„Die Auswirkungen meines eigenen Handelns bekomme ich sicherlich noch mit“, erklärt Michael Bergrab, während er über die Motive nachdenkt, die ihn schon in jungen Jahren in die Kommunalpolitik trieben. Seit 2014 ist der Alumnus der Uni Erfurt erster Bürgermeister der bayrischen Gemeinde Lisberg. Gerade einmal 22 Jahre war er alt, als er dieses Amt nach seinem Abschluss in den Fächern Staatswissenschaften und Philosophie antrat. Damit war er damals der „jüngste Bürgermeister Deutschlands“. Woher seine Begeisterung für die Kommunalpolitik kommt, die von vielen Altersgenossen doch als eher „unsexy“ wahrgenommen wird, und warum es noch viel mehr junge und junggebliebene Geister auf kommunaler Ebene braucht, darüber haben wir mit ihm gesprochen…
Sie sind 2014 mit gerade einmal 22 Jahren zum damals „jüngsten Bürgermeister Deutschlands“ gewählt worden. Wie fühlte es sich für Sie an, einen solchen „Titel“ zu tragen?
Direkte Auswirkungen auf die tägliche Arbeit als Bürgermeister hat „der Titel“ nicht. Der Titel, jüngster Bürgermeister zu sein, gibt dem Amt noch ein Stück mehr Aura und Charme. Ich finde, es ist nichts Besonderes, sich als junger Mensch der Politik und ganz besonders der ehrenamtlichen Kommunalpolitik zu widmen.
Was hat Sie einst überhaupt auf die Idee gebracht, so jung als Parteiloser zu kandidieren?
Ich war schon seit ich denken kann an politischen Prozessen und den Mechanismen der Gesellschaft interessiert. Da bin ich durch mein Elternhaus geprägt: mein Vater Studium der Politikwissenschaften an der LMU, mein Großvater selbst langjährig in der Kommunalpolitik tätig – als Gemeinderat und als Bürgermeister in Lisberg. Ein bisschen wiederholt sich die Geschichte.
Heute sind Sie 28 Jahre alt und damit immer noch ein vergleichsweise junger Politiker. Bei den bayerischen Kommunalwahlen im vergangenen März sind Sie außerdem mit stolzen 83,8% im Amt bestätigt worden. Man darf dies wohl als Bestätigung Ihrer Arbeit in den vergangenen sechs Jahren auffassen. Meinen Sie, dass Ihr Alter dabei wesentlichen Einfluss auf die Art und Weise hatte, wie Sie Kommunalpolitik bisher betrieben haben?
Sicherlich gibt es Unterschiede, wie Menschen handeln, die sich am Alter oder an der Zugehörigkeit einer Generation ablesen lassen. Der Erfolg eines (Kommunal-)Politikers hängt aber ganz besonders von seiner Persönlichkeit ab. Die Kommunalwahlen warten immer wieder mit Überraschungen auf, da hier die Bürger*innen die direktesten Verbindungen zu den Kandidat*innen haben, diese meist persönlich kennen und somit immer aus persönlichen Gründen für oder gegen jemanden stimmen.
Braucht es Ihrer Meinung nach mehr junge Menschen in der Kommunalpolitik – und wenn ja: Wie bekommen wir sie dorthin?
Definitiv. Die Zeit offenbart immer größere Probleme, deren Wirkungsmacht wir alle nicht überblicken können. Deshalb braucht es auch den Blick der jungen Menschen – in Ergänzungen zu den „Alten“. Wenn man die Ergebnisse der Kommunalwahl in Bayern genauer betrachtet, fällt auf, dass sich vermehrt junge Menschen oder ältere Quereinsteiger finden, die mit der Kommunalpolitik anfangen. Ein positives Zeichen in meinen Augen.
Ihre Tätigkeit als erster Bürgermeister ist ein ehrenamtliches politisches Mandat. Hauptberuflich arbeiten Sie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie an der Universität Bamberg an Ihrer Promotion. Gibt es Gelegenheiten, bei denen beide Tätigkeiten ineinandergreifen?
Auf direktem Weg fällen mir keine Gelegenheiten ein, bei der man beide Tätigkeiten zusammenbringen kann. Es hilft aber unheimlich, dass man als Wissenschaftler immer versucht ist, schwierige und komplizierte Sachverhalte klar und deutlich zu erklären. In der Kommunalpolitik ist es nicht anders: Schwierige Sach- und Rechtslagen müssen für jeden nachvollziehbar werden. Manchmal ist beides nicht ganz einfach. Ein weiterer Punkt ist sicherlich auch das Gespür für Zahlen und Daten, das ich bei mir zum ersten Mal an der Universität Erfurt entdeckt habe. In der Kommunalpolitik wie in der Forschung kommt man mittlerweile nicht mehr ohne Datenerhebung und -aufbereitung aus.
