"Ich hoffe, ich sehe jetzt nicht zu studentisch aus", lacht Martin Rudolph, als er zum Foto- und Gesprächstermin im Café "Hörsaal 7" erscheint. Gerade kommt er aus dem Existenzgründerseminar, das die IHK an der Universität Erfurt anbietet. Einfach aus Interesse nehme er daran teil, um noch etwas dazu zu lernen. Aber eigentlich hat Martin Rudolph längst den Schritt in die eigene Existenz gewagt. Seit September 2013 tauscht der Staatswissenschaftsstudent nach den Vorlesungen regelmäßig Pulli und Jeans gegen Hemd und Anzug und bietet als Inhaber von All-In-One Consulting Dienstleistungen als Wirtschafts- und Unternehmensberater an. Noch ist es für ihn ein studentischer Nebenverdienst, nach dem Master-Abschluss soll dieser aber zum Beruf werden.
"Ich hatte während meines Studiums verschiedene Nebenjobs, mit denen ich zwar ein wenig Geld verdient habe, die mich aber bezüglich der Berufserfahrung überhaupt nicht weitergebringen konnten", erzählt der 25-Jährige. "Hinter der Idee, mich selbstständig zu machen, stand deshalb vor allem, Studium und Beruf zu verbinden: der Nebenerwerb einerseits und andererseits die Idee, praktische Erfahrungen in den Studienschwerpunkten Recht, Steuern und Wirtschaft zu sammeln sowie darüber hinaus etwas Eigenes zu schaffen und meine Interessen zu verwirklichen. Im Hinterkopf hatte ich aber immer auch den Wunsch, dies nach dem Studium zur eigenen Existenz auszubauen." Starthilfe für die Selbstständigkeit gab ihm ein Praktikum in einer Anwalts- und Steuerkanzlei, bei der er anschließend nicht nur ein Büro anmietete, sondern auch wichtige Kontakte und sogar erste Aufträge mitnahm. Mittlerweile hat er eigene Mandate und konnte so auch seine Eltern von dem Schritt in die eigene Existenz überzeugen. Die waren nämlich zunächst nicht so begeistert, dass er seinen sicheren Nebenjob für eine "unsichere Selbstständigkeit" aufgeben will. "Aber der Zuspruch, den ich von damaligen Kollegen bekommen habe, auch in finanzieller Hinsicht, hat mich überzeugt. Heute bin ich selbst überrascht, wie gut das Geschäft angelaufen ist und als Dienstleister habe ich ja den Vorteil, dass sich meine Ausgaben vorerst in Grenzen halten." So war es Martin Rudolph auch möglich, sein Unternehmen ganz ohne Fremdkapital zu gründen. Mit einem geringen Eigenkapital hat er sich ein Diensthandy angeschafft, Visitenkarten drucken lassen und eine Website in Auftrag gegeben. Ansonsten erledigt er viele Dinge in Eigenregie, wie zum Beispiel das Facebook-Profil seines Unternehmens. Abgesehen von seinen Aufträgen kümmert sich der Staatswissenschaftler also auch gleich um ein bisschen Marketing. Um das alles mit dem Studium zu koordinieren, hat er feste Arbeitstage bestimmt, an denen er ins Büro geht, und nimmt sich vereinzelt Abende frei, um zu Hause zu arbeiten. Momentan lässt er es jedoch etwas langsamer angehen. "Ich schreibe gerade meine Master-Arbeit und die soll auf keinen Fall unter meiner Nebentätigkeit leiden!" Denn eine gute Abschlussnote ist ihm für den Job genauso wichtig, wie der Wissenszuwachs, den er dabei erhält. Seit der Existenzgründung hat er immer genau darauf geachtet, dass die Uni nicht zu kurz kommt, wohlwissend, dass ihm die erlernten Fachkenntnisse auch als Firmeninhaber weiterhelfen: "Die theoretischen Grundlagen in Wirtschaft und Recht aus dem Bachelor- und Master-Studium sind für mich heute unverzichtbar, ich brauche sie permanent. Auch die Methodik des wissenschaftlichen Arbeitens mit Quellen und Gesetzesvorlagen ist bei meinen Mandanten immer sehr angesehen." Nicht zu vergessen, dass er sich durch seine Studieninhalte quasi selbst zum Thema Existenzgründung beraten konnte und kaum auf Hilfe von außen angewiesen war. Allen Gründern, die nicht aus dem Wirtschaftsbereich kommen, rät er aber, sich von einem Experten betreuen zu lassen, der ehrlich ist und auch wirklich auf mögliche Probleme und Lücken hinweist. "Die beste Grundlage für eine Existenzgründung ist ein ausgefeilter Businessplan und eine genaue Analyse des Vorhabens", weiß der Existenzgründer. "Das ergibt ein solides Fundament, ohne das es oft sehr riskant ist, ein Unternehmen zu schaffen. Die 'Sterblichkeitsrate' bei Neugründungen ist hoch, weil vorher einfach nicht jeder Schritt präzise genug geprüft wurde."
Martin Rudolph hat sein Geschäftsvorhaben natürlich auch zuvor auf den Prüfstand gestellt und nach Schwachstellen abgeklopft. Er hat sich mit anderen Existenzgründern seiner Branche ausgetauscht, sich Tipps und Tricks geben lassen und vor allem langfristig gedacht. Denn auch wenn er seine Firma erst einmal als Nebenberuf gegründet hat, so hat er sie bereits mit Blick auf die Zukunft ganzheitlich gedacht. Da er als Staatswissenschaftsabsolvent später zwar Existenzgründer-, Unternehmens- und Managementberatung anbieten, jedoch trotz Spezialisierung auf Wirtschaft und Recht keine eigenständige Steuer- und Rechtsberatung geben darf, holte er sich mit einem Jenaer Steuerbüro und der Erfurter Anwaltskanzlei gleich von Anfang an Kooperationspartner ins Boot, die diese Angebotslücke erst einmal schließen können. Langfristig möchte Martin Rudolph diese Bereiche aber in sein eigenes Unternehmen voll integrieren, eigene Angestellte für Steuer und Recht haben und als Geschäftsführer und Wirtschaftsberater die Firma leiten. "Und vielleicht kann ich ja auch noch meinen Doktor machen", sinniert der angehende Firmenchef und fügt lachend hinzu: "Neben der interessanten wissenschaftlichen Vertiefung hätte das auch sicher einen Marketingeffekt!"