Mit EdTech gegen ungleiche Bildungsversorgung

Ausgezeichnet , Engagement , Off Campus
Titelbild Beitrag Priscilla Appiah

„Ich hatte das Glück, zur richtigen Zeit stets die richtigen Menschen um mich herum zu haben“, sagt Priscilla Boatemaa Appiah voller Dankbarkeit. „Menschen, die mich in wichtigen Phasen meines Lebens unterstützten, mich motivierten oder mir Möglichkeiten aufzeigten, meine Träume verwirklichen zu können.“ Einer dieser Träume ist es, die Stigmatisierung und systemische Ausgrenzung von lernbehinderten Kindern in Ghana zu durchbrechen. Dafür hat die Studentin der Willy Brandt School of Public Policy der Uni Erfurt das Projekt EdTech for Special Learning Needs gegründet, für das sie bereits mit dem Commitment Award der Brandt School und der Engagementpreis Stiftung sowie mit dem Social Impact Award Germany ausgezeichnet wurde. Für unseren Campusleben-Blog „Ich mag meine Uni“ haben wir mit der Jungunternehmerin über ihr Studium und das Projekt gesprochen.

Die Motivation und das Bedürfnis, an gesellschaftsrelevanten Problemlösungen und Entscheidungen mitwirken zu wollen, kamen Priscilla Appiah bereits in ihrem ersten Studium in Ghana. Dort studierte sie zunächst Soziale Arbeit und Wirtschaftswissenschaften bevor sie sich in einem Aufbaustudium der Politikanalyse widmete. Ein Thema, das sie dabei immer begleitete, war soziale Gerechtigkeit und die Frage, wie Bildung dazu beitragen kann, die Gesellschaft gerechter zu gestalten. Diese Frage wurde für sie umso dringlicher, als sie in verschiedenen gemeinnützigen Organisationen im Bildungsbereich Praxiserfahrungen sammelte und dadurch noch einmal verstärkt auf die Bildungsungleichheit in Afrika aufmerksam wurde. „Ich habe gemerkt, wie nahe mir das Schicksal der Schwachen, Ausgegrenzten und Stimmlosen geht und wie sehr dieses unter anderem durch die ungleiche Bildungsversorgung in Afrika geprägt wird. Dieses Bewusstsein wurde mein Antrieb, Antworten auf meine Fragen sowie Lösungen für die bestehenden Probleme zu finden“, erinnert sich Priscilla. „Systemische Ausgrenzung ist für verschiedene Teile der Bevölkerung Realität, und das muss korrigiert werden! Ich glaube, dass gute Bildung vielen eine Chance eröffnen kann, ein nachhaltigeres Leben zu führen und den Kreislauf der Armut zu durchbrechen.“

... als Social Entrepreneurin zu reifen."

Mit dieser Überzeugung tüftelte sie bereits seit 2018 im Rahmen ihrer Tätigkeit für ein Bildungstechnologie-Start Up an einer Lösung für das Problem der Ausgrenzung lernbehinderter Kinder in der Schule. Das Ergebnis war das Projekt EdTech, das sie seitdem vehement verfolgt – und für dessen Realisierung sie sich auch die nötigen theoretischen und praxisorientierten Kenntnisse in Bezug auf Politikprozesse aneignen wollte. Gemeinsam mit ihrem Mentor an der Kwame Nkrumah University of Science and Technology, Prof. Daniel Inkoom, suchte sie deshalb nach einem Studiengang, der ihr diese Fähigkeiten im Bereich Public Policy vermitteln und sie auf eine Rolle als soziale Unternehmerin vorbereiten könne. Unter den Einrichtungen in Deutschland, die einen Master of Public Policy anbieten, stach für sie dabei die Brandt School der Uni Erfurt mit ihren verschiedenen Spezialisierungsmöglichkeiten besonders heraus. Sie bewarb sich und wurde mit einem Vollstipendium des DAAD im Rahmen des Helmut-Schmidt-Programms aufgenommen – und wurde nicht enttäuscht. „Ich habe im letzten Jahr so viel dazugelernt: Kurse im sozialen Unternehmertum, in strategischem Management, in der Gestaltung humanitärer Hilfe, in öffentlicher Verwaltung und in Finanzen. Dazu kommt der wertvolle Austausch mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen.“ Das Gelernte und das Teilen von Erfahrungen und Wissen mit anderen jungen Sozialunternehmern helfen ihr, EdTech weiterzuentwickeln und zu realisieren sowie als Social Entrepreneurin zu reifen. Und mit den Preisgeldern des Commitment Awards und des Social Impact Awards als Startkapital konnte sie nun endlich auch in die praktische Umsetzung ihres Vorhabens gehen: Ihr Team in Ghana organisiert derzeit Fokusgruppendiskussionen in den lokalen Gemeinden, um falsche Vorstellungen über Lernbehinderungen und Vorurteile gegenüber lernbehinderten Kindern abzubauen sowie Eltern und Betreuer*innen über ihre Rolle bei der ganzheitlichen Entwicklung von Kindern mit besonderen Lernbedürfnissen aufzuklären.

dass manches Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann."

