Nicht die Jugend sei politikverdrossen, sagt Tabea Engelke, sondern anders herum: „Ich würde sagen, dass die Politik jugendverdrossen ist“. Der, an die sie diese Worte richtete, war kein geringerer als der CDU-Politiker Thomas de Maizière und damit legte die 21-Jährige kürzlich einen ziemlich selbstbewussten Auftritt in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz hin. Nicht der erste für die junge Frau, die in der Nähe von Hannover geboren wurde und heute an der Universität Erfurt Internationale Beziehungen und Sozialwissenschaften studiert. Als Aktivistin für Generationengerechtigkeit engagiert sie sich seit Langem für das Thema. Wie es dazu kam und welche Ziele sie sich gesetzt hat, das hat sie uns im Interview erzählt…
„Ich habe schon lange das Gefühl, dass die Interessen und die Meinungen junger Menschen im politischen Diskurs systematisch ausgeblendet werden“, erklärt Tabea. „Generationengerecht wäre eine Politik, die ihr Handeln am Maßstab der Generationengerechtigkeit messen würde. Generationengerechtigkeit bedeutet: heute nicht auf Kosten von Morgen, hier nicht auf Kosten von anderswo.“ Ein gutes Beispiel dafür, dass hierbei in der deutschen Politik eine Schieflage herrsche, sei deren Unfähigkeit, eine umweltpolitische Kehrtwende voranzutreiben. Selbst als im September 2019 fast 1,4 Millionen Menschen in Deutschland für mehr Klimaschutz auf die Straße gingen, habe sich kaum etwas geändert. „Das war, glaube ich, letztendlich auch der Auslöser für mich, mich weiter außerparlamentarisch zu engagieren. Der Jugendrat der Generationenstiftung, der sich selbst als ‚Lobby der kommenden Generation‘ bezeichnet, versucht, die Belange junger Menschen auf der politischen Agenda zu platzieren, und war für mich deshalb ein perfekter Ort, um mich außerparlamentarisch für die kommenden Generationen einzusetzen.“
Ob sie dieses Engagement eines Tages auch zu ihrem Beruf machen möchte, da ist sich die 21-Jährige heute noch nicht sicher. „Da ich im Moment mein Praktikum im Bundestag bei der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/GRÜNE Katrin Göring-Eckardt mache, weiß ich, wie anstrengend parlamentarische Arbeit und Wahlkampf sein können. Ausschließen würde ich trotzdem weder parlamentarische- noch außerparlamentarische Arbeit. Mich interessiert dabei besonders die Öffentlichkeitsarbeit als elementare Säule der Kommunikation von politischen Themen nach außen. Durch meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst mit Amani Kinderdorf in Tansania und mein Studium der Internationalen Beziehungen sind mir internationale Zusammenhänge aber ein ebenso großes Anliegen.“
Apropos Studium: Ob es dabei etwas gibt, das ihr bei ihrem Engagement hilft, fragen wir Tabea. Und ja: Es seien vor allem die Praktika im Zuge des Studiums, die sehr gute Möglichkeiten bieten, in die verschiedenen politischen Berufsfelder hineinzuschauen. Aber auch die Seminare an der Uni Erfurt seien sehr spannend und helfen Tabea, internationale politische- sowie gesellschaftliche Zusammenhänge besser zu verstehen. Und genau dieses Verständnis helfe ihr bei der Arbeit für den Jugendrat und bereite natürlich auch auf künftige Berufswege in diesem Themenfeld vor.
Klingt nach ziemlich viel Arbeit. Das muss man erst einmal hinbekommen – Studium und Soziales Engagement nebeneinander zu stemmen – gerade in Corona-Zeiten, wo das Studium doch den Studierenden doch sicher viel mehr abverlangt als in Präsenzzeiten auf dem Campus. Aber Tabea wäre nicht Tabea, wenn sie darin nicht auch eine Chance sehen würde: „Ich glaube, dass gerade das Corona-bedingte Online-Semester eine gute Gelegenheit für mich war, mein soziales Engagement auszuweiten. So konnte ich für Aktionen, Interviews oder Reden unter der Woche nach Berlin fahren und meine Seminare im ICE besuchen oder wenn sie asynchron stattgefunden haben, abends im Hotelzimmer schauen. Ich denke, es braucht auf jeden Fall Struktur und Willensstärke, um beide Tätigkeiten unter einen Hut zu bekommen. Ich arbeite auf jeden Fall sehr viel, manchmal auch spät abends, wenn meine Kommilitonen schon Volleyball spielen. Das wäre nicht möglich, wenn nicht für beides (mein Studium und den Jugendrat) so viel Begeisterung und Überzeugung vorhanden wäre.“
Aber genau diese Begeisterung und die Fähigkeit, sie an andere weiterzugeben, ist es wohl auch, die am Ende zu Fernsehauftritten wie neulich bei Markus Lanz führen. Dessen Redaktion hatte Tabea offensichtlich mit einem Interview im ZDF heute-journal, in dem sie über Kinderrechte sprach, beeindruckt. Und so fragte sie kurzerhand an, ob die 21-jährige Studentin nicht Lust habe, in die Sendung kommen.
Den Grundstein dafür, nicht nur im Fernsehen, sondern überhaupt (gesellschafts-)politisch sichtbar zu werden, kann dabei schon die Hochschule legen, ist sich Tabea Engelke sicher: Das universitäre Umfeld mit Hochschulgruppen, Fachschaftsräten und weiteren Möglichkeiten zu politischer Teilhabe könne politisches Engagement anstoßen und sinnvoll fördern. „Ich glaube, dass politischem Engagement an Hochschulen ein hoher Stellenwert zugemessen werden sollte. Vor allem lokalpolitisch gibt es in Erfurt viele Möglichkeiten und Anlässe sich z. B. gegen Rassismus oder für Klimaschutz einzusetzen. Dafür braucht es willensstarke und engagierte Studierende sowie kooperative Professor*innen, die eine gute Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher Grundlage fördern wollen.“
Wenn sie einen Wunsch an die Bundesregierung frei hätte – welcher wäre das, fragen wir Tabea zum Schluss. Die 21-Jährige lacht: Nur einen? Na gut, dann würde ich mir wünschen, dass die Bundesregierung die Klimakrise endlich ganzheitlich angeht, was implizieren würde, dass sie sich bei der Entscheidungsfindung strikt an den Maßstab der Generationengerechtigkeit hält.“
Also irgendwie lässt uns das Gefühl nicht los, dass wir noch viel von Tabea Engelke hören werden. Und darauf sind wir als Uni natürlich auch ein bisschen stolz…