Sie ist 001. Ihr Name: Thériault. Barbara Thériault. Kanadierin und die erste Matrikelnummer der neu gegründeten Universität Erfurt. 001 eben. Aber wie alle Studierenden hier ist sie natürlich nicht nur eine Nummer. Sie ist vor allem eine Frau mit einer bewegten Geschichte. Für "Ich mag meine Uni…" haben wir einmal nachgefragt:
Frau Thériault, wie kam es, dass Sie in Erfurt Ihr Studium aufnahmen?
Das war 1998. Ich war damals an der Universität in Brüssel und wollte zur Religion im Osten Deutschlands promovieren. Mit dem Max-Weber-Kolleg und der neu gegründeten Uni hätte ich keinen besseren und passenderen Ort finden können.
Sie hatten damals noch nicht viele Kommilitonen, wie war das, in diesem kleinen Kreis zu arbeiten?
In erster Linie herrschte Aufbruchsstimmung. Wir hatten zwar nur wenige Kommilitonen, dafür war der Kontakt zu den Professoren, zur Verwaltung und auch zu den Erfurter Bürgern eng.
Was war denn das Thema Ihrer Arbeit in Erfurt?
Ich habe, wie gesagt, zur Religion im Osten Deutschlands geforscht, speziell zur katholischen und evangelischen Kirche nach dem Fall der Mauer. Aus meiner Dissertation ist dann 2004 auch ein Buch entstanden: „´Conservative Revolutionaries´: Protestant and Catholics Churches in Germany after Radical Political Changes in the 1990s”.
Und was ist Ihnen aus Ihrer Zeit in Erfurt noch am stärksten in Erinnerung?
Ich war jung, hatte tolle Freunde, die Stimmung war gut. Ich fühlte mich wohl in der Stadt und ich fand es immer sehr nett, in der Altstadt unterwegs zu sein.
Haben Sie noch Kontakte nach Erfurt und sind Sie nach Ihrem Abschluss noch einmal hier gewesen?
Klar. Jedes Jahr. Ich habe nach wie vor Freunde in Erfurt. Und wenn ich ehrlich bin, ich würde gerne nochmal ein Semester dort verbringen!
Als eine der Gründungs-Studierenden der Uni waren Sie ja naturgemäß schon etwas Besonderes. Und dann auch noch Kanadierin, das war ja damals beinahe "exotisch"…
Zwischen 1998 und 2001 war ich in Erfurt. Wenn ich unterwegs in Deutschland war, fragten mich die Leute manchmal, woher ich komme. Nachdem ich ein oder zwei Jahre in Erfurt verbracht hatte, habe ich angefangen, "aus Erfurt" zu antworten. Das fanden die Leute meistens komisch – vermutlich weil ich nicht "Thüringisch" gesprochen habe. Aber ich habe mich eben als Erfurterin empfunden.
Wie ging es nach Ihrer Dissertation weiter?
Nach der Dissertation musste ich nach Kanada zurück, denn ich hatte für die Zeit nach dem Studium keine Aufenthaltsgenehmigung. So bin ich nach Montréal gekommen, wo ich bis heute lebe. Inzwischen bin ich Professorin für Soziologie an der Université de Montréal und seit drei Jahren Direktorin eines Zentrums für deutsche und europäische Studien (Centre canadien d’études allemandes et européennes). Zwischendurch habe ich an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder habilitiert. Auch daraus ist übrigens 2013 ein Buch entstanden: "The Cop and the Sociologist: Investigating Diversity in German Police Forces". Aktuell arbeite ich an einer kleinen Studie zum neuen Bürgertum der Stadt Erfurt. Sie sehen, ich halte Erfurt die Treue… (lacht).
Sie leben also in Montreal? Mit Ihrer Familie?
Ja, mit Noa, meiner Tochter, und Thomas, meinem Mann (übrigens Matrikelnummer 004 oder 007, ich weiß nicht mehr genau…), der Professor in der Schweiz und dementsprechend nicht immer bei uns ist. Und dann wäre da auch noch Schimanski, mein Hund, der Nachfolger der berühmten Puda, die damals bekannter als ich selbst war.
Und was machen Sie, wenn Sie gerade nicht als Wissenschaftlerin unterwegs sind?
In Montreal bin ich Herausgeberin der Zeitschrift "Sociologie et sociétés". Seit kurzem übersetzen wir kurze soziologische oder literarische Texte. Ich habe zum Beispiel Texte von Georg Simmel, Joseph Roth und Norbert Elias ins Französische übersetzt.
Wir bedanken uns bei Barbara Thériault herzlich für das Interview!