„In Lille wurden fremde Leute plötzlich zu engen Freund*innen“

International , Off Campus
Fotocollage mit Text: Ich bin dann mal weg ... und Elisa in Lille, im Hintergrund Marktplatz von Lille mit vielen Häusern, darüber zwei Polaroidfotos, auf dem ersten ist Elisa zu sehen, wie sie vor einem Fluss sitzt, lächelnd und mit Wasserflasche vor sich

Noch bevor Elisa nach Erfurt zurückgekehrt ist, hat sie uns berichtet, wie ihr zurückliegendes Erasmus-Semester in Frankreich verlaufen ist. Neben vielen neuen Eindrücken und dem Kennenlernen neuer Freund*innen konnte Elisa auch ihre Französisch-Kenntnisse erheblich verbessern. Seit Studienbeginn schon war es ihr Wunsch, ein Semester in einem Land zu verbringen, in dem sie sich in einer anderen Sprache verständigen muss. An die frontalen Lehrveranstaltungen im französischen Hochschulsystem musste sie sich erst einmal gewöhnen. Warum sich das Ausprobieren und Leben im Ausland aber lohnt, welche Reiserouten Elisa empfehlen kann und wie das Team des Internationalen Büros sie unterstützt hat, erzählt sie in diesem Beitrag. Nächstes langfristiges Etappenziel der Romanistik-Studentin ist übrigens der Bachelor-Abschluss – wir wünschen viel Erfolg!

Warum hast du dich für ein Auslandssemester an der Université de Lille entschieden und wie bist du bei deiner Bewerbung vorgegangen?
Dass ich mein 5. Semester im fremdsprachigen Ausland verbringen möchte, stand für mich bereits seit Beginn meines Studiums fest. Schon vor meiner Bewerbung habe ich mich bei Kommiliton*innen aus höheren Semestern über den genauen Ablauf erkundigt und auch die Informationsveranstaltungen des Internationalen Büros der Uni Erfurt waren sehr hilfreich, um mir einen guten Überblick über die einzelnen Schritte des Bewerbungsprozesses zu verschaffen. Ich habe dann die Weihnachtszeit und den Januar dafür genutzt, meine Bewerbung zu schreiben und mich um die erforderlichen Dokumente (wie Sprachzertifikate, Notenspiegel etc.) zu kümmern.
Die Université de Lille war mein Erstwunsch und die Rückmeldung über die Annahme bekam ich einige Wochen vor Beginn des Sommersemesters. Danach ging alles recht schnell: Ich musste mich mit der Anmeldung an der Uni Lille auseinandersetzen und das Learning Agreement erstellen. Beim Ausfüllen der Vereinbarung hat mich das Internationale Büro unterstützt und auf all meine Fragen kompetent geantwortet. Hier wartet viel Bürokratie, es sind viele verschiedene Dokumente und Unterschriften von unterschiedlichen Personen einzuholen und es kann gut sein, dass die Vorfreude auf das kommende Auslandssemester ein wenig darunter leidet. Letztendlich geht es aber doch immer gut aus, so viel zur Beruhigung. Die Informationsmails der beiden Hochschulen und das Mobility-Portal stellen gute Leitfäden zur Verfügung, die bei einer strukturierten Vorbereitung sehr weiterhelfen.

Ich habe im Rahmen der „Welcome Days“ viele Leute getroffen, die mich durch das gesamte Semester hindurch begleitet haben und zu wirklich guten Freund*innen geworden sind.“ 

Wie war dein Start in Lille?
Das Semester in Frankreich beginnt Mitte September. Darum empfiehlt es sich, bereits zu Beginn des Monats nach Lille zu reisen. Das Maison International der Université de Lille, situiert am Campus Cité Sciéntifique, ist für alle international Studierenden Anlaufstelle und bietet mit den „Welcome Days“ ein volles Programm. In zahlreichen Veranstaltungen haben die internationalen Studierenden die Chance, sich gegenseitig kennenzulernen und sich über die Organisation des Studiums zu informieren. Ich habe im Rahmen der „Welcome Days“ viele Leute getroffen, die mich durch das gesamte Semester hindurch begleitet haben und zu wirklich guten Freund*innen geworden sind.
Anfang September findet in Lille jedes Jahr die Braderie de Lille statt – ein großes Volksfest samt (Floh-)Markt, das sich durch die gesamte Stadt zieht; überall wird Musik gemacht, Antiquitäten und Kleidung werden verkauft (entweder von Privatpersonen, aber auch von etablierten Läden) und die Straßen verwandeln sich in eine einzige große Feiermeile voller Menschen jeden Alters. Hier kann es durchaus passieren, dass man mal 15 Minuten in einer Kreuzung stecken bleibt und weder vor noch zurück kann. Allein wegen der Braderie würde ich euch ganz stark dazu raten, schon zu Beginn des Septembers nach Lille zu fahren!

