Ein Kick-off-Meeting, die Bekanntgabe der Nation, die das Team in diesem Jahr in New York vertreten wird und zahlreiche junge internationale Menschen, die, seriös in Anzügen gekleidet, in der Simulation der Vereinten Nationen als Nachwuchsdiplomaten ausschließlich in Englisch über die Lösung internationaler Probleme debattieren. Viel mehr bekommen wir von außen selten über das StuFu-Seminar „Models United Nations“ (MUN) mit, das bereits seit 2012 regelmäßig an der Universität Erfurt stattfindet. Seit ebenfalls fünf Jahren laden die Erfurter Studierenden im Januar Vertreter anderer internationaler MUN-Teams nach Erfurt ein. Auch, um sich auf die akademische Simulation in New York vorzubereiten. Jetzt fand die fünfte Konferenz EfMUN im Erfurter Rathaus statt. Erstmals wurde in diesem Rahmen neben der Generalversammlung (General Assembly) auch der Sicherheitsrat simuliert. Eine gute Gelegenheit, Sebastian, Student im Bachelor Internationale Beziehungen und Teilnehmer am EfMUN, um einen ganz persönlichen Blick hinter die Kulissen zu bitten:
Als ich mich am Freitagnachmittag nach der Eröffnung der Konferenz in meinem Komitee wiederfand, war ich doch von der überschaubaren Größe des Sicherheitsrats überrascht. Neben der Delegation Spaniens, die ich vertreten durfte, und den fünf ständigen Mitgliedern China, Frankreich, Russland, USA und dem Vereinigten Königreich, waren außerdem die Delegationen von Litauen, Nigeria, Venezuela, Spanien, Neuseeland, Malaysia, Jordanien, Angola, Tschad und Chile im Konferenzraum versammelt.
Die insgesamt 15 Mitglieder starteten motiviert in die Debatte um die Entscheidung, welches der beiden vorgegebenen Themen – Sicherheitssektor-Reform oder die Situation im Irak – behandelt werden sollte. Wie die anderen Delegierten hatte ich mich in der Vorbereitung mit beiden Themen beschäftigt und versuchte jetzt, in den Reden und im persönlichen Gespräch die anderen Mitglieder von der Relevanz des meiner Meinung nach wichtigeren Themas – der Situation im Irak – zu überzeugen. Von Seiten Chinas, Venezuelas und einiger anderer Staaten kam zwar der Einwand, dass man zunächst auf die Sicherheitssektor-Reform eingehen müsse, um zu effektiven Lösungen im Konflikt im Irak zu kommen. Jedoch stand für die meisten anderen Mitgliedsstaaten, die direkt oder indirekt von der Instabilität im Irak betroffen sind, dieses Thema im Vordergrund, so dass es im Anschluss auch mit großer Mehrheit auf Position 1 der Agenda gesetzt wurde. Kurz darauf begannen dann auch schon die Diskussionen . Militärisches Eingreifen im Irak oder humanitäre und politische Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus? Aus dieser Streitfrage gingen in kurzer Zeit zwei Gruppen hervor: Allen voran die USA, Frankreich und Großbritannien, die Vorschläge zur gemeinsamen militärischen Lösung im Irak entwickeln wollten. Aber auch diese Gruppe war sich im Klaren darüber, dass humanitäre Aspekte in eine mögliche Resolution mit eingebunden werden müssen. Deswegen teilte sie sich noch einmal auf. Es entstand eine zweite Gruppe rund um die Staaten Spanien, Chile, Litauen und Tschad, die sich mit diesem Thema beschäftigen wollte. Die andere Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf die Position der Vetomächte China und Russland, die einer militärischen Intervention sehr kritisch gegenüberstanden und die Souveränität des Iraks immer wieder hervorhoben.
