Am 1. Januar 2016 trat die sogenannte Agenda 2030 der Vereinten Nationen in Kraft. Darin verpflichteten sich die Mitgliedstaaten, in den folgenden 15 Jahren alles dafür zu tun, um 17 Ziele für die nachhaltige Entwicklung der Welt zu erreichen – u. a. Armut beenden, Bildung und ein gesundes Leben für alle und das Erreichen von nachhaltigen Produktions- und Konsumweisen. Inzwischen weisen immer mehr Expertinnen und Experten darauf hin, dass die Weltgemeinschaft trotz immenser politischer, rechtlicher und finanzieller Anstrengungen gerade dabei ist, die letzte Chance zum rechtzeitigen Erreichen dieser Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu verpassen. Eine bloße Intensivierung der bisherigen Mittel scheint nicht auszureichen, um die Agenda 2030 umzusetzen.
Ein Netzwerk namhafter internationaler Institutionen wie dem Club of Rome, der Weltakademie für Kunst und Wissenschaft, der Academia Europaea, der Deutschen und der Kanadischen UNESCO-Kommissionen fordert deshalb nun einen klaren Strategiewechsel durch einen neuen Kulturansatz. Auf Initiative von Prof. Dr. Benno Werlen, Inhaber des UNESCO-Chair on Global Understanding for Sustainability an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Fellow am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt haben mehr als 30 Einrichtungen „The Jena Declaration“ unterzeichnet, in der sie einen neuen Kulturansatz definieren, über den die Nachhaltigkeitsziele noch erreicht werden können.
An der Auftaktveranstaltung am 9. September 2021, 15 Uhr, werden neben der Co-Präsidentin des Club of Rome, Mamphela Ramphele, dem Präsidenten der Weltakademie für Kunst und Wissenschaft, Garry Jacobs, auch wichtige Mitunterzeichnerinnen und -unterzeichner der Deklaration wie Prof. Hartmut Rosa, der Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission, Dr. Roman Luckscheiter, der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Matthias Kleiner, aber auch die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer sowie Künstlerinnen und Künstler u. a. aus Afghanistan, Iran, Südafrika zu Wort kommen.
„Es braucht eine breit angelegte globale soziale Bewegung“
Bislang dominierende Top-down-Maßnahmen zur Bewältigung der globalen Herausforderungen können der Vielfalt kultureller und regionaler Unterschiede nicht ausreichend Rechnung tragen. So sind viele globale Programme wenig auf die tatsächlichen lokalen Lebensverhältnisse abgestimmt und finden daher wenig Akzeptanz. „Es braucht eine breit angelegte globale soziale Bewegung, um Denken und Handeln so zu verändern, dass der Übergang zu einem global gerechten, inklusiven und nachhaltigen Leben möglich wird. Dies erfordert eine sorgfältige Abstimmung auf lokale und regionale Bedürfnisse und Bedingungen“, betont Garry Jacobs, Präsident der Weltakademie für Kunst und Wissenschaft und einer der Erstunterzeichner der Deklaration. Eine solche Bewegung in Gang zu bringen ist das oberste Anliegen.
Um den erforderlichen gesellschaftlichen Wandel zu beschleunigen und zu vertiefen, müssen die Vereinten Nationen und politische Entscheidungsträgerinnen und -träger direkter auf die wichtigsten Akteure des Wandels zugehen: nämlich die Bürgerinnen und Bürger mit ihren alltäglichen Routinen und Gewohnheiten. Ziel von „The Jena Declaration“ ist es, die Aufmerksamkeit stärker auf die kulturelle, regionale und historische Einbettung menschlichen Handelns zu lenken. Darauf aufbauend fordert das Unterzeichner-Netzwerk alle auf, integrative, auf die lokalen Bedingungen abgestimmte Lösungen zu entwickeln. Das verlangt zuerst nach einer respektvollen Würdigung und Wertschätzung kultureller Vielfalt. „Dass bei der Verwirklichung des Programms der Jenaer Deklaration zu kultureller Nachhaltigkeit den Jugendlichen weltweit eine zentrale Rolle zugewiesen wird, ist besonders hervorzuheben und aus meiner Sicht auch unbedingt erforderlich. Denn ohne die Vorstellungen, die Forderungen und den Einsatz der Generation von morgen werden sich die großen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht bewältigen lassen. Die Generation von heute tut sich dabei offensichtlich sehr schwer. Daher, Jung und Alt, Hand in Hand zur nachhaltigen Besserung, das kann der Schlüssel sein“, betont Prof. Uwe Cantner, Vizepräsident für wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung der Friedrich-Schiller-Universität.
Weltsekretariat in Jena
Das Programm der Erklärung zielt dementsprechend darauf ab, Menschen aller Altersgruppen – vor allem aber jüngerer Generationen – und verschiedenster kultureller, sozialer und regionaler Hintergründe zu erreichen und es ihnen zu erleichtern, lokal im Sinne globaler Nachhaltigkeit zu handeln. Der notwendige Wandel reicht dabei in alle Lebensbereiche hinein, wie Mamphela Ramphele, Co-Präsidentin des Club of Rome am Beispiel der Bildung hervorhebt: „Die Menschheit ist gegenwärtig mit einer Vielzahl miteinander verbundener planetarischer Krisen konfrontiert. Aus dieser Situation müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen und beispielsweise nicht nur unser überholtes Bildungssystem mit seinen fragmentierten Fächern und Disziplinen hinterfragen. Vielmehr ist auch traditionelles lokales Wissen über die Natur neu in den Blick zu nehmen.“
Die Umsetzung der Deklaration erfolgt entlang der drei Programmlinien „Kunst“, „Bildung“ und „Zivilgesellschaft“. Diese werden von einem an der Universität Jena in Kooperation mit dem Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar eingerichteten Weltsekretariat koordiniert. „Es ist für Thüringen und Deutschland eine besondere Gelegenheit, zusammen mit so einflussreichen Partnern und einer breiten sozialen Bewegung aktiv gestaltend auf die künftige Nachhaltigkeitspolitik einwirken zu können“, so Prof. Benno Werlen, Leiter der Koordinationsstelle.
Livestream zur Veranstaltung sowie weitere Informationen auf der Website der Deklaration.