Der Weg ins Büro ist für Gloria Hoppe denkbar kurz. Sie muss einfach nur ins Nachbarzimmer ihrer Leipziger Altbauwohnung gehen. Dort hat sich die 27-jährige Alumna der Universität Erfurt ihren Arbeitsplatz eingerichtet und dort wird sie jeden Morgen pünktlich um acht Uhr von ihrer großen Auftragstafel mit der unterschwelligen Botschaft begrüßt: "Du hast Aufträge. Pack es an!". Seit März 2013 ist Hoppe selbstständige Lektorin und Inhaberin vom Lektorat Hoppe. Die Existenzgründung war zunächst nicht ihre erste berufliche Wahl, für sie letztlich aber die Möglichkeit, auch in dem Bereich tätig zu sein, auf den sie mit fünf Jahren Studium, mit Praktika und Volontariat hingearbeitet hat.
Die gebürtige Thüringerin absolvierte 2009 ihren Bachelor in Germanistik und Theologie an der Universität Erfurt, eigentlich mit dem Ziel, einmal Lehrerin zu werden. Doch schon während ihres Studiums wird ihr bewusst, dass sie nicht einfach nur mit Büchern im Unterricht arbeiten will, sondern am Entstehungsprozess von Publikationen beteiligt sein möchte. Um ihrem Ziel näherzukommen, legt sie an der Leipziger Universität den Master in Germanistik drauf und korrigiert da schon nebenbei wissenschaftliche Arbeiten. Nach dem Studium wird sie Volontärin bei einem Verlag, der sie nach nur kurzer Zeit in eine Anstellung als Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit und Lektorat übernimmt. Als diese jedoch endet, wird sie arbeitslos – ohne Aussicht auf eine angemessene Stelle. "Ich war drei Monate lang ohne Arbeit – eine sehr ernüchternde Zeit, die mir die Augen geöffnet hat", erzählt Gloria Hoppe. "Nach gefühlten 100 deutschlandweiten Bewerbungen und Initiativbewerbungen zeichnete sich bei mir das ab, was bei vielen meiner Leipziger Kommilitonen bereits eingetreten ist: Sie arbeiten in vielen unterschiedlichen Bereichen, nur nicht in dem, für den sie studiert haben." Gloria Hoppe will das nicht so einfach hinnehmen. Und da sie aus ihrer Verlagstätigkeit mitgenommen hat, dass es branchenüblich ist, mit freiberuflichen Lektoren und Redakteuren zusammenzuarbeiten, sieht sie darin auch ihre Chance. Sie nimmt die Angebote der Arbeitsagentur zur Existenzgründung wahr, besucht ein Gründercoaching und beantragt den Gründerzuschuss, der ihr in der Startphase eine soziale Absicherung bietet. Für die Grundlagen zur Existenzgründung ist all das unerlässlich, wie Hoppe findet: "Bei den Coachings lernt man viel, was man als Selbstständiger wissen und können muss, Buchhaltung zum Beispiel, das Erstellen von Bilanzen oder auch wie die einzelnen Schritte zur Existenzgründung überhaupt ablaufen. Man lernt Ansprechpartner kennen, die bei Problemen weiterhelfen können, und der Gründerzuschuss hilft über die mäßige Anfangsphase hinweg. Außerdem gibt es Förderprogramme, mit denen auch große Anschaffungen bezahlt werden können." Gloria Hoppe haben diese Maßnahmen den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtert. Heute kann sie mit ihrem germanistischen Fachwissen als hauptberufliche Lektorin arbeiten, sie prüft Manuskripte, schreibt redaktionelle Texte, betreut Autoren und unterstützt Unternehmen im sprachlichen Bereich von Werbung und Kommunikation. Für diese Tätigkeit ist nicht nur ihre Branchenerfahrung wertvoll, auch das Studium hat sie mit einem fachlichen Fundament ausgestattet und ihr darüber hinaus noch weit mehr mit auf den Weg gegeben: "Die Liebe zur Literatur zum Beispiel und dass es auch Texte gibt, die vielleicht erst auf den zweiten Blick begeistern", lacht die Germanistin. "Auch das Theologie-Studium in Erfurt hilft mir heute noch weiter. Ich darf zum Beispiel spezielle Bücher und Artikel zu Ethik und Moral lektorieren und habe somit Kunden, die auch meine fachlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet schätzen. Abgesehen davon war das Theologie-Studium eine große Bereicherung, um allen Menschen gegenüber mit Toleranz und Respekt zu begegnen und sie im Allgemeinen besser zu verstehen – ihre Einstellungen, Werte und Moralvorstellungen." So legt Hoppe auch in ihren geschäftlichen Beziehungen besonderen Wert auf Fairness und einen respekt- und vertrauensvollen Umgang mit dem geistigen Eigentum ihrer Kunden. Auch Dinge, die mit dem eigentlichen Fachbereich nichts zu tun haben, habe Gloria Hoppe als Studentin gelernt: "Ich denke, jedes Studium ist für die 'Schule des Lebens' wichtig: Der enorme Wissenszuwachs, der behutsame Umgang mit geistigem Eigentum, Organisationsvermögen, Disziplin, Optimismus und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind fachunabhängige Punkte, die mir heute auch bei meiner freiberuflichen Tätigkeit weiterhelfen."
Besonders das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten spielt bei der Existenzgründung eine ganz zentrale Rolle, nicht nur für das eigene berufliche Selbstverständnis der Gründer. Sie müssen dieses Vertrauen auch auf andere übertragen können, müssen Förderern oder dem Arbeitsamt klar machen, dass die eigenen Fähigkeiten rentabel sind, und Skeptiker besänftigen können. Gloria Hoppe ist das gelungen. Eltern und Ehemann stehen hinter ihr und unterstützen sie, wo es geht. Ohne den Rückhalt ihres Ehemanns könnte sie noch nicht ganz von ihrer Arbeit als Lektorin leben. "Ich habe bereits Stammkunden und es gibt sehr gute Monate, aber es gibt auch Zeiten, in denen etwas weniger zu tun ist. Eine gewisse Beständigkeit in den Aufträgen muss sich noch einspielen." Geduld müsse man haben und in guten Zeiten Rücklagen bilden, weiß Gloria Hoppe und rät frisch gebackenen Existenzgründern, auf einer Durststrecke langen Atem zu beweisen und darauf zu vertrauen, dass bald der nächste Auftrag kommt. Und einen Plan B in der Tasche zu haben, kann natürlich auch nicht schaden. Nebenberuflich gibt Gloria Hoppe Kurse in der Erwachsenenbildung und der Schülernachhilfe. "Es hilft, fachlich fit und auch in auftragsschwächeren Zeiten motiviert zu bleiben." Trotzdem soll das Unterrichten nur eine Nebentätigkeit sein, denn Hoppes Wunsch bleibt es, als Germanistin in der Verlagsbranche zu arbeiten. Mit ihrem Lektoratsbüro hat sie sich diesen Wunsch vorerst erfüllt und schaut nun positiv in die Zukunft. "Ob es langfristig funktionieren wird, kann ich nicht vorhersagen, aber ich bin optimistisch. Es war ein gutes erstes Jahr!"