Sprache ist mehr als Worte

Engagement , On Campus , Vorgestellt , Zwischen Mensa und Hörsaal
Zwei Personen kommunizieren mit Gebärden.

Wer am Gebärdensprachkurs der Universität Erfurt teilnimmt, lernt mit dem Körper Geschichten zu erzählen. Die Grund- und Aufbaukurse sind unter den Studierenden sehr beliebt. Meist gibt es mehr Bewerber*innen als Plätze. Um das Gelernte über den Kurs hinaus zu erweitern und zu üben, trifft sich alle zwei Wochen die Hochschulgruppe Gebärdensprache zu einem Stammtisch.

Es sei schon ein ganz besonderer Kurs, sagt Erik Koppenhagen über den Gebärdensprachkurs vom Sprachenzentrum der Universität Erfurt. „Man kann während des Seminars nicht mitschreiben und sich Aufzeichnungen machen! Wie auch, wenn man mit dem Körper, aber nicht der Stimme spricht?“ Die Gebärdensprache ist eine visuelle und manuelle Kommunikationsform, die von tauben und hörgeschädigten Menschen genutzt wird, um miteinander zu interagieren und Informationen auszutauschen. Sie besteht aus einer Kombination von Handbewegungen, Gesichtsausdrücken und Körperhaltungen, die eine komplexe und ausdrucksstarke Sprache formen. Als eigenständige Sprachen mit eigener Grammatik und Syntax gibt es verschiedene Gebärdensprachen auf der Welt, die sich in ihren Zeichensystemen und regionalen Dialekten unterscheidet.

Die Hochschulgruppe Gebärdensprache an der Universität Erfurt.

Erik studiert im sechsten Semester Kommunikationswissenschaft und Sozialwissenschaften im Bachelor an der Universität Erfurt. Vor einem Jahr bewarb er sich mit einem Motivationsschreiben um einen der begehrten Plätze im Gebärdensprachkurs. Mittlerweile absolvierte er neben dem Grund- auch den Aufbaukurs. Dabei sei es mit der Gebärdensprache wie mit allen anderen Sprachen auch: Der wohl wichtigste Lerntipp ist die regelmäßige Anwendung der Sprache.

Gemeinsam mit Kommiliton*innen gründete er die Hochschulgruppe Gebärdensprache, um bei einem regelmäßigen Stammtisch über die Lehrveranstaltung hinaus neue Gebärden zu lernen, die visuelle Sprache intensiver kennenzulernen und das Bewusstsein für die Gebärdensprache zu schärfen. Neben dem gemeinsamen Üben und Gebärden nähern sie sich in Vorträgen auch der Kultur der Gehörlosen und deren Herausforderungen unter den Hörenden und Sprechenden. Es sei eben eine eigenständige Sprache mit einer eigenen Kultur, eigenen Dialekten und Sprichwörtern. „Neben diesem kulturellen Inklusionsgedanken geht es uns auch darum, die Probleme der Betroffenen zu verstehen“, sagt Erik. Es mache Spaß, auf einem anderen Level zu kommunizieren, sich weiterzubilden und damit anderen helfen zu können. Beispielsweise unterstützen die Studierenden der Hochschulgruppe das Helios Klinikum Erfurt bei Studien mit Gehörlosen und geben den Mitarbeiter*innen Einführungen in die Gebärdensprache. Diese Art der praktischen Übung macht Erik besonders Spaß. Indem sie die Vielfalt der Kommunikation in den Fokus rückt, erzählt Erik, schafft die Hochschulgruppe eine Brücke zwischen Hörenden und Gehörlosen und trägt so zu einem inklusiven und unterstützenden Umfeld bei. Dennoch gebe es innerhalb der Hochschulgruppe keine Verpflichtungen. "Manchmal unterhalten wir uns auch einfach nur oder schauen Filme mit Gebärdenübersetzung."

Die Hochschulgruppe freut sich über weitere Studierende, die den Gebärdensprachkurs erfolgreich abgeschlossen haben und ihre Kenntnisse vertiefen wollen. Die gegenwärtig 15 Mitglieder treffen sich zum Gebärdensprach-Stammtisch mittwochs in der B-Woche um 18 Uhr im Lehrgebäude 1, Raum 124.

Hintergrund

Die Gebärdensprache ermöglicht tauben Menschen, sich frei auszudrücken und aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen. Sie ist nicht nur eine einfache Übersetzung der gesprochenen Sprache, sondern eine komplexe und eigenständige Form der Kommunikation. Sie ermöglicht es tauben Menschen, Gedanken, Emotionen und Ideen zu teilen. Darüber hinaus fördert die Verwendung von Gebärdensprache die Inklusion und Gleichberechtigung tauber Menschen, indem sie ihnen Zugang zu Bildung, Arbeit und anderen sozialen Bereichen ermöglicht. Die Anerkennung der Gebärdensprache als offizielle Sprache in vielen Ländern hat dazu beigetragen, die Rechte tauber Menschen zu stärken. Zudem gibt es auch zunehmend Gebärdensprachdolmetscher, die bei öffentlichen Veranstaltungen, Konferenzen und im Gesundheitswesen eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass taube Menschen Zugang zu Informationen haben. Trotz der Fortschritte im Bereich der Gebärdensprache gibt es noch immer Barrieren und Missverständnisse, die überwunden werden müssen. Eine breitere Akzeptanz und Kenntnis der Gebärdensprache in der Gesellschaft sind erforderlich, um die Kommunikation und Interaktion zwischen hörenden und tauben Menschen zu verbessern.