Worin unterscheidet sich das Studium an der Université de Lille im Vergleich zu deinem Studium an der Universität Erfurt?
Das Studium an der Université de Lille unterscheidet sich meiner Meinung nach sehr stark von dem deutschen System an der Universität Erfurt. Zunächst ist der Bachelor (in Frankreich Licence) anders aufgebaut: Statt in sechs Semester wird die Licence in drei Jahre unterteilt. Als Erasmus-Studentin konnte ich sämtliche Lehrveranstaltungen aus allen drei Jahren wählen. Ich habe mir deshalb Kurse ausgesucht, die mich vor allem thematisch interessiert haben. An der Uni Erfurt konnte ich mir für das Auslandssemester zwei Module im Studium Fundamentale (StuFu) anrechnen lassen, auch deswegen war ich relativ frei bei der Wahl meiner Kurse.
Im Studiengang Lettres Modernes habe ich ausschließlich literaturwissenschaftliche Seminare in französischer Sprache belegt. Je nach Jahrgangsstufe fielen die Seminare sehr unterschiedlich aus. Mir persönlich haben die Seminare der letzten Jahrgangsstufe (L3) am besten gefallen. Zwar waren die Inhalte und Prüfungsleistungen anspruchsvoller, dadurch aber auch deutlich interessanter und lehrreicher. Insgesamt ist die Lehre in Frankreich wesentlich frontaler, weniger partizipativ und sehr rezipierend – in jedem Fall ein Erlebnis. Dabei wurde mir klar, dass ich die persönlichen und interaktiven Seminare an der Uni Erfurt eindeutig bevorzuge.
In keinem der Seminare musste ich einen Essay oder eine Hausarbeit schreiben. Die Prüfungsleistungen bestanden aus Referaten und Klausuren. Letztere werden devoir sur table genannt und können auch mal bis zu vier Stunden andauern.

All deine Seminare waren auf Französisch. War das herausfordernd für dich?
Die ausschließlich französischsprachigen Kurse haben mir keine großen Schwierigkeiten bereitet, ich habe mich auch nie verloren gefühlt. Meine Sprachkenntnisse haben sich im Laufe der Zeit merklich verbessert. Vor Beginn der Vorlesungszeit habe ich in Lille einen einwöchigen Intensivkurs belegt und dort auch gute Freund*innen kennengelernt. Für alle, die sich im Französischen noch unsicher fühlen sollten, gibt es aber auch gute englischsprachige Alternativen im Vorlesungsverzeichnis.

Es empfiehlt sich, sehr früh mit der Suche anzufangen, da die Wohnungen begehrt sind.“

Wo und wie hast du gewohnt?
Während meines Auslandssemesters habe ich im Süden von Lille gewohnt, nahe der Metrohaltestelle Porte des Postes, im Quartier Wazemmes – ein wunderbar buntes, lebendiges und bodenständiges Viertel, das ich sehr empfehlen kann. Hier reihen sich Bars und Cafés aneinander. Jeden Dienstag, Donnerstag und Sonntag findet ein großer Markt statt und es gibt viele kleine und unabhängige lokale Läden. Bis zum Campus Pont de Bois habe ich von Tür zu Tür etwa 30 Minuten gebraucht, und auch die Innenstadt ist schnell mit der Metro erreichbar. In Lille gibt es zwei große Metrolinien (gelb und rot, die Haltestelle der Uni, Pont de Bois, auf der gelben Linie), mit denen es sehr einfach ist, herumzukommen.
Meine WG war sehr international, ich habe mit Studierenden aus Mexiko, Peru und Ghana zusammengewohnt. Wir haben uns eine Küche geteilt, die Zimmer waren jeweils mit eigenem Badezimmer ausgestattet. Die WG hat sich im Lauf der Zeit leider zu einer reinen Zweck-WG entwickelt. Geschuldet war dies sicher auch dem ständigen Wechsel der Mitbewohner*innen. Die Unterkunft selbst habe ich über die Website LivinFrance gefunden, wie viele andere meiner Freund*innen auch. Es empfiehlt sich, sehr früh mit der Suche anzufangen, da die Wohnungen begehrt sind. Auf das Portal aufmerksam gemacht hat mich die Université de Lille. Ich hatte zunächst auch über andere Webseiten wie LeBonCoin oder LaCartedesColocs gesucht, jedoch ohne Erfolg, da die Verträge dort immer für mindestens ein Jahr unterschrieben werden müssten.

