Geschlossene Campusgebäude, eingeschränkte Bibliotheksöffnungszeiten, verschobener Vorlesungsstart – und keine Ahnung, wann es wieder Richtung Normalität an der Uni gehen wird. So erging es vielen Studierenden im März und April 2020. Auch Johann Heinrich, der Internationale Beziehungen und Religionswissenschaft im fünften Semester an der Universität Erfurt studiert. Mit dem Lockdown im Frühjahr saß er quasi in seinem Heimatort Niesky in Sachsen fest. Schnell erkannte Heinrich, dass seine Hilfe gebraucht wird und er die durch die „Coronaferien“ gewonnene Zeit sinnvoll nutzen kann. Für sein Engagement wurde er nun mit der Annen-Medaille des Sächsischen Sozialministeriums ausgezeichnet.
„Im Prinzip bin ich in Niesky zwischen sozialen Einrichtungen aufgewachsen“, sagt Heinrich. „Das Altenpflegeheim liegt direkt gegenüber und das Betreute Wohnen gleich um die Ecke von meinem Elternhaus. Auch meine Eltern arbeiten beide im sozialen Bereich.“ Da ist es nicht verwunderlich, dass der 22-Jährige eine gewisse soziale Ader hat. Die bewies er bereits nach dem Abitur, als er einen Freiwilligendienst auf der indonesischen Insel Sulawesi bei einer Pfarrersfamilie verbrachte und dort bei der Kinder- und Jugendhilfe unterstützte. Und die bewies er auch nun wieder, als er den sozialen Einrichtungen in seiner Nachbarschaft angesichts der durch die Corona-Pandemie angespannten Lage Anfang des Jahres sofort seine Hilfe anbot. „Ich wusste, dass das Altenheim ein Corona-Hotspot war. Viele Mitarbeiter*innen waren infiziert und sind ausgefallen, die Bewohner*innen – wie auch die meisten des Betreuten Wohnens – gehören zur Risikogruppe. Mir war sofort klar, dass sie jede Unterstützung brauchen können.“ Also nutzte Heinrich kurzerhand seine Zeit, um die fehlenden Kapazitäten dort auszugleichen: Er übernahm Einkäufe, bereitete Frühstück und Abendessen mit zu, stellte Masken her und machte Botenfahrten zu Ärzten. „Anfangs war alles noch ein wenig unkoordiniert, aber durch meine Kontakte konnte ich mir meine Hilfsbausteine wie ein Puzzle quasi selbst zusammenstellen.“ Gerade in der Anfangszeit des Lockdowns war das von unschätzbarem Wert für die Einrichtungen und die darin arbeitenden und lebenden Menschen. Aus diesem Grund wurde er für die Annen-Medaille vorgeschlagen, die sonst eigentlich vor allem für langjähriges ehrenamtliches Engagement vergeben wird. „Das kam für mich total überraschend“, sagt Heinrich, der gemeinsam mit 19 anderen engagierten Bürger*innen am 14. Oktober von der Sächsischen Sozialministerin Petra Köpping persönlich geehrt wurde. Das ist ihm fast schon ein wenig unangenehm: „Ich habe das einfach gern gemacht. Und ich kann gar nicht genug betonen, dass ich diese Auszeichnung stellvertretend für alle entgegengenommen habe, die sich in dieser schweren Zeit engagiert haben.“
Sollte seine Unterstützung erneut gebraucht werden, helfe er wieder gern aus, so Heinrich. Dann allerdings eher in Erfurt, wo sich der Student gerade auf den Vorlesungsstart am 2. November vorbereitet. „In Niesky wurden die Hilfsangebote im Laufe der Zeit immer koordinierter, immer mehr Menschen beteiligten sich. Und in einer zweiten Corona-Welle würde ich nur ungern quer durchs Land reisen. Sollte es also zum nächsten Lockdown kommen, schließe ich mich wahrscheinlich eher einer Erfurter Einkaufshilfe oder einem ähnlichen Hilfsprogramm an.“ Doch jetzt freut sich der Student erst einmal auf das Studium – auch wenn das weiterhin unter Corona-Bedingungen stattfinden wird.