Die erste Projektphase ist gut angelaufen. Parallel dazu müssen jedoch bereits neue Ressourcen akquiriert werden, damit das Projekt Anfang 2023 in die zweite Phase starten kann. Denn dann sollen ausgewählte Sonderschulen in Ghana mit dem EdTech-Toolkit ausgestattet und dieses so in der Praxis erprobt werden. „Wir sind auf jede Spende angewiesen, denn eine der größten Herausforderungen des Projektes ist seine Finanzierung: von der technischen Ausstattung – wir benötigen 200 Kindertabletts und 12 Laptops – über die logistischen Anforderungen bis hin zu einem Büro, das wir dringend als Anlaufstelle und Arbeitsort für das Team brauchen.“ Auch wenn Priscilla Boatemaa Appiah betont, dass sie gern „ihre eigenen Werkzeuge schnitzt“, um Veränderungen zu bewirken, weiß sie, dass manches Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann. Eine funktionierende Lösung für die Bildung von Kindern mit Lernschwierigkeiten zu etablieren und damit zur Bildungsgerechtigkeit und insgesamt zu einer sozial gerechteren Gesellschaft beizutragen, ist so eines.

4 Fragen an: Priscilla Boatemaa Appiah

Was ist deine Vision?

Mein Projekt EdTech zielt darauf ab, die Bildungschancen von Kindern mit Lernschwierigkeiten zu verbessern, und es ist Teil einer größeren Vision, nämlich der Vision meiner NGO Education 360 – eine Drehscheibe für die Lösung von Problemen der Bildungssysteme in Afrika. Ich betrachte alle Institutionen, die sich für die Erreichung der Sustainable Development Goals Nr.4 (nachhaltige Bildung) und Nr. 10 (Abbau von Ungleichheit) der UN Generalversammlung einsetzen.

Was kann unsere Gesellschaft voranbringen?

Mentoring ist sehr wichtig, um nicht nur Talente, sondern auch Ideen zu finden und zu formen – es sollte ein Teil der Kultur und des breiteren Organisationsethos sein, insbesondere in akademischen Einrichtungen. Ich bin überzeugt, dass gutes Mentoring ein schneller Weg zu gesellschaftlichem Fortschritt sein kann. Und schließlich sollten wir “unsere Flammen nutzen, um die Kerzen der anderen anzuzünden” –  das macht doch alle Räume ein wenig heller.

Welchen Rat hast du für andere junge Gründer*innen?

Ich würde sagen, wenn ihr eine Idee habt, dann probiert sie aus – und riskiert ruhig, zu scheitern. Nur wenn man sich traut, die Grenzen der eigenen Überzeugungen zu überschreiten und seine Ideen in der Realität zu testen, wird man lernen, was funktioniert, was nicht und in welchem Kontext. Auf diesem Weg ist die Fähigkeit, bei Bedarf um Hilfe zu bitten, sich einzugestehen, dass man nicht weiterkommt oder wenn das Gefühl hat, festzustecken, um Hilfe zu bitten, von entscheidender Bedeutung. 

Was motiviert dich?

Mich motiviert das Zitat des Theologen Edward Everett Hale: „Ich bin nur einer, aber ich bin trotzdem einer, ich kann nicht alles tun, aber ich kann etwas tun, und weil ich nicht alles tun kann, werde ich mich nicht weigern, das zu tun, was ich tun kann“.

Ihr wollt wissen, wie Priscilla die "Jury" für den Publikumspreis beim Social Impact Award Germany überzeugt hat? Hier gehts zu ihrem Bewerbungsvideo:

Porträt Priscilla Appiah

Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie in der Google Datenschutzerklärung.

Ihr habt Fragen oder möchtet Priscilla kontaktieren? Dann schreibt ihr gern eine Mail an:

priscilla.appiah@uni-erfurt.de

Abbildungen:
Priscilla Boatemaa Appiah (privat)
Edward Everett Hale (Public domain, via Wikimedia Commons, https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Everett_Hale#/media/Datei:Edward_Everett_Hale_cph.3b03121.jpg)