Ein Auslandsaufenthalt während der Corona-Pandemie? Ist das überhaupt möglich? Ja, ist es, sagt Saskia. Sie studiert seit dem Sommersemester 2020 an der Universität Erfurt im Master "Geschichte transkulturell" und war von September 2020 bis Juli diesen Jahres für ein Auslandssemester in Groningen in den Niederlanden. Ihre Zeit dort ist von "Gezelligheid" geprägt und wunderbaren neuen Eindrücken. Wie Saskia ihre Zeit in den Niederländischen erlebt, darüber erzählt sie hier…
Mit dem Rad durch die schöne Innenstadt zu fahren, vorbei an den Booten in den Grachten, verbreitet schon ein wenig Urlaubsgefühl, auch wenn es "nur" der Weg zur Uni ist. Groningen zeichnet sich, für mich, durch seine gute Erreichbarkeit und die vielen kleinen Geschäfte aus. Ähnlich wie in Erfurt gibt es in der Altstadt an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken und nette Cafés und Restaurants, die zum Verweilen einladen. Wer abends noch Energie hat, sollte die Bar- und Clubszene nicht außer Acht lassen. Groningen liegt im Nordosten der Niederlande und bildet die größte Stadt in den nördlichen Niederlanden. Von den mehr als 200.000 Einwohnern sind ca. ein Viertel Studierende, ein Großteil davon ist international. Internationalität ist generell etwas, das die Niederlande gut beschreibt und sich auch in den Sprachkenntnissen widerspiegelt (fast alle Niederländer sprechen sehr gut Englisch). Offen und freundlich wird man empfangen, ganz im Sinne der "Gezelligheid". Die kleinen, aber feinen Niederlande sind dabei super zu bereisen. So sind es mit dem Zug z.B. nur zwei Stunden bis nach Amsterdam. Vielleicht ein Klischee, aber doch auch ein Tipp: Wer im Sommersemester kommt, sollte unbedingt die Tulpenzeit mitnehmen und sich ein paar bunte Blumenfelder anschauen. Von denen gibt es relativ viele in der Umgebung, also am besten mal ein wenig googlen...
Schon im Bachelor wollte ich unbedingt ein Auslandsjahr machen, habe es dann zeitlich nicht geschafft und mir für meinen Master aber fest vorgenommen, dies zu ändern. Die Entscheidung, in die Niederlande zu gehen, kam eher spontan und die Wahl für das Land und die Uni eher zufällig. Feststand, ich wollte mal eine große internationale Universität ausprobieren, die auch vom Lernumfang und -stil eine Herausforderung darstellt. Die RUG ist international sehr gut angesehen und forschungsorientiert. Zudem hatte ich es bisher immer versäumt, mal in die Niederlande zu reisen. Somit bat das Studium dort auch die perfekte Möglichkeit das Land und die Leute kennenzulernen.
Organisation
Mit meiner Entscheidung für die RUG gab es leider gleich zu Beginn ein Problem: Erasmus-Verträge gab es für mein Studienfach nicht. Aber ich hatte Glück - mit Unterstützung der Professur für Antike Kultur wurde das geändert, jetzt gibt es eine solche Erasmus-Kooperation in der Geschichtswissenschaft, die auch zukünftige Studierendengenerationen nutzen können. Während der ganzen Vertragsabwicklung lief der Bewerbungsprozess schon. Und natürlich musste Einiges an Papierkram erledigt werden. Dies beinhaltet eine Bewerbung beim internationalen Büro sowie an der Uni Groningen. Als alles soweit geklärt war, stand im letzten Schritt die Kurswahl an. Hierbei ist Vorsicht geboten, denn das Semester in den Niederlanden verläuft etwas anders: Zunächst einmal wird ein Semester in zwei Blöcke geteilt (I und II). Einige Kurse gehen damit nur ein halbes Semester (Block I oder II), andere wiederum ein ganzes Semester. Für Kurse, die über ein ganzes Semester gehen, kann sich zudem der Wochentag und die Uhrzeit nach dem ersten Block ändern, also ist hier Vorsicht bei der Stundenplanerstellung geboten. Alles in allem verlief der Prozess zwar etwas langatmig (teilweise auch pandemiebedingt), aber war dennoch gut machbar. Bei Fragen sind das internationale Büro in Erfurt und Groningen stets schnell zur Stelle.
