2021 verleiht die Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt zusammen mit der Engagementpreis-Stiftung den Commitment Award bereits zum zehnten Mal. Ziel ist es, nachhaltigen Ideen und sozialen Projekten eine Anschubfinanzierung zu ermöglichen. Studierende und Alumni der Brandt School können zugleich mit ihren Initiativen zeigen, was sie im Master-Studium gelernt haben. Die besten drei Projekte werden mit jeweils 1000 Euro Startkapital prämiert, einer der Preise kommt in diesem Jahr auch von der Town & Country Stiftung.
Willy Brandt selbst war ein Treiber des sozialen Wandels, was sich klar in seinen sozialen und politischen Reformen widerspiegelt. Er war davon überzeugt, dass Politik keinen Zweck erfüllt, wenn die Politiker und Politikerinnen kein klares Ziel vor Augen haben, wenn sie Politik machen. Das multikulturelle, divers orientierte Umfeld der Brandt School bietet Studierenden die Möglichkeit, im Rahmen des Commitment Awards neue soziale Projekte zu entwickeln – in Erfurt und weltweit.
Jedes Jahr wählt beim Commitment Award eine Expertenjury drei Gewinner aus und orientiert sich dabei an folgenden Leitfragen: Wie gemeinnützig ist das Projekt? Wie viel Potenzial und Nachhaltigkeit weist das Projekt auf? Wird das Preisgeld verantwortungsvoll und effektiv einsetzt? Wird das Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit umgesetzt? Neun Projekte gehen in diesem Jahr ins Rennen. Wir stellen sie hier kurz vor:
Projekt 1: “A computer for a promising future” (Jorge Andrés Tapia de los Reyes und Bernardo Gortaire // Ecuador)
Brandt-School-Student Jorge Andrés Tapia de los Reyes und Bernardo Gortaire haben das Projekt „Einen Computer für eine vielversprechende Zukunft“ eingereicht. Ihre Initiative basiert auf einem Kreislaufgedanken: Second-Hand Computer werden erneuert, um Kindern, die in ihren Gemeinden besonders von technologischem Rückstand und der Covid-19-Pandemie betroffen sind, Online-Bildung zu ermöglichen. Mit diesem Projekt wollen die beiden dauerhafte Bildungsmöglichkeiten sicherstellen, technologischen Abfall reduzieren und somit eine nachhaltige Zukunft für ecuadorianische Kinder und Gemeinden schaffen.
Projekt 2: “Akawo-Esusu Micro Loan for Rural Women Breadwinners” (Chukwudi Johnpaul Okolo, Francis Ugoo Ezekoma und Kate Ebele Odinachi // Nigeria)
70 Prozent der Frauen in Enugu (Nigeria) sind mehr oder weniger allein für ihre Kinder verantwortlich, da die Väter aufgrund von Tageslohnarbeit diese Verantwortung nicht übernehmen können bzw. ihre Frauen damit alleine lassen. Auch häusliche Gewalt ist hier nicht selten ein Thema. Kate Ebele und die Brandt-School-Studierenden Chukwudi Johnpaul Okolo und Francis Ugoo Ezekoma wollen deshalb mit ihrem Projekt „Akawo-Esusu Mikrodarlehen für hauptverdienende Frauen im ländlichen Raum“ diese Mütter („breadwinners“) dabei unterstützen, Darlehen mit niedrigen Zinsen zu erhalten, Geschäftsideen weiterzuentwickeln, um ihren Kindern Gesundheit, Nahrung, Bildung und Wohlbefinden bieten zu können. Durch das Projekt sollen zehn "Breadwinners" Zugang zu Krediten aus einem Mikrofinanzierungsmodel mit Kettenbürgschaft und einem sogenannten "akawo-Rückzahlungsplan" erhalten, um ihre Geschäfte ankurbeln und die Bildung, Gesundheit und Ernährung ihrer Kinder fördern zu können. Nicht zuletzt könnte dies auch einen Einfluss auf die Gesellschaft haben und Kindesmissbrauch eindämmen.
Projekt 3: “Die Grenzüberschreitende Sprachbrücke (DGS) – Barrierefreie Integration” (Chloé Rouillard und Houssein Al Malla // Deutschland)
Das Projekt “Die Grenzüberschreitende Sprachbrücke” (DGS) von den Brandt School Studierenden Chloe Rouillard und Houssein Al Malla zielt darauf ab, internationale Studierende mit Bewohner*innen von Senioren- und Pflegeheimen zusammenzubringen. Zum einen könnten internationale Studierende damit ihre Deutsch-Kenntnisse verbessern und sich leichter integrieren, gleichzeitig könnte das Projekt etwas gegen die Einsamkeit pflegebedürftiger Menschen tun. Eine Win-win-Situation...
