Deutschland ist im „Pokémon Go“-Fieber. Einen Eindruck davon kann man am Samstag in der Erfurter Innenstadt bekommen – dann nämlich wollen mehr als 500 Menschen mit ihren Smartphones gemeinsam auf die Jagd nach den kleinen virtuellen Monstern gehen. Auch Hannah Schneider wird dabei sein. Die Studentin der Uni Erfurt ist schon seit einiger Zeit als „Monsterjägerin“ unterwegs. Wir haben mit ihr über den neuen Hype gesprochen…
Wann und wo hast du dich mit dem „Pokemon-Fieber“ infiziert?
Die App zielt ja genau auf meine Generation, die Leute, die in den 90er-Jahren die Serie geschaut, die Spiele auf dem Gameboy oder später auf dem Nintendo DS gespielt und die Sammelkarten gekauft haben. Bei uns zuhause gab es allerdings weder einen Gameboy noch japanische Serien – ich bin vollkommen ohne Pokémon aufgewachsen. Mein Freund, der auch hier studiert, ist das komplette Gegenteil. Keine Ahnung, wie viele Spielstunden er auf dem Nintendo mittlerweile zusammen hat. Als die App dann Anfang Juli zuerst in Neuseeland rauskam, konnte man sie über einen Umweg auch schon in Deutschland downloaden. Wir waren an der Uni, als er die App gestartet hat. Direkt vor dem Verwaltungsgebäude ist ein sogenannter „Pokéstop“, an dem man Pokébälle und andere Items bekommt, die man benötigt, um Pokémon zu fangen. Die App funktioniert per GPS und „beamt“ die Pokémon mithilfe der Handykamera in die reale Umwelt. Also sind wir über den Campus gelaufen und haben schließlich vor dem Audimax ein Taubsi gefangen. Ich habe zwar keine emotionale Bindung an das Spiel bzw. die Welt, die dahintersteht – aber das Finden und Fangen von mal mehr, mal weniger putzigen Tierchen hat mich dann doch infiziert.
Was macht für dich den Reiz aus?
Ich bin quasi ein „Quereinsteiger“. Die meisten anderen Spieler (zumindest in meinem Alter) verbinden damit ja wahrscheinlich ein Stück ihrer Kindheit. Die Trailer zur App zeigten auch nur Leute meiner Generation, es wurde nicht als Kinderspiel beworben, obwohl es jetzt natürlich auch Jüngere spielen. Ich finde die Sache aus mehreren Gründen spannend: Zum einen habe ich mich in meiner Bachelor-Arbeit mit Virtual Reality beschäftigt. Das Prinzip der App beruht auf einer Art der Augmented Reality, die tatsächliche Realität wird also durch mediengenerierte Objekte „erweitert“. Die Pokémon tauchen zufällig in meiner tatsächlichen Umgebung auf und wenn ich sie fangen möchte, sehe ich sie auf dem Handydisplay in meiner realen Umgebung sitzen. Dadurch entstehen auch schon mal lustige Situationen – das Internet ist mittlerweile voll von witzigen Screenshots, wo Pokémon überall auftauchen. Damit ist die App ein erster Vorgeschmack auf das, was demnächst technisch möglich ist (Stichwort Google Glasses etc.). Zum Zweiten ist das Prinzip natürlich denkbar einfach: „Gotta catch'em all!“. Es gibt eine bestimmte Anzahl an verschiedenen Pokémon und man will natürlich alle sammeln. Dazu muss man jetzt nicht mehr auf einen Gameboy starren, sondern sich tatsächlich bewegen – ich habe erst 20 Kilometer und auch erst 40 verschiedene Pokémon, mein Freund ist allerdings schon 120 Kilometer gelaufen und hat rund 80 verschiedene Tierchen. Zum Dritten ist es, obwohl jeder zunächst auf sein eigenes Smartphone schaut, unglaublich sozial. Man trifft sich an Pokéstops oder auf der Jagd nach dem nächsten besonders tollen Pokémon und unterhält sich dann natürlich. Manche zuvor völlig fremde Menschen laufen dann stundenlang zusammen durch die Stadt.
Du hast also auch schon nette Begegnungen mit anderen Pokemon-Jägern gehabt?
Da ich selbst nicht ganz so versiert auf der „Jagd“ bin, treffe ich auch nicht so viele Leute. Allerdings waren wir neulich im Stadtpark, weil dort zwei Lockmodule gezündet wurden (die locken 30 Minuten lang Pokémon zu einem Pokéstop und jeder, der in der Nähe ist, profitiert davon) und haben einfach super viele Leute getroffen, die auch dort rumsaßen. Man erkennt die Pokémon-Trainer auch direkt: Sie haben meistens eine Powerbank dabei, um das Handy zu laden, denn das GPS verbraucht ziemlich viel Akku-Ladung. Man würde sonst niemals mit den Leuten ins Gespräch kommen, aber dort wurden dann gleich wichtige Infos ausgetauscht: „Pikachu ist in der Nähe!“. Oder es kommt vor, dass ich in der Mensa von einem Typen gebeten werde, meinen Freund zu grüßen – die beiden haben sich auf der Pokémon-Suche kennengelernt.
Auf dem Campus der Uni Erfurt gibt es ja auch Pokémon – verrätst du uns wo?
Tatsächlich gibt es hier ganz schön viele Pokéstops. Meistens sind das besondere Orte, z.B. die Bibliothek, das Audimax oder das Wandrelief neben der Glasbox. Oft sind es aber auch einfach Graffiti oder besondere Gegenstände, wie der Metall-Würfel vor der Mensa. An Pokéstops kann man Lockmodule zünden – und so kommen die Leute derzeit gern zur Bibliothek, aber nicht um zu lernen, sondern um Pokémon zu fangen. Die Pokémon an sich tauchen mehr oder weniger zufällig in der Umgebung auf und orientieren sich auch an der Realität: Es gibt viele Taubsis und Rattfratz auf dem Campus. Anderswo, zum Beispiel an der Gera oder an Brunnen gibt es Wasserpokémon und manche Pokémon findet man vor allem abends.
Bist du beim großen Erfurt-Event am Samstag dabei? Und wenn ja: Was erwartest du davon?
Ich werde wahrscheinlich dort mal vorbeischauen – allein, weil sicherlich Lockmodule gezündet werden. Man erhält alle fünf Level nur eins, wenn man mehr will, muss man sie für echtes Geld kaufen. Da ist es dann natürlich sinnvoll, wenn möglichst viele Leute ein einzelnes nutzen können. Ansonsten finde ich es einfach faszinierend, wie eine simple App so viele Leute zusammenbringen kann, die sich gemeinsam über etwas freuen –und das auch noch an der frischen Luft! ;)