Klassenzimmer in den Straßen von Dhaka. Wie Marufa Aktar und der Commitment Award die Welt ein bisschen besser machen

Engagement
Eingangsschild an der Willy Brandt School of Public Policy, Universität Erfurt

Mit dem Commitment Award zeichnet die Willy Brandt School of Public Policy in diesem Jahr zum zweiten Mal Projekte von Studierenden der Brandt School aus, die soziale Gerechtigkeit, Engagement und Nachhaltigkeit fördern. Insgesamt sieben studentische Initiativen, die wir bei "Ich mag meine Uni…" in den vergangenen Tagen näher vorgestellt haben, gehen ins Rennen um die mit Preisgeldern in Höhe von insgesamt 5000 Euro dotierte Auszeichnung.
Im vergangenen Jahr hatte Marufa Aktar mit ihrem Projekt "Open Sky School für die Straßenkinder von Dhaka" die Jury überzeugt. Durch ihre Initiative sollen freiwillige Studierende unterprivilegierte Straßenkinder in Dhaka City unterrichten, denen wegen fehlender Mittel der Zugang zu Unterricht bisher verwehrt geblieben ist. Ziel des Projekts ist es, den Kindern Vorschulerziehung aber auch überlebenswichtige Fertigkeiten nahebringen. Open-Sky-Unterricht ist dabei eine innovative und verhältnismäßig kostengünstige Methode für Straßenkinder, die keine angemessene Unterkunft und keine Familie haben und nicht die Gebühren für formale Bildung aufbringen können. Außerdem wollte Marufa Aktar "micro-savings"-Plans (Minisparen) für die Schüler entwickeln, damit diese am Ende ihres Abschlusses einen kleinen Geldbetrag erhalten, den sie als erste Investition für künftige Aktionen nutzen und ins Berufsleben starten können. Das ambitionierte Vorhaben von Marufa Aktar überzeugte die Jury des Commitment Awards. Inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen. Zeit, bei Marufa Aktar einmal nachzufragen, wie sich das Projekt entwickelt hat…

"Seit etwa einem Dreivierteljahr wird mein Projekt nun in Zusammenarbeit mit EKMATTRA – der Dutch-Bangla Bank Academy – in der Hauptstadt Bangladeschs realisiert", freut sich Marufa Aktar. Der Auftakt der Open-Sky-Schule hatte im September 2012 zunächst in einem Stadtteil von Dhaka stattgefunden. Um geeignete Standorte auszuwählen, hatte EKMATTRA eine Pilotstudie durchgeführt, die einen Überblick über ähnliche, bereits existierende Projekte in den verschiedenen Teilen Dhakas lieferte. Nun sollen zwei weitere Klassen in anderen Stadtvierteln von Dhaka eröffnet werden. Mit dem Preisgeld des Commitment Awards konnten Lehrmaterialien wie Textbücher, Aufgabenhefte, Poster, Stifte, Kreide, Tafeln und Spiele beschafft werden. Zusätzlich wurden tragbare Trennwände und Sitzmatten besorgt, um den Schulunterricht abhalten zu können. Derzeit finden die Kurse der Open-Sky-Schule dreimal wöchentlich im Mirpur Mazar Gebiet in Dhaka statt. "Der Unterricht folgt dem bereits existierenden Kurrikulum von EKMATTRA, da sich der Lehrplan noch in der Entwicklungsphase befindet", erläutert Marufa Aktar. Die Kursgrundlagen fokussieren sich dabei mit Hilfe moderner und kinderfreundlicher Kommunikationsstrategien auf verhaltensbezogenes Lernen. "Schwerpunkte werden aber auch auf informelle Bildung in Ergänzung zu den klassisch-formalen Bestandteilen des Lehrplans gelegt um die Lernbereitschaft und den Enthusiasmus unter den Kindern zu fördern. So werden beispielsweise Zeichnen, Singen und das Lernen von Gedichten systematisch in den Unterricht der Open-Sky-Schule integriert. Außerdem lernen die Kinder allmählich auch praktische Fähigkeiten für das tägliche Leben wie Rechnen und das Alphabet."
Die weitere Umsetzung des Projekts werde jedoch von der politischen Lage in Bangladesch stark beeinflusst. Das Land ist derzeit in heftige politische Unruhen verwickelt. Immer wieder finden Streiks statt, die von den Oppositionsparteien organisiert werden und das Projekt doppelt negativ beeinflussen: Zum einen sei es aufgrund der Stillstände fast unmöglich, die Open-Sky-Klassen während der Streiktage abzuhalten. Zum anderen würden die obdachlosen Kinder von den politischen Gruppen als Streikposten benutzt. "Und das ist nicht nur sehr risikoreich, sondern hält sie auch vom Schulbesuch ab", bedauert Marufa Aktar. Auch die offiziellen Aktivitäten und die Kommunikation zwischen den politischen Akteuren gerieten aufgrund der politischen Instabilität immer wieder ins Stocken.
"Die Arbeit an dem Projekt geht natürlich trotzdem weiter. Gerade haben wir den bestehenden Lehrplan aktualisiert und die Lehrmethoden für die Open-Sky-Klassen verbessert. Langfristig soll die Schule den Kindern zusätzlich eine nächtliche Unterkunft bieten, gerade auch den besonders ‚gefährdeten‘ Kindern unter den OSC-Schülern. Außerdem wollen wir nachhaltige Einkommensmöglichkeiten für die Kinder schaffen, sodass diese ihr tägliches Leben bestreiten und ihr Lernpensum fortsetzen können. Die leitenden Kräfte der Organisation und ich beraten uns regelmäßig und überprüfen die einzelnen Projektaktivitäten sowie die sinnvolle Nutzung der Mikro-Spareinlagen. Und natürlich soll die Open-Sky-Schule in Zukunft noch mehr benachteiligten Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen: So werden beispielsweise Kinder, die eine positive Reaktion auf Open-Sky-Klassen zeigen, in einem Kinderheim aufgenommen. Dadurch und durch den Zugang zu Bildung und einer vernünftigen Ausbildung können sie ihren Platz der Gesellschaft finden."