Projekt 4: “Education for Future” (Mercedes Bustan // Ecuador)
In den ersten fünf Schuljahren erhalten Kinder an öffentlichen Schulen in Ecuador keinen Englisch-Unterricht. Die meisten dieser Kinder können sich auch keine privaten Unterrichtsstunden leisten. Dies drückt sich auch in Rankings aus, in denen Ecuador laut dem English Proficiency Index von Education First den letzten Platz unter den 19 lateinamerikanischen Ländern belegt. Brandt-School-Studentin Mercedes Bustan möchte mit ihrem Projekt “Bildung für die Zukunft“ etwas dagagen unternehmen. In einem achtmonatigen, englischsprachigen Programm sollen Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren Englisch lernen und gleichzeitig ihre Fähigkeiten im Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen trainieren sowie ihre Talente durch Malen, Tanzen, Zeichnen, Lesen und Schauspielerei weiterentwickeln. Die Teilnahme an diesem Programm soll bildungsbenachteiligten Kindern bessere akademische und berufliche Perspektiven ermöglichen.
Projekt 5: “Flow of Change” (Armando Guçe // Albanien)
Brandt School Student Armando Guçe geht mit dem Projekt “Strom der Veränderung” ins Rennen: Hintergrund ist, dass Albanien ein Land mit reichen Wasserresourcen ist, viele Ressourcen aufgrund von Misswirtschaft oder fehlender Infrastrukturen jedoch verschwendet werden. Der Viroj See in Gjirokaster ist ein exzellentes Beispiel dafür: Zur Zeit des kommunistischen Regimes war der See ein lebendiger Naturpark mit Wasserturbinen, die genug Elektrizität für die Geschäfte im Park und angrenzende Häuser generieren konnten (ein perfektes Beispiel für einen Eco-Park). Heute ist all dies jedoch verblasst. Weder die zentrale noch die lokale Regierung beschäftigt sich mit dem Thema. Das Projekt von Armando Guçe zielt deshalb darauf ab, in Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen am Viroj See, der Stadtverwaltung Gijrokaster und dem Energiebetreiber OSHE so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf dieses Thema zu lenken, um den Eco-Park in der Gegend wiederherzustellen und den Menschen zugleich die Vorteile erneuerbarer Energien nahezubringen.
Projekt 6: “From the Margins to the Centre” (Komal Ramdey, Jens Mannanal // Indien und Deutschland)
Laut einem Bericht der indischen Menschenrechtskommission aus dem Jahr 2018 sind fast 15 Prozent der Transgender Community in Indien auf Betteln oder Sexarbeit angewiesen. 15 Prozent sind arbeitslos – von Delhi bis nach Uttar Pradesh. Diejenigen, die angestellt sind, leben in schlechten soziökonomischen Verhältnissen. Manche Transgender-Personen sind gut gebildet und wollen in populären Berufen tätig sein, allerdings werden ihnen aufgrund des Stigmas die Möglichkeiten oft verweigert. Covid-19 hat die Situation weiter verschärft und Hunger und Armut erhöht, da viele Transgender-Menschen ihr Leben mit Bettelei, Straßenunterhaltung und Sex gegen Bezahlung bestreiten. Anstatt ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben, überleben sie oft nur am Rand der Gesellschaft. Die Brandt-School-Studierenden Komal Ramdey and Jens Mannanal haben deshalb das Projekt „Von den Rändern in die Mitte“ initiiert. Es darauf ab, den sozioökonomischen Status von Trangender-Personen zu verbessern, indem ihnen Plattformen für Mentoring bereitgestellt und Unterstützung bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten angeboten wird, sodass ihr täglicher sozioökonomische Kampf entschärft werden kann.
