Während des Studiums eine Zeit lang im Ausland zu sein, ist eine spannende Sache. Und in der Regel erweitert der Aufenthalt den eigenen Horizont enorm. Aber wie ist es, ausgerechnet über Weihnachten fernab der Heimat, der Familie und der Freunde zu sein? Linn Jansen erzählt es hier für unseren Campusblog. Sie studiert Internationale Beziehungen und Sozialwissenschaften an der Uni Erfurt und verbringt aktuell ein Austauschjahr an der Yonsei University in Seoul (Südkorea). Aber lest selbst...
"Es ist deutlich kälter hier, als erwartet. Obwohl ich davor 'gewarnt' wurde, kam ich am Ende doch nicht darum herum, hier eine lange schwarze 'Padding'-Jacke zu kaufen. Von denen 'wandeln' mittlerweile zahlreiche hektisch durch die Straßen der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Weihnachten steht vor der Tür. In Südkorea eher ein Fest, das man mit Freunden oder Partner*in verbringt. Überall sind Weihnachtshits zu hören, die Straßen sind geschmückt mit meist unechten, durch grelle Kugeln verzierten Weihnachtsbäumen und es riecht nach Zimt und roter Bohnenpaste.
Ich bin mit meiner koreanischen Tandem-Partnerin unterwegs - unsere Jackentaschen sind gefüllt mit den kleinen Wärmekissen, die man in den zahlreichen Kiosken kaufen kann. Masken tragen die Menschen hier offenbar weniger wegen Corona, sondern vielmehr aufgrund der klirrenden Kälte. In einem der süßen Cafés, von denen es hier unendlich viele zu besuchen gibt, bestellt meine Begleiterin einen Ice Americano. Trotz der Kälte beschließen wir anschließend, den großen Weihnachtsbaum auf dem Campus unserer Uni zu besuchen. Er ist riesig und vor allem geht es viel bergauf. Uns ist fast warm, als wir am Ende der riesigen Schneise ankommen, an der sich die unterschiedlichen Fakultätsgebäude aufreihen: der Sports Science Complex, die Centennial Hall (Museum und Konzerthalle in einem), die Adlerstatue, unter der sogar bei Minusgraden Studierende für Instagram-Bilder posieren; vorbei am Eingang zur Untergrund-Studenten-Mall, einer der sechs Kantinen und dem Gebäude, in dem die meisten meiner Vorlesungen stattfinden. Und schließlich stehen wir vor dem Gebäude, dessen Foto man als erstes findet, wenn man 'Yonsei' googelt: das Underwood College. Die Rankepflanzen, die sich um das alte Gebäude schlängeln, sind seit etwa einer Woche fast blätterlos. Und dort steht er, ragt weit über unsere Köpfe hinweg gen verhangenen Himmel: ein riesiger, vollkommen in Lichterketten 'ertränkter' Weihnachtsbaum. In leuchtend grünen und roten Buchstaben steht dort 'Merry Christmas' geschrieben. Der Baum ist perfekt symmetrisch, weil man ihn unter einem dreieckigen Lichterkettenzelt versteckt hat. Ich weiß, dass ein echter Baum darunter sitzt, weil ich ihn den Rest des Semesters gesehen habe und es zudem Tage gedauert hat, das Netz aufzubauen. Jeden Morgen, auf dem Weg zur Vorlesung, konnte ich die Gärtner und Elektroniker beobachten, die dort auf Leitern und mit Kränen an dem Yonsei-Weihnachtswahrzeichen arbeiteten.
Die Lichter wurden dieses Jahr das erste Mal offiziell am 30. November angeschaltet, in einer feierlichen Eröffnungszeremonie, mit Redebeiträgen und Musik, um 'die Geburt Jesus zu feiern'. Dass Yonsei eine von christlichen Missionaren gegründete Privatuniversität ist, scheint im Alltag nicht oft durch. Aber das riesige Kreuz im Hauptauditorium und eben solche Events, wie die Erhellung des Baumes im Namen von Jesus Christus, erinnern einen immer wieder daran, was für eine enorme Rolle das Christentum und christliche Missionare mittlerweile in Südkorea spielen. Ein spannendes Land voller Überraschungen, Gegensätze und Widersprüche. Schön wie kompliziert zugleich. Und so wirkt ein eigentlich so vertrautes Fest wie Weihnachten hier auf einmal fast ein bisschen fremd..."