Projektforum 2022: Fünf Studierendengruppen gehen für den Förderpreis ins Rennen

On Campus , Vorgestellt
Hände in Herzform vor dem Haupteingang der Uni Erfurt

Nach zwei Corona-bedingt rein digitalen Veranstaltungen findet das Projektforum der Erfurter Kommunikationswissenschaft am Samstag, 2. Juli, diesmal als Hybrid-Format - also als Präsenzveranstaltung im Hörsaal 1 des Kommunikations- und Informationszentrums der Uni Erfurt (KIZ) mit Online-Livestream -  statt. Darin präsentieren die Bachelor-Studierenden ihre Abschlussarbeiten vor einer breiten Öffentlichkeit. Im Rahmen der Veranstaltung wird auch in diesem Jahr wieder ein Förderpreis vergeben. Er ist mit 500 Euro dotiert und wird vom Erfurter Verein für Kommunikation und Medien e.V. gestiftet. Fünf Projektgruppen gehen ins Rennen - in unserem Campusblog stellen wir sie einmal näher vor...

Forschungsgruppe True Crime

Forschungsgruppe Faszination (True) Crime: "True Crime: Wie werden Verbrechen, Verbrechensaufklärung und -bekämpfung in deutschen True-Crime-on-Demand-Angeboten dargestellt? Eine formatübergreifende Analyse deutscher True Crime Podcasts, Serien und Printmagazine"

Ziel des Projektes war es, zu untersuchen, wie Verbrechen, Verbrechensaufklärung und -bekämpfung in deutschen True-Crime-on-Demand-Formaten dargestellt werden. Die Studierenden analysierten dabei, inwiefern die mediale Darstellung von Verbrechen in deutschen True-Crime-Podcasts, Serien und Printmagazinen von der kriminalistischen Wirklichkeit abweicht und diese verzerrt abbildet. Sie gingen dabei u.a. der Frage nach, inwiefern deutsche True-Crime-on-Demand-Formate Kultivierungspotenziale besitzen, also inwiefern sie möglicherweise Einschätzungen der Realität von Intensivnutzer*innen beeinflussen können. Die in im Genre "True Crime" verschwimmenden Grenzen zwischen Information über wahre Kriminalfälle und fiktionaler Aufarbeitung machten die Untersuchung besonders spannend.

Ihren Forschungsfragen ging die Gruppe ein halbes Jahr lang in einer standardisierten Inhaltsanalyse der beliebtesten deutschen True-Crime-Podcasts, Serien und Printmagazine nach. In Anknüpfung an frühere Studien und Inhaltsanalysen medialer Kriminalitätsdarstellung untersuchten die Studierenden die Kriminalfall-, Tat- und Akteursebene innerhalb der True-Crime-Beiträge. So stand beispielsweise im Fokus, welches Bild True-Crime-on-Demand-Formate von Tatverdächtigen und Opfern skizzieren. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse wurden anschließend relevanten Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 gegenübergestellt, um Rückschluss auf Realitätsabweichungen zu erhalten.

Im Ergebnis zeigte sich ein verzerrtes Bild der kriminalistischen Wirklichkeit in deutschen True-Crime-on-Demand-Formaten: Neben einer klaren Dominanz von grausamen Verbrechen stach außerdem das Fehlen reliabler Informationsquellen hervor. Insbesondere die stereotype Darstellung der True-Crime-Opfer gilt es nach Ansicht der Forschungsgruppe, kritisch zu beobachten. Die Opfer seien meist weiblich und es werde häufig Gewalt an Kindern und Risikogruppen impliziert. Diese mediale Darstellung weiche jedoch stark von Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik ab. So konstatieren die Studierenden, es sei zu vermuten, dass deutsche True-Crime-on-Demand-Angebote in erster Linie unterhalten und nicht gesellschaftlich aufklären. Die verzerrte Darstellung von Verbrechen, Verbrechensaufklärung und -bekämpfung lasse Kultivierungseffekte vermuten, die in anknüpfenden Studien untersucht werden sollten, um Wirkungen auf Individuum und Gesellschaft zu identifizieren.