Projekt 7: "Right Skills – Bright Future" (Athar Farooq und Nafisa Islam Fariba // Pakistan)
Athar Farooq und Nafisa Islam Fariba, Studierende der Brand School, wollen mit ihrer Initiative „Richtige Fähigkeiten – strahlende Zukunft“ Frauen in digitaler Bildung stärken, damit sie selbstständig und unabhängig sein können. Das Projekt möchte Brücke bauen – zwischen Pakistan und den umkämpften Territorien Azad Jammu und Kashmir; zwischen den täglichen Herausforderungen der Frauen und und digitaler Bildung zur Verbesserung ihrer Zukunftschancen. Denn der Arbeitsmarkt für freiberuflich tätige Frauen in Pakistan bietet viele Möglichkeiten. Mit den richtigen Werkzeugen und der richtigen Bildung könnten auch Studierende, die überlegen, ihr Studium anzubrechen, zu Hause als Selbständige arbeiten. Geplant ist ein Pilotprojekt mit Studentinnen in Zusammenarbeit mit der Read Foundation, einer NGO mit 390 lokalen Schulen und Hochschulen in Pakistan. Die Initiative der Brandt-School-Studierenden möchte den Frauen einen ersten Anlaufpunkt bieten, ihre digitalen Fähigkeiten auszubauen, damit sie später am digitalen Arbeitsmarkt teilhaben und finanzielle Unabhängigkeit erreichen können.
Projekt 8: "Talitha Cumi” (Ruvimbo Matsika // Zimbabwe)
Ruvimbo Matsika, Absolventin der Brandt School geht mit ihrem Projekt "Talitha Cumi" ins Rennen um den Commitment Award 2021. Sie möchte sich für Menschen in Zimbabwe engagieren. Denn seit Beginn der 2000er-Jahre hat das Land mit politischen Unruhen zu kämpfen, die zu einem Kollaps der Wirtschaft geführt haben. 2020 schätzte die Weltbank, 49 Prozent der dortigen Bevölkerung als extrem arm ein. Seit der Pandemie ist dieser Wert noch gestiegen. Der Kollaps der Wirtschaft und die Hyperinflation (838%) hatte ein Einfrieren nahezu aller Regierungsausgaben für Entwicklungsförderung zur Folge, kostenlose Bildung ist nicht möglich. Eltern sind angesichts ihrer beschränkten Mittel gezwungen, sich zu entscheiden, welches ihrer Kinder Bildung soll. Hinzu kommt, dass Mädchen überhaupt seltener zur Schule gehen dürfen, da ihre Familien sie kaum ernähren können. Sie sind oft schutzlos, manche von ihnen werden minderjährig verheiratet, obwohl das Gesetz es verbietet. Die Initiative "Talitha Cumi" soll nun mit Mädchen, Gemeindemitgliedern und lokale Behörden in Zimbabwe zusammenarbeiten, um mehr Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit und Bildung für Mädchen zu erreichen, und ihnen damit zu ermöglichen, dem Kreislauf der Armut zu entkommen.
Projekt 9: “You Got This!” (Dayane Rodrigues und Natália Koto // Brasilien)
Die Brandt School Studierenden Dayane Rodrigues und Natália Koto wollen in ihrem Projekt "You Got This!" mit der Associacao Estudo e Trabbalho (AET) zusammenarbeiten, einer NGO, die kostenlose Nachhilfe für Schüler aus einkommensschwachen Familien anbietet, die den Zulassungstest für öffentlich finanzierte technische Sekundarschulen in São Paulo (ETEC) machen wollen. "You Got This!" möchte diese Schüler außerdem dabei unterstützen, ihr Studiums zu absolvieren und ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern - mit der Vermittlung von technischem Wissen, der Unterstützung bei der Entwicklung von Sozialkompetenz und mit der Bereitstellung entsprechender Werkzeuge. Die Schüler sollen ein Leben lang von ihren erworbenen Fähigkeiten profitieren, ganz gleich ob sie einen akademischen und einen technischen Berufsweg einschlagen. "You Got This!" versucht dabei im Rahmen eines Mentoring-Programms, den Armutskreislauf durch die Förderung einkommensschwacher Schüler zu durchbrechen.
Nun heißt es also "Daumen drücken". Wer in diesem Jahr die Nase vorn hat, entscheidet sich im Juni. Wir wünschen allen Projekten viel Glück!
Die Verleihung des Preises findet in diesem Jahr Corona-bedingt digital statt. Sie kann am 17. Juni ab 18 Uhr als Stream auf dem Youtube-Kanal des Commitment Awards unter www.youtube.com/commitmentaward (mit Live Chat für Zuschauer und Akteure) verfolgt werden. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und Kathrin Göring-Eckart (Bünnis 90/Grüne) haben dafür Grußworte zugesagt. Und auch Triathlon-Weltmeisterin Sophia Saller ist mit dabei.