Wer sich für eine Sprachkurs interessiert, kann diesen im Angebot den Sprachenzentrums finden, wo sogar Niederländisch für Deutsche angeboten wird, um schneller voranzukommen. Sprachkurse zählen hier aber leider nicht zu den regulären Uni-Kursen und müssen selbst bezahlt werden. Am Ende erhält man ein Zertifikat, das die Stufe und Teilnahme bestätigt. Wer jedoch das Geld lieber anders investieren will, kann das auch tun, denn Niederländisch ist, wie schon gesagt, kein Muss für den Alltag - so gut wieder jeder spricht Englisch und ein Teil sogar Deutsch.
(Uni)Alltag
Als ich in den Niederlanden ankam, war die Corona-Situation recht entspannt, was mich anfänglich sehr verwirrte. Durch meine Einreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln brauchte ich weder in Quarantäne noch musste ich einen Corona-Test machen. In meiner neuen Heimat angekommen, zog ich ins Studentenwohnheim, das voll war mit internationalen Studis, die für einen Austausch oder ein komplettes Studium hergekommen waren. Somit machte ich schnell Bekanntschaften. Durch die entspannte Lage fand fast mein ganzes Wintersemester in Präsenz statt. Dies war etwas, worüber ich in der Pandemie-Situation sehr froh war, denn damit konnte ich meine Mitstudierenden besser kennenlernen, eventuelle Unklarheiten vor Ort mit den Profs klären und die vielen verschiedenen Gebäude und Fakultäten der Uni kennenlernen. Gleichzeitig bestand für fast jeden Studiengang ein Online-Zugang zu den Veranstaltungen, sei es aufgrund der Größe des Kurses, aus gesundheitlichen Erwägungen heraus oder weil nicht jeder einreisen konnte/durfte. Zu Beginn des Wintersemesters habe ich viel Zeit im Forum, der Bibliothek und in der Cafeteria der rechtswissenschaftlichen Fakultät verbracht, um meine Aufgaben zu erledigen und mit Freunden/Mitstudierenden Projekte zu planen. Mit der veränderten Pandemie-Lage war das dann später nicht mehr möglich, aber dank Google Meet etc. lief trotzdem alles weiter.
Die Uni hat sich viel Mühe gegeben, die Lehre so normal wie möglich weiterlaufen zu lassen und Perspektiven für die Zukunft zu geben. So war es uns ab Mai wieder möglich, mit negativen Tests (organisiert durch die RUG) in Präsenz zu gehen, was viele, und mich auch, sehr freute. Mit den staatlichen Lockerungen konnte man den Sommer wirklich genießen, zum Arbeiten und Entspannen in den Stadtpark Noorderplantsoen oder in die Altstadtcafés umziehen, später viele Ausflüge machen, sich mit Leuten treffen - natürlich coronakonform - und die Freizeit genießen.
Das Studieren in den Niederlanden wird sehr ernst genommen, genauso wie das Feiern am Ende eines abgeschlossen Kurses. Wer hier Kurse belegt, muss ein gutes Zeitmanagement haben und gute Englisch-Kenntnisse (Kurse werden in Niederländisch oder Englisch angeboten). Der erste große Unterschied zu Erfurt ist die Anwesenheitspflicht und Noten für Mitarbeit. Wer nicht aktiv dabei ist, bekommt eine schlechtere Note oder darf den Kurs nicht weiter besuchen. Ein weiterer Unterschied liegt in der Art und Anzahl der Leistungen: Anstelle eines Referats und einer abschließenden Hausarbeit (wie ich es gewohnt war) gibt es hier viele Teilleistungen, und das Essay oder die Hausarbeit am Ende zählen zwischen 50 und 70%. Um gut abzuschneiden, heißt es also am Ball bleiben. Auch ist das Notensystem anders geregelt als in Deutschland: Zwar gilt auch hier, man braucht mindestens 60% (bei uns eine 5,5), um zu bestehen, aber es ist fast unmöglich eine 1,0 (hier 10) zu erreichen. Also keine Sorge, wenn es nicht so gut aussieht, denn mit einer 7 seid ihr gut dabei.
Für mich war das Jahr in Groningen sehr bereichernd. Es hat mir besonders inhaltlich viel gebracht, mich manchmal aber auch an meine Grenzen geführt. Nichtsdestotrotz habe ich viele nette Leute kennengelernt und das Land nach und nach für mich entdeckt. Alles nach dem Motto: Niet geschoten, altijd mis! - Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Besonders das tägliche Radfahren ist etwas, das mir ans Herz gewachsen ist, wenngleich ich mich momentan noch nicht im Winter die Erfurter Bergstraße hochfahren sehe. :-)