Forschungsgruppe ABE

Forschungsgruppe ABE: "Internationale Auslandsberichterstattung über die Bundestagswahl 2021: Eine Momentaufnahme des politischen Deutschlandbildes"

Ziel des Projekts war es, eine Momentaufnahme des politischen Auslandsbildes Deutschlands zu liefern. Durch eine quantitative und in Teilen auch qualitative Betrachtung ausgewählter ausländischer Zeitungsartikel wollte die Forschungsgruppe einen Überblick darüber liefern, wie das politische Deutschland im Zeitraum der Bundestagswahlperiode 2021 in ausländischen Zeitungen dargestellt wurde und welches Bild von Deutschland Medienrezipient*innen in anderen Ländern präsentiert wurde. Die Studierenden untersuchten dafür die Auslandsberichterstattung von jeweils zwei überregionalen Qualitätszeitungen aus Österreich, Spanien, Großbritannien und den USA - und zwar alle Artikel, die zwischen dem 18. Juni 2021 und dem 4. Januar 2022 in den sogenannten Qualitätszeitungen veröffentlicht wurden. Zudem mussten die analysierten Artikel nach festgelegten Kriterien ausreichend deutschlandpolitischen Bezug und/oder Bezug zur Bundestagswahl 2021 aufweisen. Untersucht wurden insgesamt 917 Artikel - vor allem auf häufig vorkommende Themen und Akteur*innen hin. Ergänzt wurde diese quantitative Inhaltsanalyse durch eine qualitative Framing-Analyse. Basierend auf den Ergebnissen der Inhaltsanalyse, wurde zudem die Darstellung von Altkanzlerin Angela Merkel in der Auslandsberichterstattung gesondert betrachtet.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Angela Merkel über alle Länder und Zeitungen hinweg eine durchgängig in der Auslandsberichterstattung häufig thematisierte Figur war. Damit prägt sie sichtlich das in der Bundestagswahlperiode 2021 medial vermittelte politische Deutschlandbild. Daneben war die allgemeine Darstellung Deutschlands in Österreich stark von innenpolitischen Themen in Bezug auf die Wahl geprägt. Spanien, die USA und Großbritannien blickten dagegen stärker auf die außenpolitischen Beziehungen, die sie zu Deutschland führen. So wurde in den untersuchten Artikeln besonders die außenpolitische Stellung innerhalb der EU sowie die starke Position Deutschlands in der Weltwirtschaft betont. Die vertiefende Framing-Analyse konnte zudem zeigen, dass der Altkanzlerin ein überwiegend positiv konnotierter Führungsstil in europäischen und globalen Krisen zugeschrieben wird.

Forschungsgruppe IMD

Forschungsgruppe IMD - influence. media. discourse.: "Intermedia-Agenda-Setting zwischen Online-Journalismus und Sozialen Medien: Die Beeinflussung der Online-Berichterstattung über den Israel-Gaza-Konflikt im Mai 2021 durch deutschsprachige nicht-etablierte Akteure"

Twitter ist eine Plattform, die digitale, öffentliche Diskussionsräume eröffnen kann. In diesem Sozialen Medium werden nicht selten emotionale politische Debatten geführt - so auch im Mai 2021 als der Israel-Gaza-Konflikt erneut eskalierte. Da der Einfluss von Politiker*innen und Nachrichtenportalen bereits erforscht wurde, war es das Ziel der Forschungsgruppe IMD, Intermedia-Agenda-Setting zwischen Online-Journalismus und nicht-etablierten Akteuren auf Twitter zu untersuchen, also die Frage, inwiefern deutschsprachige nicht-etablierte Akteure auf Twitter die deutsche Online-Berichterstattung über den Israel-Gaza-Konflikt im genannten Zeitraum beeinflusst haben. Die Studierenden wollten außerdem wissen, welche Bedingungen die Wahrscheinlichkeit einer Beeinflussung des Online-Journalismus durch Online-Meinungsführer auf Twitter beeinflussen.

Mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse haben sie dafür zunächst Themenfelder in den Tweets und Online-Artikeln erhoben. Das Twitter-Sample bestand dabei aus Tweets nicht-etablierter Akteure, die im Untersuchungszeitraum vom 10.-15.05.2021 veröffentlicht wurden. Das Sample der untersuchten Online-Nachrichtenanbieter beinhaltete alle im selben Zeitraum veröffentlichten Artikel von BILD.de, n-tv.de, FAZ.NET, DER SPIEGEL (online), tagesschau.de, ZEIT ONLINE und Thüringer Allgemeine (online). Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage nutzten die Studierenden qualitative, leitfadengestützten Experteninterviews. Die Interviews wurden mit Journalist*innen aus fünf unterschiedlichen Redaktionen geführt.

