Das Forschungsprojekt untersucht die musikkulturelle Praxis der Komponistin, Sängerin und Pianistin Josephine Lang (1815–1880), die im Lauf ihres Lebens über 300 Klavierlieder sowie Klavierwerke und Chorsätze komponierte, unter Berücksichtigung praxeologischer, raumsoziologischer und netzwerkanalytischer Perspektiven.
Im Fokus steht die Untersuchung und Beschreibung verschiedener musikkultureller Praxisfelder, darunter das Komponieren, das Singen/Aufführen, das Publizieren, das Widmen und das Unterrichten. Damit schließt das Projekt an den Begriff des kulturellen Handelns nach Susanne Rode-Breymann an (Rode-Breymann 2007, 2018) und erweitert diesen im Anschluss an praxeologische Diskurse (vgl. Bebermeier&Unseld 2018). Zentral ist zudem die Frage nach Interdependenzen der genannten Praxisfelder mit den Räumen, in denen Lang wirkte, sowie den Akteur:innen ihres Umfelds.
Die Analyse sozialer Netzwerke und räumlicher Kontexte erweitert den Blick über die Einzelbiografie hinaus und erlaubt Rückschlüsse auf Langs musikkulturelles Umfeld, insbesondere auf die Liedkultur ihrer Heimatstadt München in den 1830er Jahren. Langs künstlerische Praxis dient so als Zugang zur Untersuchung der musikalischen Alltagsgeschichte der Stadt mit besonderem Augenmerk auf die Gattung Lied: In welchen sozialen und räumlichen Kontexten wurden Lieder komponiert, aufgeführt, rezipiert, publiziert, verbreitet und diskursiv verhandelt?
Ein weiterer Fokus des Projekts liegt auf Formen der Visualisierung, sowohl als methodisches Werkzeug als auch als Darstellungsform der Ergebnisse. Neben einer Monographie – der ersten deutschsprachigen über Lang – entsteht eine digitale Kartierung Münchens in Form eines interaktiven historischen Stadtplans. Dieser soll die musikbezogenen Räume mit Langs Wirken und ihrem sozialen Netzwerk verknüpfen und so neue Erkenntnisse über die räumlichen Strukturen musikkultureller Praxisformen ermöglichen. Zudem macht er die Orte von Langs Stimme und Liedern sowie deren Vernetzung mit anderen Akteur:innen des Münchener Musiklebens virtuell erfahrbar.
Das Projekt verbindet einen Beitrag zur Geschichte des Liedes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit sozial- und kulturgeschichtlichen Perspektiven der Musikforschung und eröffnet so neue Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen musikkulturellen Praxisformen, räumlichen Strukturen und sozialen Netzwerken.