„Ich hatte nicht die typisch geradlinige Laufbahn“, erzählt Magdalena Gronau, Postdoc-Fellow an der Philosophischen Fakultät der Uni Erfurt. Betrachtet man die Themen, mit denen sie sich in ihrer bisherigen wissenschaftlichen Laufbahn beschäftigt hat, versteht man, worauf sie anspielt. Wirft man jedoch einen Blick auf ihre kontinuierlichen herausragenden Leistungen, für die sie bereits mehrfach ausgezeichnet wurde – angefangen beim „Einsnuller-Abi“ – lässt sich durchaus eine Geradlinigkeit erkennen. Auch heute darf sie wieder eine Auszeichnung entgegennehmen: Für ihr gemeinsames Forschungsprojekt erhalten sie und ihr Mann Martin Gronau, ebenfalls Stipendiat der Uni Erfurt (Professur für Wissenschaftsgeschichte), den renommierten Bader-Preis für die Geschichte der Naturwissenschaften 2017 der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Für „Ich mag meine Uni“ Grund genug, die junge Wissenschaftlerin einmal vorzustellen…
Magdalena Gronau studierte zunächst Chemie an der Universität Innsbruck und begann anschließend – mittlerweile als Doktorandin der Chemie – Deutsche Philologie zu studieren. Ein auf dem ersten Blick drastischer Wechsel: „Bereits in der Schule habe ich mich sowohl für Literatur als auch für Chemie interessiert. Aufgrund der womöglich besseren beruflichen Chancen habe ich mich schließlich für Chemie entschieden. Während meiner Diplomarbeit merkte ich jedoch, dass ich mir die Tätigkeit im Labor nicht für mein ganzes Leben vorstellen kann. Also entschied ich, mal in die Germanistik ‚reinzuschnuppern‘. Dies gefiel mir so gut, dass ich das Studium Deutsche Philologie aufnahm, aber meine Dissertation nebenbei noch zu Ende brachte.“ Und das mit Erfolg: Für ihre Doktorarbeit, in der sie einer seit Jahren unbeantworteten Frage zur Aktivität von Goldpartikeln nachging, bekam sie 2012 den Sosnovsky-Preis der Universität Innsbruck. Ihre zweite Dissertation, diesmal im Bereich Literatur- und Kulturwissenschaft, zum Thema „Das ‚zweite Leben‘ Erwin Chargaffs – Kritische Essayistik zwischen den Two Cultures“ sollte sogar ein noch größerer Erfolg werden: 2016 wurde Gronau unter der Schirmherrschaft des österreichischen Bundespräsidenten promoviert und erhielt vor Kurzem den Literaturpreis der Universität Innsbruck. Bemerkenswert daran: In der Arbeit gelang es ihr, die zwei – zunächst unterschiedlich wirkenden – Fachrichtungen zu vereinen: Erwin Chargaff war ein Biochemiker, der sich nach seiner wissenschaftlichen Karriere in Essays kritisch mit seiner eigenen Disziplin auseinandersetzte. „Tatsächlich ist es mittlerweile etabliert, sich mit den Wechselwirkungen der zwei Bereiche auseinanderzusetzen. ‚Literatur und Wissen‘ ist ein eigener, recht großer Forschungszweig“, erklärt Magdalena Gronau. Zu ihren weiteren Forschungsinteressen zählen zudem die Literatur- und Wissensgeschichte des 19 und 20. Jahrhunderts, Wissenschafts- und Kulturkritik, Literatur und Journalismus sowie die Gattungstheorie und -geschichte nichtfiktionaler Prosa.
Über Stationen im Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien (wo sie übrigens ihren Mann Martin Gronau kennenlernte), dem Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung sowie der McGill University in Montréal kam sie 2016 nach Erfurt. „Das hier ausgeschriebene Postdoc-Stipendium bietet mir die Gelegenheit, mich nach der Dissertation mit einem eigenen Projekt auf meine wissenschaftliche Karriere vorzubereiten. Das ist eine entscheidende Phase, in der viele aus der Wissenschaft aussteigen. Die Uni Erfurt gibt also gewissermaßen ‚Starthilfe‘.“ So arbeitet Magdalena Gronau derzeit an zwei unterschiedlichen Projekten, die sich jeweils aus kultur- und literaturwissenschaftlicher bzw. wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive mit der Quantentheorie befassen. Bei einem davon handelt es sich um das gemeinsame Projekt mit ihrem Mann zum Thema „Die Philologie der Physiker. Zur humanistischen Inspirationsgeschichte der Quantentheorie“, das heute mit dem Bader-Preis ausgezeichnet wird. In dem anderen Projekt, das unter dem Arbeitstitel „Verwaschene Physik und wacklige Bilder läuft, nimmt die junge Wissenschaftlerin Verhandlungen von Unschärfe in den Schriften bedeutender Quantenphysiker in den Blick.
In so jungen Jahren hat die gebürtige Tirolerin also eine überaus beachtliche Karriere hingelegt. Was sie dabei antreibt? „Das Dasein als Wissenschaftlerin erlebe ich zum einen als sehr interessant und bereichernd. Zum anderen bin ich dadurch schon viel herumgekommen und lerne immer wieder dazu. Und ich weiß es sehr zu schätzen, dass wir als Familie ohne pendeln zu müssen unseren Forschungsinteressen nachgehen können“, erzählt Magdalena Gronau auch mit Hinblick auf den 17 Monate alten Sohn. „Zum Glück gibt es auf dem Uni-Campus die ‚Räuberhöhle‘ – das ist ein tolles Betreuungsangebot, ohne das für uns alles deutlich komplizierter wäre.“ Allgemein scheint sich die Familie in Erfurt wohlzufühlen: „Mein Mann war schon vorher begeistert von der Stadt und auch ich fand Erfurt mit den vielen Fachwerkhäusern gleich sehr hübsch. Und an der Uni mag ich die Größe – die macht es möglich, schnell Kollegen kennenzulernen.“ Ob es schon Pläne für die Zukunft gibt und wo ihre Karriere sie im Idealfall hinführen soll? „Ich glaube, dass es mit Kind sinnvoller ist, erst mal in kleinen Schritten zu denken. Jedoch könnte ich mir auch für die Zukunft durchaus vorstellen, meine wissenschaftliche Karriere weiterhin auszubauen, vielleicht sogar inklusive Habilitation und Professur.“
Foto: Copyright Martin Gronau