Sie sprachen es bereits an: Ihrer Promotion sowie Ihrem Master-Studium an der Uni Bamberg gingen ein Studium in den Fächern Staatswissenschaft und Philosophie an der Universität Erfurt voraus. Eine Kombination, die sich nicht allzu häufig findet. Warum haben Sie sich seinerzeit für diese Studienfächer entschieden und welchen Mehrwert hatte die Verknüpfung beider Fächer für Sie?
Mein Ansinnen war und ist es immer, die Welt in ihrer Ganzheit kennenzulernen. Einen guten Einblick in viele Lehrbereiche sah ich für mich in der Kombination von Staatswissenschaften und Philosophie – was ich bis heute nicht bereue. Sehr hilfreich für mich sind da noch heute die Aufzeichnungen aus der Philosophie-Studium für meine standesamtlichen Trauungen.
… und warum sollte es ausgerechnet ein Studium an der Universität Erfurt sein?
Ich lernte Erfurt als spannende und großartige Stadt kennen. Ich war von der Universität, der Fächerkombination und dem Umfeld begeistert. Und natürlich gab es zu der Zeit meiner Immatrikulation in Bayern auch noch Studiengebühren.
Die Universität Erfurt möchte ihre Studierenden zum selbstwirksamen Handeln ermächtigen. Unsere angehenden Absolventinnen und Absolventen sollen dazu ermutigt werden, aktiv in das Weltgeschehen einzugreifen, um somit dessen Geschicke mitgestalten zu können. Daher die Frage: Inwiefern hat Ihr Studium an der Universität Erfurt Sie zum selbstwirksamen Handeln befähigt? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen – abgesehen von den theoretischen Studieninhalten – hat Ihnen Ihre Studienzeit in Erfurt vermitteln können, die Ihnen heute dabei helfen, Ihrer Tätigkeit als Erster Bürgermeister besser nachzukommen?
Das Studium selbst, das zwar nicht explizit auf die Verwaltungsgesetzgebung ausgelegt war, bot mir viele – auch fächerübergreifende Möglichkeiten –, meinen Wissenshorizont zu erweitern und mein Profil zu schärfen. Daneben waren es die Kontakte, die ich während meines Engagements bei der Hochschulgruppe „impuls“ bekam. Ich lernte so, Sachverhalte von verschiedenen Seiten zu betrachten, mich auch mal tiefergehend mit Fragen zu beschäftigen und kritisch zu reflektieren. Im Detail waren es die anregenden Vorlesungen und Seminare zu heterodoxer Ökonomie oder die Logikveranstaltungen, die mir beibrachten, Argumente geschickt aufzubauen und zu vertreten.
Ganz allgemein: Welche Motive treiben Sie als Politiker, aber auch als Mensch, an?
Als Mensch treibt mich an, dass ich meiner Nachwelt und meinen Kindern eine Welt hinterlassen will, die funktionsfähig ist und auch weiterhin viele Chancen für ein erfülltes Leben bieten kann. Es geht nicht darum, den eignen Nutzen zu maximieren, sondern das Optimum für die Allgemeinheit zu erlangen. Daher auch ein Engagement als junger Mensch in der Kommunalpolitik: Die Auswirkungen meines eigenen Handelns bekomme ich sicherlich noch mit.
Bei den jüngsten bayerischen Kommunalwahlen hat der Titel „jüngster Bürgermeister Deutschlands“ einen neuen Träger gefunden: den 19-jährigen Jura-Studenten Kristan von Waldenfels im bayerischen Lichtenberg. Gibt es einen Ratschlag, den Sie ihm „unter jungen Kollegen“ für dieses Amt gern mit auf den Weg geben würden?
Jung bleiben - körperlich und geistig. Die politischen Widersacher wird man so locker überleben.
Und für die Studierenden der Universität Erfurt? Haben Sie für sie besondere Ratschläge, die Sie Ihnen, sowohl im Hinblick auf ihr Studium als auch den perspektivischen Berufseinstieg, gern an die Hand geben möchten?
Das Leben wartet mich vielen offenen Türen auf. Man muss nur zur passenden Zeit eintreten.