Als der Tag sich schon dem Ende neigte, wurde es dann noch einmal unruhig im Sicherheitsrat: Die Leitung verkündete, dass der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea eskaliert sei. Von einem Atomwaffentest sei das südkoreanische Territorium betroffen. In der Folge sei es zu Schusswechseln mit Toten gekommen. Einige Mitglieder zogen nun in Erwägung, dieses Thema auf die Agenda zu setzen, um es im Sicherheitsrat tagesaktuell besprechen zu können. Die meisten Delegationen betonten jedoch die Dringlichkeit der Sache im Irak. In Anbetracht der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand, musste hier zügig eine Lösung gefunden werden. Die Nachricht sorgte jedenfalls für eine aufgeheizte Stimmung, die sich natürlich auch auf die Arbeit in den Gruppen auswirkte.
Am Samstagmorgen arbeiteten die Gruppen weiter an ihren Ausarbeitungen für eine mögliche Resolution, feilten an Formulierungen und an konkreten Maßnahmen, die mit Blick auf die Lage im Irak beschlossen werden sollten. Dabei diskutierte unsere Gruppe heftig darüber, ob eine gemeinsame Resolution überhaupt noch vorstellbar ist, da viele Mitglieder bereits befürchteten, Russland und insbesondere China könnten eine mögliche Resolution von Beginn an mit ihrem Veto scheitern lassen. Wir versuchten uns deshalb auf einen gemeinsamen Konsens zu einigen und strittige Punkte noch einmal umzuformulieren oder ganz zu streichen. Auf der anderen Seite wollten wir uns auch nicht von den Vetomächten „erpressen“ lassen, sodass am Ende kein aussagekräftiger Inhalt in einer endgültigen Resolution wiederzufinden wäre. Nachdem alle drei Arbeitsgruppen ihre ersten Vorschläge bei der Leitung zur Korrektur eingereicht und Verbesserungsvorschläge bekommen hatten, wurde klar: Es liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, um zu einem gemeinsamen Entwurf zu kommen, der alle Interessen berücksichtigt und über den zum Schluss abgestimmt werden kann. So war spätestens Samstagabend der Zeitpunkt, an dem die Nerven bei allen Delegationen blank lagen. Uns war klar, dass am letzten Verhandlungstag, noch einiges zu tun sein würde.
Am Morgen des Sonntags setzte ich mich schon vor Beginn der Sitzung mit der Arbeitsgruppe der USA zusammen, um über eine gemeinsame Ausarbeitung zu sprechen. Das gesamte Komitee stand spürbar unter Zeitdruck. Das Zusammenbringen beider Ausarbeitungen war, wie zu erwarten, eine äußerst anstrengende und sensible Angelegenheit. Alle Vertreter versammelten sich vor einem Laptop und diskutieren darüber, was übernommen, geändert und verschoben werden muss, um die Zustimmung ihrer Delegation zu erhalten. Tatsächlich konnten wir uns gegen Mittag noch auf einen vierseitigen Entwurf einigen, mit dem alle Mitglieder zufrieden waren. Kurz darauf wurde dieser noch einmal allen Delegationen vorgelegt, damit sie ihre Änderungsvorschläge, die sogenannten „Amendments“, vorbringen konnten. Eine heikle Angelegenheit, denn über die Änderungen im Entwurf, die entscheidend für den kompletten Inhalt der Resolution sein können, wird jeweils in nur 15-sekündigen Reden abgestimmt Im Wesentlichen konnte an dem Entwurf aufgrund der intensiven Vorverhandlungen jedoch nicht mehr gerüttelt werden.
Bei der finalen Abstimmung über den Entwurf wurde es dann noch einmal spannend. „Please raise your placards now and high!“ – Alle Mitglieder des Sicherheitsrats hielten das Schild mit ihrem Ländernamen hoch in die Luft, mit Ausnahmen der chinesischen Delegation. Wir wussten: Sollte China gegen den Entwurf stimmen, wäre die Arbeit von drei Tagen umsonst gewesen. Nach der kurzen Schrecksekunde dann das Aufatmen: China enthält sich. Der Entwurf ist somit eine offizielle Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.
Mein Fazit? Die Arbeit im Sicherheitsrat war sehr spannend und vor allem intensiv. Wir haben viel Neues gelernt, uns weiterentwickelt und hatten vor allem jede Menge Spaß!
Wir bedanken uns Sebastian und dem Team von Models United Nations der Universität Erfurt für diesen Einblick.