Wie hat sich dein Alltag in Lille gestaltet? Hast du dein Auslandssemester auch zum Reisen genutzt?
Mein Alltag war geprägt von Treffen mit meinen Freund*innen, den Kursen an der Uni, verschiedene Ausflüge und Abendveranstaltungen. Zusammen waren wir viel in Wazemmes unterwegs, am liebsten in dem Café/der Bar Les Sarrazins – ein sehr offener Ort, der viel Kulturprogramm bietet, aber auch einfach nur zum Verweilen, Reden, Häkeln, Tanzen, Tee oder Bier trinken einlädt. Lille an sich ist eine stark studentisch geprägte Stadt, die für alle etwas Passendes bereithält. So waren wir bei Konzerten, in Vintage-Läden, in Bars, Cafés, später im Jahr auf dem Weihnachtsmarkt oder einfach Spazieren im Zitadellen-Park.
Außerdem ist Lille sehr gut angebunden an diverse Ausflugs- und Reiseziele: Wir haben Ausflüge nach Gent, Brügge und Brüssel in Belgien unternommen, waren in London (das Reisen mit der Fähre ist zwar ein wenig umständlich, aber dafür preiswert; alternativ geht es natürlich schneller mit dem Eurostar, der in eineinhalb Stunden in London ist) und in einigen französischen Städten wie Paris, Amiens, Rouen, Calais und Dunkerque als Tagesausflüge oder auch mal länger. Eines meiner Highlights war ein einwöchiger Roadtrip mit einem gemieteten Van, den wir Ende Oktober von Lille aus, die Küste entlang, bis in die Bretagne gemacht haben und dabei Étretat, den Mont-Saint-Michel, Saint-Malo und andere kleinere Orte abklapperten. Nordfrankreich ist meiner Meinung nach sehr, sehr lohnenswert und nicht so touristisch wie der Süden. Gerade durch die geschichts- und literaturträchtige Vergangenheit bietet er sich sehr für geisteswissenschaftliche Studierende an. Ich habe die Gegend dort wirklich in mein Herz geschlossen und freue mich schon darauf, bald wieder dorthin zurückzukehren.
Im Großen und Ganzen war der Alltag in Frankreich für mich deutlich entspannter als in Erfurt. Ich hatte weniger (ehrenamtliche) Verpflichtungen, keinen besonderen Notendruck und konnte vieles außerhalb der Uni unternehmen. Ich habe aber auch gemerkt, dass genau das mir teilweise gefehlt hat und kann für mich festhalten, wie sehr ich ein Leben schätze, das sich zu einem großen Teil am Campus abspielt und wie schön eine so familiäre Atmosphäre wie die der Uni Erfurt eigentlich ist.

Ich konnte mein Französisch deutlich verbessern, bin mit sehr tollen Menschen zusammengetroffen, die mein Leben bereichert haben und die ich auch nach diesem gemeinsamen Semester zu meinem engen Freund*innenkreis zählen kann.“

Welche Tipps hast du für deine Kommiliton*innen, die auch Interesse an einem Auslandssemester haben?
Ich empfehle, so früh wie möglich mit der Bewerbung zu beginnen, um Stresssituationen zu vermeiden. Die Bewerbungsfrist für das Erasmus-Programm war bei mir Anfang Februar und der Januar als Prüfungsmonat ist nicht zu unterschätzen.
Für das Learning Agreement habe ich mich am Vorlesungsverzeichnis bzw. Kurskatalog des Vorjahres orientiert, da das meines Semesters erst später erschienen ist, vor Ort habe ich es dann fast komplett geändert und angepasst.
Mit den französischen Studierenden kam ich aufgrund der frontalen Kurse nur selten in Kontakt, in den Literaturkursen war ich manchmal sogar die einzige Erasmus-Studentin. Aber ich kam trotzdem immer gut zurecht. Den Lehrpersonen habe ich immer im Vorhinein darüber Bescheid gegeben, dass ich Erasmus-Studentin bin, das hat auch geholfen. Der Umgangston mit den Dozierenden war dabei immer sehr freundlich.

Welches Fazit ziehst du nach einem Auslandssemester an der Université de Lille?
Ich bin unfassbar froh und dankbar, die Möglichkeit eines Auslandssemesters ergriffen und auch Frankreich ausgewählt zu haben. Ich konnte mein Französisch deutlich verbessern, bin mit sehr tollen Menschen zusammengetroffen, die mein Leben bereichert haben und die ich auch nach diesem gemeinsamen Semester zu meinem engen Freund*innenkreis zählen kann. Es ist faszinierend, in welch kurzer Zeit so gute Freundschaften entstehen können, aber auch, wie schnell diese wenigen Monate in einem anderen Land doch vergehen.
Zwei meiner schönsten Momente waren definitiv die Braderie de Lille und der Urlaub mit meinen zwei engsten Freudinnen aus Lille, in dem wir mit dem Van an der französischen Küste entlanggefahren sind – ich konnte mir damit wirklich einen Kindheitstraum erfüllen. Woran ich mich aber auch immer erinnern werde, ist das Gefühl, das Lille mir insgesamt gegeben hat, die Tage und Abende mit fremden Leuten, die plötzlich zu engen Freund*innen werden, die interessanten Kurse an der Uni, die vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse. Ich kann Lille für ein Auslandssemester sehr, sehr empfehlen und freue mich darauf, die Stadt bald wieder zu sehen. Der nächste Besuch ist schon für Mai geplant.

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