Hach, es klingt nach Torte, Kaffeehaus, Zeit zum Flanieren – irgendwie „gemütlich“, wenn er in seinem Wiener Dialekt spricht. Dabei ist das, was er macht, alles andere als das, nämlich Leistungssport – mit vollem Körpereinsatz, Ehrgeiz, großen Zielen. Und „nebenbei“ auch noch das Studium der „Sport- und Bewegungspädagogik“ an der Uni Erfurt – in Vollzeit. Hubert Hager ist ein Energiebündel. Nicht selbstverständlich – wenn man seine Geschichte kennt. Grund genug, den gebürtigen Wiener hier, in unserem Campusblog, einmal genauer vorzustellen…
Als er zehn Jahre alt war, änderte sich das Leben von Hubert Hager entscheidend: Er war gerade mit seinen Schulkameraden auf Klassenfahrt, als plötzlich ein Auto in die Gruppe raste und ihn gegen eine Wand presste. Ein halbes Jahr lag er im Koma – sein Bein konnten die Ärzte nicht retten. Seither ist er rechtsseitig oberschenkelamputiert. Für den heute 22-Jährigen trotzdem kein Grund, mit sich und dem Leben zu hadern. „Rückwirkend betrachtet, ist das – so schlimm es damals war – für mich eine Chance gewesen“, sagt Hager. Fußballprofi sei er zwar nicht geworden, dafür aber Rollstuhlbasketballer. Einer, der inzwischen seinen Lebensunterhalt mit dem Sport bestreitet. „Das ist ja nicht jedem vergönnt, dass er sein Hobby zum Beruf machen kann“, sagt Hubert Hager. Und ganz wichtig: Durch den Sport habe er auch wunderbare Menschen kennengelernt – zum Beispiel 2016 im Jugendcamp der Paralympics in Rio de Janeiro.
Wenn man ihn so reden hört, dann scheint das alles „ganz normal“ für den 22-Jährigen. Ganz schön bescheiden, wenn man bedenkt, dass er mit seinem Team, den „Thuringia Bulls“, in der 1. Bundesliga unterwegs ist und damit zweifacher Deutscher Meister 2019/20 sowie 2020/21, Pokalsieger und Championsleague-Vizemeister. Darüber hinaus ist Hager Kaderathlet der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft von Österreich, in die er 2016 berufen wurde, war Behindertensportler des Jahres 2019 der Stadt Wien sowie 2017 und 2018 Wiener Landesmeister im 60-Meter- und 100-Meter-Rollstuhlsprint. 2020 holte er den Landesmeistertitel im 100-Meter-Sprint und mit dem österreichischen Nationalteam die ECMB Europameisterschaft im Juni dieses Jahres. Was 2012 als Hobby bei den „ABSV Lofic Dolphins Wien“ begann – da war er bereits 16 Jahre alt, – ist nach Stationen in Ulm und München heute eine „ausgewachsene“ Sportkarriere. Und was für eine! Für Manchen wäre das allein lebensfüllend, Hubert Hager aber findet auch noch Zeit für sein Studium, das er 2020 an der Uni Erfurt begonnen hat.
Und dabei „besticht er nach meiner Beobachtung durch überdurchschnittliche Leistungen – nicht nur im Studium, sondern auch außerhalb der Universität“, sagt sein Professor Arno Müller, der Hagers großes Engagement betont und ihn nicht zuletzt deshalb in diesem Jahr für den DAAD-Preis für herausragende internationale Studierende vorgeschlagen hat. Hubert Hager könne „durch seine Expertise aus dem Leistungssport, aber auch durch seine hohe soziale Kompetenz seine Kommilitonen nicht nur unterstützen, sondern vor allem auch motivieren. Er ist in vielfacher Hinsicht ein Vorbild“, lobt ihn Müller.
Wie er das alles schafft? „Vor allem durch viel Unterstützung und Verständnis vom Verein, falls zum Beispiel mal ein Blockseminar ansteht und ich nicht jeden Tag ins Training kommen kann. Organisation ist hier alles“, sagt Hager. „Grundsätzlich ist mein Tag so gut wie immer strukturiert und geplant, wobei asynchrone Vorlesungen natürlich sehr hilfreich sind, die zwischen den Trainingseinheiten immer gut Platz finden. Dann versuche ich auch wirklich jede Minute auszunutzen, um so viele Vorlesungen wie möglich zu schaffen und mir ein bisschen Luft für andere Dinge zu verschaffen. Und natürlich gibt es für mich auch einen Nachteilsausgleich, zum Beispiel schon im Geräteturnen oder in der Leichtathletik. Weil es mir zum Beispiel nicht möglich ist, den Cooper-Test in Leichtathletik laufend zu absolvieren, durfte ich diesen mit dem Sportrollstuhl durchführen und zusätzlich wurden die Zeiten an meine vorherigen Leistungen angepasst.“ Aber so sei der Sport an der Uni gleich eine weitere Möglichkeit, eine kleine Trainingseinheit einzulegen.
„Mit am bissel Ehrgeiz, kann man alles erreichen“, „wienert“ Hubert Hager und lacht. Und seine Geschichte scheint ihn darin ja zu bestätigen. „Im Studium wie beim Basketball gilt: Du musst die Übersicht auf dem Spielfeld behalten. Das muss man üben, klar, aber wenn man’s erst einmal raus hat, dann läufts.“
Foto: Franziska Möller (Thuringia Bulls)