Ordnung durch Bewegung

Unter dem Titel „Ordnung durch Bewegung“

... verfolgt eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (research center) im Bereich der Wirtschafts-, Politik-, Religion-, Geschichts- und Rechtswissenschaften am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien ein Forschungsprogramm, das vergleichend nach der Art und Weise fragt, wie sich Ordnungen, die durch Bewegung im Sinne einer Steigerungslogik („dynamische Stabilisierung“) zu charakterisieren sind, entwickeln, verändern und (de-)stabilisieren.

Gefördert aus der Landes-Exzellenzinitiative des Landes Thüringen

Die Arbeitsgruppe „Ordnung durch Bewegung“ wird durch das Pro-Exzellenz-Programm des Freistaats Thüringen im Rahmen der Förderlinie „Kompetenzzentren“ gefördert. Sie verfolgt auf einer strategischen Ebene das Ziel, einen größeren Forschungszusammenhang zu etablieren. Über die Arbeitsgruppe wird die Kooperation des Max-Weber-Kollegs insbesondere mit einzelnen Mitgliedern aus den Fakultäten, dem Forschungszentrum Gotha und mit Mitgliedern der Friedrich-Schiller-Universität Jena, insbesondere mit der DFG-Kolleg-Forschergruppe „Postwachstumsgesellschaften“ intensiviert.

Projektstart: 01.01.2015

Forschungsprogramm

Ordnung und Bewegung bezeichnen Grundkategorien jeglicher sozialer und kultureller Wirklichkeit. In der Regel wird dabei Ordnung als dasjenige betrachtet, was in einer dynamischen Umwelt Stabilität und Regelmäßigkeit garantiert. Ordnungen, und insbesondere soziale und kulturelle Ordnungen, sind jedoch offensichtlich gezwungen, sich selbst ‚dynamisch‘ weiterzuentwickeln, d. h. auf endogene und insbesondere exogene Veränderungen (d. h. Umweltveränderungen) und Herausforderungen zu reagieren und sich entsprechend anzupassen. Deshalb dürfen Ordnung und Bewegung nicht einfach als Gegensatzpaare gedacht werden: In vielen Zusammenhängen ermöglichen Ordnungen (zielgerichtete) Bewegungen, ebenso erneuern und verändern sich Ordnungen durch Bewegung. Ein neuer Typ von Ordnung, der sich nur dynamisch –  d. h. durch Wachstum, Innovation, Beschleunigung, Expansion oder Universalisierung – zu reproduzieren vermag, wurde zuerst am Fall ‚moderner‘ westlicher Gesellschaften seit dem 18. Jahrhundert beobachtet. Der hier erkennbare Modus dynamischer Stabilisierung besteht nicht mehr nur in der (gelegentlichen) Anpassung an (kontingente und/oder exogene) Entwicklungen und auch nicht in einer Bewegung zur Verbesserung eines (stabilen) status quo, sondern in der Notwendigkeit endogener Dynamisierung zur Reproduktion und Erhaltung des status quo.

Vor dem Hintergrund der Beobachtung dynamischer Stabilisierungsprozesse verfolgt die Arbeitsgruppe Fragen in vier Komplexen:

(a) Fragen zu den Sphären, in denen sich dynamische Stabilisierungsprozesse beobachten lassen,

(b) Fragen nach den Normen, die dynamische Stabilisierungsprozesse ermöglichen oder behindern,

(c) Fragen nach alternativen Stabilisierungsmechanismen und

(d) Fragen nach den Konsequenzen und Wechselwirkungen dynamischer Stabilisierung.

Die Arbeitsgruppe legt ihren Schwerpunkt auf eine vergleichende Perspektive. Eine vergleichende Perspektive auf die unterschiedlichen dynamisch stabilisierten Ordnungen erlaubt es, ähnliche wie auch unterschiedliche Muster und Rahmenbedingungen für die jeweiligen Steigerungsprozesse zu identifizieren.

Die Arbeitsgruppe fokussiert auf Prozesse dynamischer Stabilisierung von Ordnungen insbesondere in den Sphären Wirtschaft, Politik, Religion, Wissenschaft und Recht. Es ist davon auszugehen, dass Prozesse dynamischer Stabilisierung je spezifischer Voraussetzungen (Stabilitätsmomente als Hintergrundbedingungen) bedürfen sowie spezifische Konsequenzen u.a. in Form von Problemlagen und Krisentendenzen nach sich ziehen. Mit der Fokussierung der Untersuchung dynamisch konstituierter Ordnungen auf verschiedene Sphären, können – in einer vergleichenden Betrachtung – ggfs. übergreifende als auch differenzierende Aussagen bzgl. der Voraussetzungen, Folgen und insbesondere der konkreten Mechanismen dynamischer Stabilisierung getroffen werden.

Die Arbeitsgruppe nimmt vor allem solche Steigerungsdynamiken in den Blick, die durch normative Muster befördert werden. Denn gegen die gängige Vorstellung, dass Normen eine bremsende bzw. stillstellende Wirkung haben, werden solche Steigerungsdynamiken identifiziert und näher untersucht, die durch normative Muster befördert werden.

Darüber hinaus werden in einer kontrastiven Analyse all jene Mechanismen und Ordnungselemente, die sich gerade nicht dynamisch stabilisieren, in den Blick genommen sowie solche Elemente, die der Dynamisierung entgegenwirken (z. B. durch Stillstellung, Entschleunigung, Rhythmisierung, Institutionalisierung).

Um den Modus dynamischer Stabilisierung von Ordnung in seiner sozialen, kulturellen und historischen Reichweite adäquat zu verstehen, fragt die Arbeitsgruppe nach den de-stabilisierenden Konsequenzen solcher Ordnungsbildung und -erhaltung: Wann und wo wird dynamische Stabilisierung selbst stabilitätsgefährdend? Wo untergräbt sie ihre eigenen Grundlagen, etwa indem sie ihre eigenen Bestandsbedingungen angreift? Schließlich wird untersucht, wie sich die beobachtbaren Formen der Ordnungsstabilisierung in ihren Beziehungen zueinander verhalten.

Antragsauszug