland gehen, habe mich dann jedoch entschieden, für ein halbes Jahr zu arbeiten und dann im Sommersemester ein Erasmus-Auslandssemester zu absolvieren. Litauen hat mich überzeugt, weil es hier von Anfang an ein klares Konzept zum Umgang mit Corona gab, sodass ich recht sicher sein konnte, dass ich fahren kann. Und es hat sich bewährt: Ich wurde immer sehr gut informiert, wusste zu jeder Zeit, wen ich wofür fragen kann und fühlte mich insgesamt top betreut. Das ist ja nicht immer so.

Einkaufsstraße in Kaunas
Eine von vielen Kirchen in Litauen
Sonnenuntergang in Kaunas

Wie liefen die Vorbereitungen? Inwieweit hast du dich dabei von der Uni unterstützt gefühlt?
Die Vorbereitungen habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht so aktiv miterlebt, weil die ganzen bürokratischen Schritte immer Stück für Stück passierten, also sehr angenehm. Durch die gute Übersicht auf Mobility wusste ich immer, was als nächstes anstand. Nur am Anfang gab es kleinere Komplikationen, da meine E-Mail-Adresse leider falsch weitergegeben wurde – es hat etwas gedauert bis wir das korrigiert hatten. Aber nichtsdestotrotz konnte ich mich immer an das Internationale Büro der Uni wenden und fühlte mich hier hervorragend unterstützt. Durch Corona konnte ich die Zustimmungen zu meinen verschiedenen Learning Agreements leider nur online einholen, was etwas Zeit und Nerven gekostet hat. Abaer alles in allem kann ich sagen: Seid geduldig, es wird sich alles zum Guten entwickeln!

Wie erlebst du die Anfangsphase in deinem Gastland?
Die Anfangsphase beginnt in Corona-Zeiten aktuell immer mit zehn Tagen Quarantäne. Ich hatte richtig Angst davor, weil zehn Tage sehr, sehr lang werden können. Am Ende hatte ich Glück und war mit vier weiteren Studis in Quarantäne in Vilnius. Wir kamen alle am selben Tag an und dafür sehen die Vorschriften vor, dass wir gemeinsam unsere Quarantäne verbringen können. So war ich also mit zwei Sloweninnen auf einem Zimmer. Im Zimmer nebenan waren ein Österreicher und ein Student aus Bosnien-Herzegowina. Wir hattn eine gute Zeit, spielten viel Karten, bestellten leckeres Essen und haben uns intensiv kennengelernt. Eine meiner Mitbewohnerinnen in der Quarantäne ist jetzt auch meine Mitbewohnerin im Wohnheim und wir verstehen uns super gut. Als wir nach zehn Tagen und meinem ersten Coronatest (ja, er war negativ) aus der Quarantäne durften, sind wir nach Kaunas aufgebrochen. Wir alle haben uns für das Wohnheim entschieden und waren durch Zufall sogar im gleichen Haus. Das Wohnheim ist ein alter post-sowjetischer Block, der aber in einem ganz guten Zustand ist. Neun Stockwerke mit jeweils zwei Küchen und privaten Badezimmern machen das Leben hier echt entspannt. Normalerweise teilt man sich ein Zimmer und das Bad. Am Anfang dachte ich, dass diese Art des Lebens und die Einbuße der Privatsphäre für mich sehr schwer sein würden, aber im Endeffekt gewöhnt man sich an alles und gerade nach einem Jahr Corona war es für mich besonders schön, "24/7" eine Person an meiner Seite zu haben.

Ausblick in der Nacht aus dem Wohnheim
Kaunas von oben
Mahnmal in Kaunas
Mahnmal in Kaunas

An den ersten Tagen haben wir die Stadt erkundet, viele Haushaltssachen gekauft und uns einfach eingelebt. Nach einigen Tagen haben wir erste Ausflüge unternommen zu Orten direkt um Kaunas, da wir leider die Region wegen der Restriktionen nicht verlassen dürfen. Ich muss sagen, dass ich Litauen sehr schön finde. Es gibt viele Seen, die Landschaft ist flach und es gibt eine Menge alter Bauwerke – vor allem neun verschiedene Festungen um Kaunas – zu entdecken.

Welche Erwartungen hast du an deine Zeit in Kaunas?
Meine Erwartungen waren zunächst gar nicht hoch. Ich wollte einfach nur dem Alltag entkommen und kein weiteres halbes Corona-Jahr in Deutschland verbringen. Hier habe ich ein komplett neues Umfeld, muss mich neu orientieren und mich selbst erproben. All das wäre ja zu Hause im Moment nicht möglich. Ich musste mit neuen Herausforderungen umgehen, mich an die Umstände anpassen – all das ist für mich sehr wertvoll. Es formt die Persönlichkeit und erweitert meinen Horizont. Und eigentlich hatte ich auch gehofft, hier richtig was für die Zukunft zu lernen, was den Unistoff angeht.

Ausflug zu einem Volkskundemuseum

Wurde diese Hoffnung bislang erfüllt?
Leider ist das Niveau in Litauen nicht sehr hoch (das war wohl auch vor Corona schon so). Es wird im Grunde kein eigenständiges Denken gefördert, sondern vor allem Wissen vermittelt und abgefragt. Sprich: Für mich und meine Erwartungen war das erst einmal etwas ernüchternd. Nichtsdestotrotz kann man ja immer etwas aus der Situation machen und so habe ich kurzerhand noch mal ein paar Kurse geändert und besuche auch solche, die eigentlich nicht direkt zu meinem Studium gehören.

Ich hoffe, dass die Situation sich verbessern wird und dass es noch mehr Möglichkeiten gibt, aktiv zu sein. Mein Fazit nach meinen ersten zwei Monaten hier ist, dass man die Situation so akzeptieren sollte, wie sie ist und all die Möglichkeiten ausschöpfen sollte, die man gerade geboten bekommt. Ich habe beispielsweise überraschenderweise das Joggen für mich entdeckt. Normalerweise ist diese Sportart gar nicht "meins", aber weil die Möglichkeiten gerade begrenzt sind, habe ich inmitten dieser Situation etwas entdeckt, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Und das ist toll.

Also: "Always stay positive and try out new things!"