Ein Auslandsaufenthalt ist eine feine Sache. Man kann eine fremde Sprache vertiefen, bekommt Einblicke in eine andere Kultur, knüpft neue Kontakte, erweitert seinen Horizont und nebenbei macht es sich im Lebenslauf auch immer gut. Mehr als 100 Studierende der Uni Erfurt wagen diesen Schritt alljährlich. Wir haben Gina ein paar Fragen zu ihrem Auslandsaufenthalt in Taipei (Taiwan) gestellt.
Wo bist du und für welchen Zeitraum wirst du in Taiwan sein?
Ich studiere derzeit für zwei Semester an der National Chengchi University in Taipei, Taiwan. Ich wollte für längere Zeit hierbleiben, um die Kultur und Sprache genau kennenlernen zu können.
Warum hast du dich für dein Gastland entschieden?
Ich habe mich in erster Linie für Taiwan wegen der Sprache entschieden. Schon an der Uni Erfurt habe ich Chinesisch-Kurse gemacht und wollte meine Kenntnisse hier vertiefen und verbessern. Taiwan gehört zu den sichersten und fremdenfreundlichsten Ländern in Asien, was für mich definitiv ausschlaggebend war. Das Land bietet nicht nur die Großstadt Taipei, sondern auch viel unberührte Natur, insbesondere an der kaum bewohnten Ostküste der Insel.
Ist es einfach, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen?
Das hängt natürlich von jeder einzelnen Person ab. Es ist sehr leicht, in eine „exchange student bubble“ zu rutschen, aus der man schwer rauskommt – insbesondere, wenn man in dem eigens für internationale Studierende gebauten Wohnheim wohnt. Wenn man allerdings in Kursen und außerhalb der Uni in sogenannten „student clubs“ Taiwanes*innen anspricht, lassen sich Kontakte knüpfen. Viele sind zunächst etwas schüchtern, was ihr Englisch angeht, aber sie freuen sich sehr darüber, mit internationalen Studierenden gemeinsam essen zu gehen und ihnen die Kultur zu zeigen.
Welche Erwartungen hast du an deine Zeit im Ausland und werden sie bisher erfüllt?
Da ich vor meiner Reise nach Taiwan bereits Südkorea und Hongkong gesehen hatte, dachte ich, es würde dort ähnlich sein. Allerdings war ich überrascht, wie anders Taiwan funktioniert. Für einen kleinen Inselstaat, der von den meisten Ländern der Welt nicht einmal anerkannt ist, geben sich Taiwanesen sehr selbstbewusst. Sie integrieren gern Neues in ihren Alltag, ob das nun aus dem Westen oder den Nachbarstaaten kommt.
Was war bisher die größte Herausforderung?
Meine größte Herausforderung war bisher natürlich die Sprache. Die Chinesisch-Kenntnisse, die ich vor meinem Aufenthalt besaß, reichten für vieles nicht aus. Dazu kam, dass ich vereinfachte Schriftzeichen (wie sie in China verwendet werden) gelernt hatte und nicht die in Taiwan genutzten traditionellen Schriftzeichen. Englisch können die meisten jungen Menschen hier, aber ältere meist nicht. Am Anfang war es ein Kampf, sich Essen zu bestellen und Dinge zu kaufen. Sobald man jedoch genug Chinesisch beherrscht, ist es eher von Vorteil, dass man nicht auf das bequeme Englisch zurückgreifen kann.
Bitte vervollständige: Das Beste an meinem Gastland ist….
… das Essen! Man vermisst auf jeden Fall auch das gute europäische Essen, aber hier taucht man in eine ganz andere Welt ab. Hoher Reis- und Suppenkonsum (manchmal auch in Kombination) gehören zum Alltag dazu. Die taiwanesische Küche beinhaltet zudem nicht nur Elemente aus japanischem und chinesischem Essen, sondern scheut sich nicht davor, verschiedene Küchen zu mixen und etwas ganz Neues zu kreieren.
Was aus Deutschland vermisst du bisher am meisten?
Am meisten vermisse ich es, eine eigene Küche zu haben. Die hiesigen Wohnheime haben meist keine Küche, somit gehört auswärts essen zum Alltag dazu. Ich musste mich zunächst daran gewöhnen, abends immer noch einmal das gemütliche Zimmer verlassen zu müssen, wenn ich Hunger bekommen habe.
Und was wirst du von dort vermissen, wenn du wieder zurück bist?
Auf jeden Fall werde ich es vermissen, wie komfortabel hier alles ist. Man kann zu jeder Uhrzeit alles bekommen, egal wo man ist und durch öffentliche Verkehrsmittel kommt man überall hin. Alles, was in Taiwan verkauft wird, ist in irgendeiner Weise praktisch und nützlich.
Was war bisher deine beste Erfahrung oder dein schönstes Erlebnis?
Meine besten Erfahrungen habe ich hier auf den sogenannten Nachtmärkten gemacht. Auf diesen tummeln sich jeden Abend hungrige Menschen – bis in die Nacht hinein kann man von den Ständen alles essen, was das Herz begehrt. Hier findet man auch besonders viele Spezialitäten. Jeder Austauschstudierende sollte beispielsweise einmal „stinky tofu“ probiert haben.
Wie erlebst du die Adventszeit in deinem Land? Gibt es auch Weihnachtsmärkte?
Theoretisch gibt es einen Weihnachtsmarkt namens „Christmasland“. Taiwanes*innen interpretieren Weihnachten jedoch ein wenig anders. Für sie ist es eine sehr kommerzielle Sache, da die meisten Buddhisten oder Daoisten sind und das Fest gar nicht erst feiern. Der Weihnachtsmarkt ist dementsprechend voller Neonlichter und Plastik-Weihnachtsbäume, aber der Geist der Weihnachtszeit fehlt ein bisschen.
Gibt es etwas im Studium oder täglichen Leben, das sich grundlegend von deinem Alltag in Erfurt unterscheidet? Falls ja, was und hat es dich überrascht?
Mein Alltag spielt sich sehr viel auf und um den Campus herum ab. Die Universität ist am Rande der Stadt und so aufgebaut, dass man das Viertel nie verlassen muss. Wir haben einen Supermarkt, mehrere Mensen, Friseure, Buchhandlungen, Cafés und vieles mehr zwischen den Lehrgebäuden. Zudem kann man im Fitnesscenter mit eigener Schwimmhalle und auf den Plätzen davor ausgiebig Sport machen.
Was würdest du anderen empfehlen, die sich für einen Auslandsaufenthalt entscheiden?
Ich würde auf jeden Fall empfehlen, in ein Land zu gehen, in dem man die Landessprache spricht. Wenn man nur Kurse auf Englisch belegt und sich wenig mit Einheimischen unterhalten kann, lernt man das Land nur eingeschränkt kennen. Falls man sich wie ich doch für ein Land entscheidet, in dem man die Sprache nicht besonders gut spricht, sollte man definitiv Sprachkurse belegen.
Bild 1: Gina im „Christmasland“, dem Weihnachtsmarkt in Taipei. Er ist berühmt für seine Lichtershows.
Bild 2: Taipei 101 (ehemals das höchste Gebäude der Welt) nachts von einem historischen Soldatendorf aus. Die davor posierende Gruppe besteht aus zwei Deutschen, einer Schweizerin, einer Russin und zwei Taiwanesinnen.