Die Texte des spätmittelalterlichen Predigers Meister Eckhart (1260-1328) sind herausfordernd und intellektuell – und schwer über "das Tanzbein" vermittelbar, weiß Prof. Dr. Mieth von der Meister-Eckhart-Forschungsstelle der Universität Erfurt. Im Studium-Fundamentale-Seminar "Meister Eckhart neu interpretiert" der Universität versuchte der Wissenschaftler gemeinsam mit dem Philosophie-Studenten Maximilian Gutberlet und der Evangelischen Erwachsenenbildung Thüringen dennoch, Eckharts Worte aus der reinen, anspruchsvollen Textebene herauszuholen und niedrigschwellige Formate zu entwickeln, die den tiefgründigen Charakter der "Meisterworte" über Theater, Performance, Rap, Malerei, Grafik und Poetry Slam vermitteln können. Im Rahmen der diesjährigen Meister-Eckhart-Tage werden die Studierenden nun gemeinsam mit Jugendlichen die Ergebnisse dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit Meister Eckhart in der Erfurter Innenstadt präsentieren. Für unseren Blog "Ich mag meine Uni" haben wir mit Maximilian Gutberlet über das Projekt gesprochen…
Meister Eckhart gilt ja als "schwere Kost". Was hat dich so an ihm fasziniert, dass du dich an diesem Projekt und StuFu-Seminar beteiligt hast?
Um ehrlich zu sein, war das ein typischer Fall von "reingerutscht". Ich wusste natürlich, dass am Max-Weber-Kolleg der Uni Erfurt zu Eckhart geforscht wird, aber darüber hinaus wusste ich herzlich wenig über ihn – und so geht es ja vielen Erfurtern. Alles hat mit einem Praktikum bei der Evangelischen Erwachsenenbildung Thüringen angefangen. Deren Erfurter Stadtakademie hat Eckhart als Namenspaten und ist ein Mitglied des hiesigen Meister-Eckhart-Initiativkreises, gemeinsam mit einigen weiteren Einrichtungen wie dem Katholischen Forum, der Predigergemeinde und dem Max-Weber-Kolleg. In einer Planungssitzung zu den Meister-Eckhart-Tagen im Frühjahr 2015 hat sich dann spontan die Idee entwickelt, ein Straßenkunstprojekt zu initiieren, mit dem wir den etwas "angestaubten" Meister in seiner Stadt sichtbarerer machen und auch ein jüngeres Publikum ansprechen wollten. Die Aufgabe fiel dann auf mich und ich war von diesem Format begeistert. Ich habe also begonnen, in die Quellen zu schauen, hauptsächlich in Meister Eckharts deutschen Predigten und Traktate. Ich war erleichtert, dass mich das Ganze auch inhaltlich interessiert, und mittlerweile bin ich völlig fasziniert von der einzigartigen Denkweise Eckharts, vor allem weil er den Mut hatte, wirklich radikale Schlüsse zu ziehen. So spricht er zum Beispiel davon, dass wir uns selbst vernichten müssen, um frei zu sein, oder dass wir selbst Gott sein können. Gerade für seine Zeit ist das bahnbrechend. Ein Seminar im Studium Fundamentale an der Uni hat sich in diesem Kontext also geradezu aufgedrängt und ich konnte auch gleich Dozenten – Professor Dietmar Mieth, Professor Markus Vinzent und Dr. Dr. Jutta Vinzent – dafür gewinnen, was mich überaus gefreut hat.
Wie habt ihr euch im Seminar gemeinsam den Texten Eckharts genähert?
Auch wenn Erfurt eine kleine Uni ist: Wir haben in manchen Gebieten die echten "Speerspitzen" der internationalen Forschung im Haus, und in diesem Fall haben die Professoren einfach Texte mitgebracht, die sie gerade erst als "echt eckhartisch" verifiziert oder übersetzt hatten. Zum Teil waren das noch unveröffentlichte Sachen, das ist schon was! Wir haben viel über die historischen und ideengeschichtlichen Hintergründen erfahren und darüber, wie die Dozenten selbst an die Textarbeit herangegangen sind. Abgerundet wurde das Ganze durch eine historische Stadtführung, einen Besuch in der "Bibliotheca Amploniana", wo wir Handschriften sehen konnten, die als Mitschriften von Eckharts Predigten angefertigt wurden, sowie durch Einblicke in zeitgenössische künstlerische Interpretationen Eckharts.