Die Ergebnisse der Forschungsgruppe können eine rein einseitige Beeinflussung von Twitter auf die ausgewählten deutschen Online-Nachrichtenanbieter nicht bestätigen. Weder direkte Übernahmen von Miniframes noch ein konstanter indirekter Einfluss von Twitter auf die Berichterstattung über den Konflikt ließen sich statistisch nachweisen. Gleichzeitig, so die Studierenden, sei festzuhalten, dass Beeinflussungen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Themengebieten sowie von unterschiedlichen Nachrichtenmedien variieren. Die Interviews bestätigen zudem, dass nicht-etablierte Akteure auf Twitter im Vergleich zu etablierten Akteuren, insbesondere der politischen Elite, nur eine geringe Rolle innerhalb des Produktionsprozesses von Online-Nachrichten spielen.

Forschungsgruppe IMPFormationssuche

Forschungsgruppe IMPFormationssuche: "Kognitive Dissonanz im Impfkontext: Eine mehrmethodische Untersuchung des Einflusses von kognitiver Dissonanz auf die selektive Mediennutzung in Bezug zur Covid-19-Impfung"

Ziel dieser Studie war es, den Einfluss des Grades an kognitiver Dissonanz auf die Auswahl und Lesedauer von Informationen bezüglich der Covid-19 Impfung zu ermitteln. Kurz: ob und, wenn ja wie,  das individuelle "Störgefühl" beim Lesen von Artikeln und Beiträgen über das Thema Corona-Impfungen die Auswahl der Medien und die Verweildauer im Beitrag beeiflusst. Zudem sollte geprüft werden, ob Auswahl und Lesedauer sinnvolle Indikatoren sind, um eben diese kognitive Dissonanz zu messen. Darüber hinaus wollten die Studierenden untersuchen, wie unterschiedliche inhaltliche Faktoren den Dissonanzgrad beeinflussen.

Der methodische Schwerpunkt der Studie bestand dabei aus einem quantitativen Online-Fragebogen, in den eine verdecke Verhaltensbeobachtung integriert war. Den insgesamt 510 Teilnehmenden wurde ein für diese Studie erstelltes fiktives Online-Magazin gezeigt. Dieses bestand aus zehn Texten, die thematisch auf vier der Faktoren ausgerichtet waren. Jeweils zwei Artikel enthielten gegensätzliche Sichtweisen zu einem dieser Faktoren. Mithilfe einer Software wurde nun aufgezeichnet, wie die Teilnehmer*innen die Inhalte auswählten und wie lange sie beim Lesen "am Ball blieben". In einem weiteren Schritt führten die Studierenden qualitative Experteninterviews, deren Ergebnisse sie anschließend mit denen des quantitativen Erhebungsteils verglichen.

Im Ergebnis zeigte sich, dass ein Zusammenhang zwischen der direkt gemessenen kognitiven Dissonanz sowie der Auswahl zu existieren scheint. Eine Korrelation zwischen der direkten kognitiven Dissonanz und der Lesedauer besteht dagegen nur teilweise. Zudem weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Auswahl und Lesedauer keine validen Faktoren darstellen, um den Grad an kognitiver Dissonanz zu messen. Darüber hinaus zeigte sich innerhalb dre Untersuchung kein einheitlicher Einfluss der individuellen Einstellungen auf Auswahl und Lesedauer. Eine mögliche Ursache ist nach Ansicht der Forschungsgruppe, dass das Auslösen von kognitiver Dissonanz nur in Teilen erfolgreich war, wie auch der Treatment-Check zeigte. Zudem konnten weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Relevanz der verschiedenen Faktoren generiert werden, die auch mit den Aussagen der befragten Expert*innen übereinstimmen.

