Neuer theoretischer Rahmen zur Analyse von mehrphasigen Unterrichtsansätzen
Wie funktionieren Unterrichtsansätze, die z.B. entdeckendes Lernen und stark angeleitetes Lernen kombinieren? Warum widersprechen sich Forschungsergebnisse in diesem Bereich? In ihrem Beitrag nehmen die Autor:innen das Zusammenspiel unterschiedlicher Unterrichtsphasen unter die Lupe und erklären widersprüchliche Ergebnisse.
Unterricht - sowohl in der Lehr-Lern-Forschung als auch in der alltäglichen Schulpraxis - erstreckt sich oft über mehrere Phasen mit unterschiedlichen Lernzielen und grundverschiedenen pädagogisch-psychologischen Ansätzen. So können beispielsweise Phasen des entdeckenden Lernens und Phasen des Anleitens und Erklärens systematisch kombiniert werden. Sowohl Wissenschaftler:innen als auch Praktiker:innen argumentieren, dass solche Kombinationen von Unterrichtsphasen die Vorteile jeder ihrer Phasen nutzen können und daher Lernen optimieren können.
Der Artikel stellt ein Analysetool vor, um solche kombinierten Unterrichtsphasen und ihr Zusammenwirken unter die Lupe zu nehmen. Dabei soll nicht nur die Wirkung der einzelnen Phasen klarer werden – wie also beispielsweise eine offene Problemstellung zu Beginn des Lernens u.a. Vorwissen aktivieren kann. Sondern die Analyse mithilfe des Tools soll auch Erklärungen liefern, auf welche Weise z.B. diese Vorwissensaktivierung auf spätere Unterrichtsphasen wirkt. Drei theoretische Analyseebenen werden unterschieden: die Ebene der Unterrichtsmethode („Instruktion“, z.B. eine Erklärung der Lehrkraft oder eine bestimmte Übungsaufgabe), die Ebene der angestoßenen Lernprozesse und die Ebene der dadurch entstandenen Wissensbausteine. Mehrere Studien und ihre Ergebnisse wurden mit dem Analysetool neu beleuchtet. So zeigte sich, dass die Art des „Zwischenwissens“, also das Wissen zwischen verschiedenen Phasen wesentlich bestimmt, welche Funktion nachfolgende Phasen im Lernprozess einnehmen. Die Analyse ergab zudem mögliche Erklärungen für widersprüchliche Ergebnisse früherer Studien (z. B. Studien, die positive oder negative Auswirkungen des offenen Problemlösens vor weiterer Instruktion festgestellt haben). Methodisch zeigte die Analyse, dass in bisherigen Studien teils das Problem besteht, dass ungewollt mehrere Lernprozesse ggf. über verschiedene Phasen hinweg verändert wurden, obwohl– experimentell „korrekt“ - auf der Instruktionsebene nur ein Aspekt verändert wurde. Für experimentelle Forschung stellt dies eine Herausforderung dar. Der vorliegende Artikel ruft dazu auf, das vorgestellte Analysetool zu verwenden, um solchen Herausforderungen entweder bereits in der Planung von Lehr-Lernstudien zu begegnen oder sie in der Diskussion von Ergebnissen aufzugreifen. Damit kann Widersprüchen in Forschungsergebnissen vorgebeugt werden und das Zusammenspiel grundverschiedener Unterrichtsphasen in Zukunft besser erklärt werden.
Abstract
Instruction often spans multiple phases (e.g., phases of discovery learning, instructional explanations, practice) with different learning goals and different pedagogies. For any combination of multiple phases, we use the term composite instructional design (CID).To understand the mechanisms underlying composite instructional designs, we propose a framework that links three levels (knowledge, learning, instruction) across multiple phases: Its core element is the specification of learning mechanisms that explain how inter-mediate knowledge (i.e., the knowledge state between instructional phases) generated by the learning processes of one phase impacts the learning processes of a following phase. The CID framework serves as a basis for conducting research on composite instructional designs based on a cognitive analysis, which we exemplify by discussing existing research in light of the framework. We discuss how the CID framework supports understanding of the effects of composite instructional designs beyond the individual effects of the single phases through an analysis of effects on intermediate knowledge (i.e., the knowledge state resulting from a first instructional phase) and how it alters the learning processes initiated by the instructional design of a second phase. We also aim to illustrate how CID can help resolve contradictory findings of prior studies (e.g., studies that did or did not find beneficial effects of problem solving prior to instruction). Methodologically, we highlight the challenge of altering one learning mechanism at a time as experimental variations on the instructional design level often affect multiple learning processes across phases.
Keywords Composite instructional design · Multiple phases · Cognitive analysis ·Knowledge-learning-instruction framework · Problem solving prior to instruction
Loibl, K., Leuders, T., Glogger-Frey, I., & Rummel, N. (2024). CID: a framework for the cognitive analysis of composite instructional designs. Instructional Science. doi.org/10.1007/s11251-024-09665-9