Das Gefühl der Selbstwirksamkeit, die Möglichkeit, immer wieder Neues zu lernen, aber auch die Gemeinschaft zu erfahren und gleichzeitig etwas für andere und für mehr Nachhaltigkeit zu tun ... ach, es würden ihr noch so viel mehr Gründe einfallen, warum sie sich hier engagiert. Gemeinsam mit einer bunten Truppe aus Sozialarbeiter*innen, Handwerker*innen, einer Mediengestalterin, einem Studenten und drei Alumni der Fachhochschule ist Katharina im Begriff, einen Verein zu gründen, der einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Stadt leisten soll. Eigentlich studiert die 30-Jährige im Master Erziehungswissenschaft an der Universität Erfurt. Aber ein paar Stunden jede Woche nimmt sie sich Zeit fürs Ehrenamt – bei "Build Share Repair" Erfurt, einer offenen Werkstatt in der Magdeburger Allee 58. Mit Fahrradwerkstatt, Metall- und Elektroarbeitsplätzen und einer Holzwerkstatt. Für Bastler*innen, die die Dinge lieber reparieren oder selbst bauen, als für teures Geld (neu) zu kaufen. Hilfe zur Selbsthilfe lautet das Prinzip. Die ursprünglich private Initiative wird nun ein Verein. In unserem Campusblog erzählt Katharina, wie es dazu kam...
"Mein erster Kontakt zu "Build Share Repair" kam eigentlich zufällig zustande", berichtet die gebürtige Brandenburgerin. "Ich suchte ein WG-Zimmer und lernte dadurch jemanden kennen, der sich bereits in der offenen Werkstatt engagierte." Und so dauerte es nicht lange, dass auch Katharina vom Konzept überzeugt war: Menschen einen Ort zu bieten, an dem sie Dinge reparieren oder tüfteln können, sich neue Fähigkeiten aneignen, Erfahrungen austauschen, Werkzeuge ausleihen oder einfach die Gemeinschaft in der Nachbarschaft genießen können. Vom Vater, der mit seinem vierjährigen Sohn an dessen Fahrrädchen schraubt, über den Nachbarn, der einen Tipp braucht, wie er seine Kaffeemaschine wieder flott bekommt, bis hin zur ehemaligen Lehrerin, die mit ihren mehr als 80 Jahren einfach gern auf einen "Schnack" vorbeikommt. Seit 2022 ist Katharina jetzt dabei, damals gab's noch keinen Verein, jetzt soll er aber doch eingetragen werden, denn das mache vieles leichter. "Spenden anzunehmen und Fördergelder zu beantragen, zum Beispiel", sagt die 30-Jährige. Auch das Mieten der Räumlichkeiten hänge dann nicht mehr an einer einzelnen (Privat-)Person.
Die Idee als solche wurde eigentlich in einer Wohngruppe im Haus an der Magdeburger Allee geboren. Von Menschen, denen Nachhaltigkeit und gemeinschaftliches Engagement wichtig waren. Zwei Garagen und ein Hof davor sollten ihnen dazu dienen, zu werkeln und zu reparieren. Der Vermieter war einverstanden. Also machten sie 2020 aus zwei Garagen eine, entrümpelten sie, trugen Werkzeuge zusammen und bauten sich zusammen mit Freundinnen und Freunden eine kleine Werkstatt auf. Von der sollten aber auch andere profitieren und so dauerte es nicht lange, da war aus der Privatinitiative ein kleines Nachbarschaftsprojekt geworden. Das sprach sich herum, es kamen immer mehr Leute.
"Im Augenblick haben wir immer freitags am Nachmittag geöffnet", sagt Katharina. Wer kommt, der kommt. "Unterstützung bekommen die Leute, wo es möglich ist, von uns direkt oder auch aus Fachbüchern, die wir zusammengetragen haben. Aber manchmal müssen wir auch erstmal selbst recherchieren und schauen uns dann gemeinsam Tutorials im Internet an, um weiterzukommen. Ab und an gibt's auch Workshops. Ermutigung sowieso. Und manchmal kommen die Leute auch schon mit einem Plan zu uns. Die brauchen einfach nur einen geeigneten Platz und Werkzeug. Auch das ist bei uns möglich. Es geht in erster Linie um Hilfe zur Selbsthilfe." Alles kostenlos. Aber eine kleine Spende ist natürlich gern gesehen – für neues Werkzeug und Material zum Beispiel.
Uns geht es einerseits ums Reparieren, Weiternutzen von Gebrauchtem und Gestalten von Neuem, aber auch um ein anderes soziales Miteinander. Auf Augenhöhe, einander zugewandt und vor allem: Miteinander! Nach dem Motto 'each one teach one' bringen wir unsere jeweiligen Kompetenzen ein und lernen voneinander."
In der aus etwa 15 Aktiven bestehenden Initiative "Build Share Repair" übernimmt Katharina die Monatsberichte, oft auch Dinge, die mal schnell zu organisieren oder zu kommunizieren sind. Und klar, auch die Öffnungszeiten der Werkstatt sichert sie mit ab. Jeder macht, was er am besten kann. "Auch, wenn der nun gegründete Verein natürlich einen Vorstand hat, versuchen wir, alles irgendwie im Konsens zu lösen. Dafür treffen wir uns zweimal im Monat im Plenum, wo wir alle anstehenden Dinge besprechen. Das läuft eigentlich ziemlich gut und macht Spaß." Das Schöne an der Arbeit – neben dem Gefühl, etwas Gutes zu tun – sei, dass sie auch für sich selbst Neues lernen könne, sagt Katharina. Die Küchenarbeitsplatte in der neuen Wohnung oder die kleine Kommode in ihrem Badezimmer, alles selbst gemacht. Rat und Hilfe gab's ja in der Werkstatt genug, wenn es doch mal nicht weiterging. "Aber ich habe hier auch eine Menge darüber gelernt, wie Menschen ticken, wie Gruppen funktionieren, wie man Menschen motiviert. Und ich habe gelernt, mich auf unbekanntes Terrain zu begeben, Dinge auszuprobieren und auch mal die Perspektive zu wechseln." Alles Fähigkeiten, die auch im späteren Beruf sicher von Vorteil sind.
Zum "Selberwerkeln" kommt Katharina im Augenblick kaum. Die Vereinsgründung hat erstmal Priorität. "Gerade warten wir auf die Rückmeldung vom Amtsgericht und dann muss das Ganze ja auch noch zum Finanzamt." Woher sie weiß, wie man einen Verein gründet, fragen wir die 30-Jährige. Die Antwort: Recherche. Recherche. Recherche. "Aber auch der Gründungsservice der Universität Erfurt hat uns unterstützt", sagt sie. Der bot im Rahmen des Master-Studiums nämlich zum einen ein Seminar an, das Einblicke in das Thema Existenzgründung lieferte, außerdem half er bei der Erstellung der Vereinssatzung. "Das war natürlich Klasse."
Wer neugierig geworden ist, könne freitags einfach mal in der Werkstatt an der Magdeburger Allee vorbeischauen", sagt Katharina. "Auch Leute, die beim Reparieren und Basteln helfen oder Tipps geben können, sind natürlich immer herzlich willkommen."