Ziel der Aktionen ist es ja, "eine Brücke zwischen Wissenschaft, Kunst und Öffentlichkeit" zu schlagen. Inwiefern können die verschiedenen Kunstformen, die ihr erarbeitet habt, das leisten?
Ich habe mich im Projekt darum bemüht, dass alle Kreativen sehr frei in Form und Auswahl der Eckhart-Zitate agieren können. Es soll zwar in jedem Beitrag konkret Bezug auf originale Texte von Eckhart genommen werden, aber was im Einzelnen entsteht, soll auch immer der Persönlichkeit der jeweiligen Künstler entsprechen. Die überwältigende Offenheit für das doch abstrakte Thema und der große Zuspruch von vielen Seiten hätten sich anders wohl auch nicht eingestellt. Ich denke, gerade dadurch, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Thema wirklich aneignen können, erreichen wir das Ziel, Eckhart künstlerisch in die Öffentlichkeit zu bringen. Und die Wissenschaftlichkeit ist dadurch gegeben, dass ich mit meinem akademischen Hintergrund durch das Studium immer auch in die kritischen Editionen schaue und nur "echte" Zitate an die Künstler weitergebe – es kursieren nämlich auch einige falsche. Die Ergebnisse aus dem Studium Fundamentale sind natürlich in besonderer Weise wissenschaftlich unterfüttert, aber auch bei den anderen Teilprojekten bemühe ich mich darum, als erstes Wissen zu Leben und Werk zu vermitteln, bevor es richtig losgeht.
Was war die größte Herausforderung dabei?
Für mich persönlich, ganz klar, alles unter einen Hut zu bekommen: Das Projekt, das Studium und die Arbeit. Wie gesagt, der Zuspruch ist wirklich groß und zum Glück gingen auch die Organisation und Finanzierung einigermaßen leicht von der Hand.
Und was erwartet die Besucher der Erfurter Altstadt am 30. September 2016 nun genau?
Das kann ich selbst noch gar nicht ganz genau sagen. Noch immer kommen jeden Tag neue Künstler und Ideen dazu. Ich werde wohl in der Nacht vom 29. auf den 30. September wenig schlafen und mit Stadtplan, Kuli und Exceltabelle einen detaillierten Plan aufstellen. Das macht das ganze Projekt aber auch so spannend. Auf Facebook kann man die jeweils aktuellsten Entwicklungen verfolgen. Was jetzt aber schon feststeht: Um 16.30 Uhr starten wir auf der Krämerbrücke im Laden "Schmuck und Objekt" mit einer kleinen Präsentation von Schmuckstücken, die Eckharts Weinblütensymbolik aufnehmen. Was es damit auf sich hat, erklärt Professor Mieth vor Ort. Zwischen 17 und 19.30 Uhr empfehle ich, die Augen nach Stencils auf dem Boden offen zu halten, die den Schriftzug "MeisterWorte" zeigen. Die verteilen wir in der gesamten Altstadt und an diesen Orten wird früher oder später was Spannendes passieren, z. B. Rap-Performances, Graffiti-Shows oder Poetry-Duelle. Man wird auch den einen oder anderen Forscher aus dem Max-Weber-Kolleg beim Science Slam sehen können und Meister Eckhart höchstpersönlich haben wir auch irgendwo versteckt… Wem das zu diffus ist, der kann gern zu den festen Programmpunkten in die Predigerkirche kommen. Besonders möchte ich hier auf die Performances und Installationen unserer Studierenden hinweisen, die um 18.30 Uhr starten. Damit eröffnen wir auch gleichzeitig eine kleine aber feine Ausstellung, die auch noch nach den Eckhart-Tagen in der Predigerkirche zu sehen ist. Ach ja: Und wer Lust bekommen hat, selbst mitzumachen, kann sich gern noch melden. Am 24. und 25. gibt es z. B. Workhops für Poetry Slam und Graffiti, aber auch Einzelbeiträge sind gern gesehen.
Foto: Sarah Kraft "Fleisch und Blut sterben miteinander. Das edelste am Menschen ist das Blut, wenn es wohl will - das verdorbenste am Menschen ist das Blut, wenn es übel will. Siegt das (gute) Blut über das Fleisch, dann ist der Mensch demütig und geduldig und rechtschaffen und an ihm sind alle Tugenden. Siegt aber das Fleisch über das Blut, so wird der Mensch hoffärtig und zornig und verbrecherisch und hat alle Laster an sich." (privat)