Helle Puderperücke und Zopf, hoher Kragen und zweireihiger Herrenmantel: Johann Georg Justus Perthes war in seinem Auftreten und Aussehen noch ein Herr alter Schule, geprägt vom 18. Jahrhundert – aber mit einem unternehmerischen Gespür, das seinen Namen noch bis ins 21. Jahrhundert tragen wird. Von privaten Schicksalsschlägen und geschäftlichen Rückschlägen war sein Leben geprägt. Das hielt ihn aber nicht davon ab, seinen Visionen zu folgen und zum wichtigsten Gothaer Akteur einer "kartografischen Revolution" zu werden.
Viel ist nicht bekannt vom jungen Justus Perthes: Er wird am 11. September 1749 in Rudolstadt als Sohn eines Arztes geboren und absolviert eine kaufmännische Ausbildung. 1778 führt ihn sein Weg nach Gotha, wo er als Gesellschafter mit 25 Prozent in die Ettingersche Buchhandlung einsteigt und mit Karl Wilhelm Ettinger und Johann Friedrich Dürfeldt eine "Handlungs-Societät" gründet. Als er 1784 die Schwester seines Partners, Sabine Dürfeldt, heiratet, stehen Ettingers 50 Prozent den 50 Prozent der Familie Dürfeldt/Perthes gegenüber. Genug Kapital also, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Perthes verlässt die Gesellschaft bereits nach sieben Jahren und gründet 1785 die "Justus Perthes Verlagsbuchhandlung". Was er von Ettinger mitnimmt und fortan als Pächter verlegt, ist ein kleines, hübsch gestaltetes aber eher unscheinbares Büchlein, das der Bibliothekar von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg herausgibt – der Gothaische Hofkalender und sein französisches Pendant Almanach de Gotha. Obwohl Perthes und Ettinger mit dem Pachtvertrag des "Gotha" über Jahre hinweg noch Geschäftspartner sind, sieht sich Ettinger bald durch eine weitere Gothaer Verlagsbuchhandlung bedroht. Aus Angst, Perthes könnte zum Sortimentsbuchhandel übergehen, schwärzt er den "ungelernten" Verlagsbuchhändler, der über Jahre ohne Konzession arbeitet, beim Herzog an und bittet ihn, diesem keine Gewerbebewilligung auszustellen und es bei einer städtischen Buchhandlung zu belassen, wie es "in den Fürstlich Sächsischen Städten und Ländern seit der Entstehung des Buchhandels" üblich sei. Dies hätte das Ende des Perthes Verlages sein können. Aber Ettinger erreicht nur das Gegenteil und der Herzog erteilt Perthes und einem weiteren Verleger am 30.12.1796 die offizielle Erlaubnis, einen Buchhandel zu führen. Nicht einmal eine Strafe erhält Perthes für seine nunmehr elfjährige "illegale" Tätigkeit. Damit war ein wichtiger Grundstein für den Erfolg des Verlages Justus Perthes Gotha gelegt, ein Grundstein von symbolischem Wert, längst ist Perthes‘ Rechnung aufgegangen und der "Gotha" zu einem Erfolgsprodukt geworden, der ihm ein Grundeinkommen sichert und es ihm ermöglicht, sich auch nach anderen Publikationsfeldern umzuschauen. Denn während sich Perthes mehrere Jahre lang einzig dem Almanach widmet und zusehen kann, wie der Erfolg zunimmt, die Einnahmen stetig steigen und sich das Buch in ganz Europa, in Amerika und Russland verkauft, streckt er bald auch die Fühler nach neuen Themen, Produkten und Partnern aus. Ohne konkretes Verlagsprogramm veröffentlicht er kulturgeschichtliche, medizinische, theologische, naturwissenschaftliche und philosophische Werke, Kinderspiele, Märchen und pädagogische Bücher. Anfang des 19. Jahrhunderts dann die ersten geografischen Publikationen: "Anton Pigavettas Beschreibung der von Magellan unternommenen ersten Reise um die Welt", die "Diplomatische Geschichte des … Martin Behaim" und "Das Teutsche Reich vor dem Ausbruch der Französischen Revolution und nach dem Friedensschlusse zu Luneville". Letzteres erscheint in zwei Bänden, der erste 1801 mit einer noch etwas anspruchslosen Kartenbeilage, der zweite 1805 mit einer weitaus genaueren, von dem Hofbeamten Adolf Stieler gezeichneten Karte. Damit war das kartografische Interesse Perthes‘ geweckt und eine zukunftsreiche Verbindung zwischen ihm und Stieler, dem Vater des späteren weltberühmten Handatlas, geknüpft. Die Idee, eine Reihe kartografischer Taschenbücher zu publizieren, muss Perthes nach zwei erfolglosen Ausgaben aber wieder aufgeben. Und ein weiterer Rückschlag verzögert die kartografische Laufbahn des Perthes Verlages: 1807 – die Ausgabe 1808 des Hofkalenders lag schon gedruckt vor – erwirkt Napoleon beim französischen Minister für Auswärtige Angelegenheiten eine Beschlagnahmung der gesamten Auflage. Napoleon findet, Frankreich werde darin nicht imperial genug dargestellt und argumentiert "der letzte Almanach de Gotha ist schlecht gemacht […] die Namen des Hauses Frankreich stehen darin mit unpassenden Bezeichnungen". Für einen Kaufmann und Firmenbesitzer wie Perthes ist das ein harter Schlag. Hinzu kommt die französische Besatzung, die kreativen und kaufmännischen Geschäftssinn sowie eine von der Zensur unabhängige wissenschaftliche kartografische Arbeit hemmt. Halbherzig veröffentlicht der Perthes Verlag 1809 einen Handatlas des Dresdner Professors Johann Heusinger, bevor mit dem Sturz Napoleons die Perthes-Stieler-Verbindung unter einem freigeistigen Herzog wie Ernst II. gänzlich aufblühen kann. Der Rest ist Kartografiegeschichte: Mit der Idee eines Handatlas mit "bequemem Format, möglichster Genauigkeit, Deutlichkeit und Vollständigkeit" rennt Stieler bei Perthes offene Türen ein. Sie kreieren damit ein Kartenwerk, das die Verlagsjahre bis 1945 prägt und in dem sich auch die Wende in der Kartografie hin zur Wissenschaft spiegelt.
Perthes selbst erlebt die Drucklegung des ersten Stieler Handatlas jedoch nicht mehr, nur noch fünf fertige Blätter zu sehen, ist ihm vergönnt. Er stirbt am 1. Mai 1816 im Alter von 66 Jahren. Hinter ihm liegt ein geschäftlich wie auch privat turbulentes Leben. Neun seiner elf Kinder mit Sabine Dürfeldt muss er beerdigen. Einer der überlebenden Söhne ist Wilhelm, den er bereits vor seinem Tod im Verlag anlernt. Wilhelm übernimmt nach Justus Perthes‘ Tod die Geschäfte, bringt das Herzstück seines Vaters, den "Stieler", fortan heraus und gründet damit die "Justus Perthes Geographische Verlagsanstalt Gotha". Sein Vater bleibt als gutmütiger Familienmensch und vorausschauender Geschäftsmann in Erinnerung, ein mutiger "Macher", der in einem geistig lebhaften Gothaer Umfeld wirkte und dieses so bereicherte, dass es noch heute Spuren hinterlässt, wie sich zuletzt an der Eröffnung des neuen PERTHESFORUMS Gotha zeigte.