Arbeitsteilung bei einer Professurvertretung & Lehre, die den Blick über den Tellerrand wagt: Ein Interview mit Dominique-Marcel Kosack

Personalia
Ein Bild der Villa Martin im Herbst
Dr. Dominique-Marcel Kosack
Dr. Dominique-Marcel Kosack

Lieber Dominique, als Gastwissenschaftler für Dogmatik vertrittst du die Professurinhaberin Julia Knop für drei Jahre anteilig in Forschung und Lehre. Kannst du etwas dazu erzählen, wie dieses Modell funktioniert?

Das ist tatsächlich ein interessantes und auch sehr bereicherndes Modell. Es funktioniert vor allem, indem wir klare Zuständigkeiten haben und uns gleichzeitig eng abstimmen. In der Forschung verfolgen wir jeweils eigene Projekte. Da sind die Arbeitsfelder also eigenständig, auch wenn wir natürlich viel voneinander mitbekommen. 

Für die Lehre der drei Jahre haben Julia Knop und ich die Pflichtveranstaltungen untereinander aufgeteilt. Es steht also langfristig fest, wer für welchen Bereich – sei es Christologie, Ekklesiologie, Prinzipientheologie usw. – verantwortlich ist. Wir haben aber auch wöchentliche Teambesprechungen. Da bringen sich alle im Team der Professur auf den aktuellen Stand und wir klären offene Fragen.

Welche Themen behandelst du dieses Semester in deinen Lehrveranstaltungen? Und gibt es etwas, was dir an der Lehre besonders viel Spaß macht?

Dieses Semester steht ganz unter ökumenischen Vorzeichen. Da ist zum einen die Vorlesung „Ökumenische Theologie“ für fortgeschrittene Studierende. Außerdem biete ich ein Seminar zu evangelikalem und pfingstlichem Christentum an. Das Thema stößt bei Studierenden verschiedener Jahrgänge auf großes Interesse, da es einem in der alltäglichen kirchlichen Praxis immer wieder begegnet und eine theologische Sprachfähigkeit dazu wichtig ist. Spannend ist auch, dass an beiden Veranstaltungen Studierende der evangelischen Theologie aus Jena teilnehmen – vor allem durch die Kooperation für den dortigen Masterstudiengang „Pioneer Ministry“. Das ist für das ökumenische Lernen sehr wertvoll.

In der Lehre ist mir besonders wichtig, nicht nur Vertrautes zu vertiefen und zu unterfüttern, sondern sich auch durch andere Formen von kirchlicher Praxis und theologischer Reflexion herausfordern zu lassen. 

Dazu eignen sich ökumenisch-theologische Veranstaltungen sehr gut. Sowohl für Studierende als auch für mich als Lehrenden kann das anspruchsvoll sein, da es gewohnte Denkmuster durcheinanderbringt. Aber es macht auch Freude, sich auf neue Perspektiven einzulassen – und es hilft, das eigene theologische Denken weiterzuentwickeln.

Im Rahmen deiner Forschung beteiligst du dich unter anderem an dem gemeinsam mit der Paris-Lodron-Universität Salzburg durchgeführten Projekt "Theologie als Hoffnungsforschung? Auswirkungen der Klimakrise auf theologische Reflexion und religiöse Praxis". Worum genau geht es in diesem Projekt?

Sowohl in Religionen als auch im Umgang mit dem Klimawandel geht es oft um „große Erzählungen“, die Hoffnung und Handlungsorientierung bieten. In unserem Projekt untersuchen wir, wie der Klimawandel Hoffnungsnarrative verändert – und zwar an der Schnittstelle von Klimadiskursen, religiöser Praxis und theologischen Konzepten. Welche Hoffnungen leiten Menschen, die sich aus dem christlichen Glauben heraus mit dem Klimawandel auseinandersetzen? Und wie sieht es speziell bei Wissenschaftler:innen aus, die in ihre Forschung mit den Folgen ökologischer Katastrophen konfrontiert sind? Wie beeinflussen sich diese Bereiche gegenseitig? Für diese und weitere Fragen brauchen wir natürlich verschiedene Forschungsstile, die sich in unserem Team ergänzen. Mein eigener Fokus liegt dabei auf der Wechselwirkung zwischen Hoffnungskonzepten, die sich in religiöser Praxis ausmachen lassen, und akademisch-theologischen Modellen.

Mit welchen weiteren Themen beschäftigst du dich im Moment?

Zum einen forsche ich mit einem ökumenischen Interesse zu pfingstlich-charismatischen Bewegungen. Ein Schwerpunkt sind dabei pfingstliche Theologien der Sakramentalität. Das ist spannend, da „sakramentale“ Formen von Glaubenspraxis ja als typisch katholisch gelten. Aber in der Sache finden sie sich auch in der Pfingstbewegung – mit nochmal ganz eigenen Akzenten. 

Außerdem arbeite ich an einer grundlegenden methodologischen Frage, nämlich der Schnittstelle von Dogmatik und religiöser Praxis. Kurz gesagt möchte ich mittels qualitativ-empirischer Methoden theologische Konzepte beschreiben, die in der Praxis impliziert sind, und diese in den Fachdiskurs einspielen. Das klingt erstmal sehr abstrakt – hat aber starke Auswirkungen für die konkrete Forschung. 

Ein Beispiel: In meinen Studien zu Glaubenszeugnissen junger charismatisch-katholischer Menschen zeigt sich, dass für sie religiöse Überzeugungen vor allem anhand punktueller Erfahrungen begründet werden. Das ist den gängigen theologischen Modellen eher fremd – und entsprechend wird ein solcher Erfahrungsbezug oft relativ pauschal zurückgewiesen. Es kann aber auch ein Anstoß sein, systematisch-theologische Modelle weiterzuentwickeln und nochmal neu danach zu fragen, wie Glaube und Erfahrung zusammenhängen.

Neben deiner Arbeit an der Universität Erfurt bist du ehrenamtlicher Vorsitzender des BDKJ-Diözesanverbandes Erfurt. Ist es manchmal schwierig, das alles unter einen Hut zu bekommen oder ist dein ehrenamtliches Engagement auch ein Ausgleich zum Berufsalltag?

Die Vorstandsstätigkeit unterscheidet sich tatsächlich so sehr von meiner Arbeit an der Uni, dass es auch eine Art Ausgleich ist. Die Bereiche der Jugendverbandsarbeit sind vielfältig. Unter anderem nehmen wir die politische Interessenvertretung katholischer Jugendlicher in Thüringen wahr. Mein Schwerpunkt war da zuletzt Mobilität junger Menschen im ländlichen Raum, also nochmal ein ganz anderes Feld. Aber auch bei theologischen Themen ergeben sich hier neue Perspektiven. Zurzeit geht es bei uns viel um Formen der Synodalität in der katholischen Kirche. Das ist ja eigentlich auch ein zentrales Thema der Dogmatik. Wenn wir uns aber im Kontext der Jugendverbandsarbeit damit beschäftigen, werden Erfahrungen und Kriterien wichtig, die in akademischen Diskursen eher untergehen. Zum Beispiel muss Partizipation über lange Zeit mühsam eingeübt werden – das ist übrigens ein wesentlicher Teil der Jugendverbandsarbeit. Theoretische Konzepte können da die konkreten Prozesse in der Praxis unterstützten oder auch orientieren, aber natürlich nicht ersetzen.

Mehr Informationen zu Dominique-Marcel Kosack finden Sie auf der Website der Professur für Dogmatik. 

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