Forschungsgruppe LGBTV

Forschungsgruppe LGBTV: "Die Darstellung sexueller Orientierungen in unterhaltenden Fernsehformaten im deutschsprachigen Raum - eine Untersuchung der zeitlichen Entwicklung am Beispiel der Daily Soap Gute Zeiten, Schlechte Zeiten"

Zwar haben neue Gesetze und Regelungen in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, das Leben nicht-heterosexueller Menschen in Deutschland zu verbessern. Dennoch ist die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten weiterhin verbreitet, ihrer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit deutlich geringer als die heterosexueller Menschen. Das macht es gerade Heranwachsenden manchmal schwer, ihre sexuelle Identität zu finden und zu leben. Massenmedien können diesen Prozess jedoch positiv beeinflussen und sogar Identifikationspotenzial bieten, so die Annahme der Forschungsgruppe LGBTV - und zwar durch eine hohe Sichtbarkeit und angemessene Darstellung nicht-heterosexueller Figuren. Vor diesem Hintergrund untersuchten die Studierenden im Rahmen der Projektstudienphase die Quantität und Qualität der Darstellung nicht-heterosexueller Orientierungen in der seit 1992 ausgestrahlte und von Jugendlichen vielfach rezipierte Daily Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (GZSZ) im zeitlichen Verlauf.

Um die Forschungsfrage zu beantworten, wie sich darin die Darstellung nicht-heterosexueller Orientierungen entwickelt hat, führte die Gruppe eine zweistufige Inhaltsanalyse durch: Eine erste quantitative Erhebung anhand einer Stichprobe von 152 Folgen ermittelte dabei die Häufigkeit des Auftretens nicht-heterosexueller Figuren. Auch ihre Gespräche mit nicht-heterosexuellem Bezug und nicht-heterosexuellen romantischen/sexuellen Handlungen sowie die zeitliche Länge dieser Gespräche und Handlungen wurden untersucht. Eine anschließende vertiefende Inhaltsanalyse sollte dann Auskunft darüber geben, wie die im ersten Untersuchungsschritt identifizierten nicht-heterosexuellen Figuren von anderen Seriencharakteren akzeptiert wurden. Dabei zeigte sich, dass es im Verlauf der vergangenen 30 Jahre, in denen die Serie GZSZ ausgestrahlt wurde, drei zentrale Phasen des Auftretens nicht-heterosexueller Figuren gab. Die Sichtbarkeit nicht-heterosexueller Orientierungen war dabei also über den gesamten Verlauf gegeben. Diese Serienfiguren zeichneten sich aber auch durch zahlreiche andere charakterliche Merkmalen aus, ihre sexuelle Orientierung stand dabei nicht im Fokus. Auch die Akzeptanz der Figuren sein nahezu vollständig gegeben. Gleichwohl, so befand das Forschungsteam, hat die Darstellung der Personen im Hinblick auf Vielfalt nach wie vor "Luft nach oben".

Mehr Details zu den Untersuchungen der Studierenden in der Projektstudienphase, zu den Betreuerinnen und Betreuern sowie Projektpartner*innen finden Sie in unserer Broschüre. Nun heißt es erst einmal Daumen drücken, denn nur eine der fünf Gruppen kann den Förderpreis gewinnen. Obwohl: Gewinner sind sie ja eigentlich jetzt schon alle...

Projektstudienphase

Die im Projektforum präsentierten Arbeiten entstanden im Rahmen der „Projektstudienphase“, einem einzigartigen Konzept im deutschen Lehrbetrieb: Über den Zeitraum von einem Jahr wenden Studierende dabei in kleinen Gruppen ihr im Studium erworbenes Wissen zur Lösung von realen oder realitätsnahen Problemstellungen innerhalb der Kommunikationswissenschaft an. Projektpartner sind dabei Medien- und Wirtschaftsunternehmen sowie öffentliche Institutionen und Organisationen.

Website des Projektforums

Programm des Projektforums 2022

Broschüre zum Projektforum 2022

Erfurter Verein für Kommunikation und Medien e.V.

Dem Livestream können Sie am Veranstaltungstag ab 13.45 Uhr mit einem Klick auf den folgenden Link beitreten: https://uni-erfurt.webex.com/meet/philfak.kw. Das Webex-Meeting können Sie dann über Ihren Browser verfolgen oder eine App für Ihren Computer oder Ihr mobiles Gerät nutzen (https://www.webex.com/de/downloads.html).