Familienfreundliche Hochschule: „Wir haben Spielräume, die wir soweit wie möglich nutzen“

On Campus
Ein Kind schaut sich ein Buch an.

Studium bzw. Beruf und Kindererziehung unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Eine, der sich in jedem Semester auch zahlreiche Eltern an der Universität Erfurt stellen. Wir haben mit Bernhard Becher, dem Leiter des Dezernats 1: Studium und Lehre, darüber gesprochen, wie die Doppelbelastung gelingen kann. Seit 1994 ist er an der Universität Erfurt tätig und berät die Studierenden heute in allen rechtlichen Fragen rund um Prüfungs- und Studierendenangelegenheiten. Bernhard Becher ist verheiratet und hat drei Töchter –  davon zwei bereits im Studium.

Familie und Studium unter einem Hut – wie haben Sie selbst das geschafft?
Meine Frau und ich haben immer versucht, so viel wie möglich gemeinsame Zeit für die Familie zu finden. Als Berufstätige haben wir, solange die Kinder nicht im Kindergarten waren, mit Hilfen gearbeitet. Als die Kinder dann drei Jahre alt waren, sind sie in den Kindergarten gegangen. Wir wohnen in Erfurt, haben also kurze Wege.

Familiengerechte Hochschule – was bedeutet das für Sie?
Familiengerechte Hochschule bedeutet für mich, dass jeder in der Hochschule akzeptieren muss: Studium mit Kind ist eine Doppelbelastung, die für die Betroffenen mit Einschränkungen verbunden ist. Aber wir haben Spielräume, die wir soweit wie möglich nutzen. Das heißt nicht, dass bei den prüfungsrechtlichen Anforderungen nachgelassen wird. Aber studierende Eltern können z.B. semesterweise zwischen Teilzeit- und Vollzeitstudium wechseln. Darüber hinaus können Studien- und Prüfungsleistungen auch im Erziehungsurlaub bzw. Urlaubssemsemester nachgewiesen bzw. abgelegt werden. Erziehende BAföG-Empfänger können prüfungsrechtliche Auswertungen hinausschieben. Und in den Fakultäten werden bei Parallelveranstaltungen die zeitlichen Wünsche der Erziehenden berücksichtigt. Solange nicht alle Studierenden erziehen, ist also vieles möglich…

Was hat es eigentlich mit dem Erziehendenausweis auf sich?
Damit folgen wir einem Wunsch von Erziehenden. Die Hochschulleitung setzt mit der Ausgabe des Ausweises ein positives Signal für alle Hochschulmitglieder zu ihrer Doppelbelastung. Wenn ein Studierender mittels einer Geburtsurkunde seine Erziehungsaufgaben im Dezernat 1: Studium und Lehre anzeigt, wird der Ausweis ausgestellt. Als familienfreundliche Hochschule dokumentieren wir damit: „Wir sind bemüht, die Doppelbelastung soweit wie möglich auszugleichen.“ Der Ausweis kann bei Lehrenden und Prüfern und gegenüber dem Studierendenwerk vorgelegt werden. Aber viel wichtiger als der Ausweis selbst ist der beiliegende Brief des Präsidenten und der Vizepräsidentin: „Wir wollen eine familiengerechte Hochschule sein.“ Und wenn die Studentin oder der Student dann in eine besondere Situation gerät, kann der Brief vorgelegt werden und als Gesprächsbasis z.B. mit dem Dozenten oder der Dozentin dienen.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang Ihrer Ansicht nach Gleichbehandlung?
Gleichbehandlung heißt in keinem Falle, dass alles identisch zu behandelt ist. Sind die Ausgangslagen unterschiedlich, z.B. bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder der Doppelbelastung von Studium und Erziehen, sind Nachteile auszugleichen. Erst der Nachteilsausgleich führt ja wieder zur Gleichbehandlung.

Was wünschen Sie sich für Ihre Töchter in Sachen Beruf und Erziehung?
Meine Töchter sind gerade im siebten bzw. dritten Semester, die Kleine in der elften Klasse. In zehn Jahren werden sie das Studium beendet haben und vielleicht mit Enkeln kommen. Ich hoffe, sie werden später auch die Möglichkeit haben, den Beruf mit ihren Erziehungsaufgaben gut verbinden zu können.

 

Das Interview führten die Mitarbeiterinnen des Gleichstellungs- und Familienbüros der Universität.