2018 steht im Zeichen von “Krieg und Frieden”, nämlich der Erinnerung an zwei der größten und blutigsten Kriege unserer Geschichte: Vor 400 Jahren brach der Dreißigjährige Krieg aus, während vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg sein Ende fand. Im Gedenken an diese geschichtlichen Zäsuren stellten die traditionellen Kreuzgang-Gespräche – eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt und des Katholischen Forums im Land Thüringen – ihre diesjährige Veranstaltung unter das Leitthema “Und Friede auf Erden?”. In gewohnter Weise wurde das Thema an drei Abenden aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet – diesmal aus geschichtlichem, systematischem und seelsorglichem Blickwinkel.
von Niklas Wagner
Leiter des Katholischen Forums im Land Thüringen (Akademie des Bistums Erfurt)
Zum Auftakt sprach der Publizist Dr. Martin Lätzel am 16. Mai über “Katholiken im Ersten Weltkrieg: Zwischen Kriegsbegeisterung und Friedensbotschaft”. In allen Nationen, die am Ersten Weltkrieg teilnahmen, stellten sich Katholikinnen und Katholiken laut Lätzel auf die Seite des jeweiligen Staates. Im deutschen Kaiserreich, so argumentierte er, habe dies nicht zuletzt daran gelegen, dass die Katholikinnen und Katholiken, auf Grund des nur 40 Jahre zurückliegenden Kulturkampfes, als politisch unzuverlässig gegolten hätten. In den Augen vieler sei der Erste Weltkrieg daher die Gelegenheit gewesen, um die eigene Treue zum Staat unter Beweis zu stellen. Dies habe gleichermaßen für Bischöfe, Priester und Diakone wie auch für katholische Angehörige der Armee gegolten.
Sowohl die Kirche vor Ort als auch die Seelsorger an der Front seien demnach klar für den Krieg eingetreten. Dagegen habe Benedikt XV. – im Nachhinein häufig als “Friedenspapst” bezeichnet – immer wieder dazu aufgerufen, die Konflikte durch Verhandlungen beizulegen. Doch seine Aufrufe verhallten ungehört, auch weil jede Partei den Papst als auf der jeweils gegnerischen Seite stehend wahrgenommen habe. Entsprechend konstatierte Lätzel, hätten Katholikinnen und Katholiken im Ersten Weltkrieg ihre Chance darauf als überparteiliche Vermittler zu wirken, ungenutzt verstreichen lassen, obgleich sich ihnen diese aus ihrer speziellen Position als weltweite Kirche im Besonderen geboten habe.
Eine grundsätzlichere Herangehensweise stand am zweiten Veranstaltungsabend am 23. Mai auf dem Programm: Dr. Bernhard Koch, stellvertretender Direktor des Instituts für Theologie und Frieden, stellte das Thema “Gerechter Krieg – gerechter Friede: Wandel der theologischen Bewertung militärischer Gewalt” dar. Er zeichnete die Entwicklung der Lehre vom “gerechten Krieg” nach, beginnend bei Platon und Aristoteles bis hin zu den Äußerungen der Päpste aus jüngerer Vergangenheit zu kriegerischen Konflikten und militärischen Fragestellungen, etwa dem Atomwaffenkonflikt.
Koch zeigte dabei auf, dass es gleichermaßen Versuche gegeben habe, Kriege zu legitimieren, als auch solche, Kriege in ihre Legitimität zu begrenzen. In diesem Spannungsfeld seien etwa die von Cicero aufgestellten Kriterien für einen “gerechten Krieg” zu sehen, welche später in der christlichen Tradition von Thomas von Aquin aufgegriffen worden seien.
Die Bibel und die ersten Christen setzten laut Koch derweil einen klaren Akzent für den Frieden: “Selig, die Frieden stiften” (Mt 5,9). Frühe christliche Autoren wie Origenes und Lactantius lehnten den Militärdienst für Christen ab und betonten, der christliche Beitrag im Konfliktfall bestünde im Gebet für den Staat und für die gerechte Sache. Diese Einstellung habe sich ab der Konstantinischen Wende geändert. Im Hinblick auf die jüngere Vergangenheit betonte Koch weiterhin die Versuche der Päpste Benedikt XV. und Pius XII., als Friedensvermittler zu wirken. Ebenso erinnerte er an den Einsatz Johannes Pauls II. gegen die Golfkriege.
Letzten Endes, resümierte Koch, gebe es in den Kirchen keine absolute Einigkeit über die Haltung zum Krieg. Auch im Dokument “Gaudium et Spes” des Zweiten Vatikanischen Konzils, werde der Krieg nicht absolut ausgeschlossen. Stattdessen sind die Haltung und Antworten eines jeden Einzelnen gefragt.
Das dritte Kreuzgang-Gespräch am 30. Mai blickte abschließend in einen besonderen Aspekt der Gegenwart: Msgr. Joachim Simon, Leitender Militärdekan im Katholischen Militärbischofsamt in Berlin, berichtete über “Soldaten im Krieg – heute: Erfahrungen von Militärgeistlichen im Auslandseinsatz”. Er selbst begleitete als Seelsorger die Bundeswehr-Einsätze 1997 in Bosnien-Herzegowina sowie 1999 im Kosovo und 2002 das Vorauskommando der Bundeswehr in Afghanistan. Seit 2009 betreut er die Militärgeistlichen, die Auslandseinsätze begleiten.
Gerade während seines Einsatzes in Bosnien-Herzegowina habe sich bei den Soldatinnen und Soldaten immer wieder auch die Frage gezeigt, welche Bedeutung die unterschiedlichen Religionen der Konfliktparteien hätten, berichtete Simon. In diesem Zusammenhang unterstrich er, dass es nicht Aufgabe der Militärseelsorger sei, Einsätze ethisch zu legitimieren. Vielmehr seien sie für die im Militär Dienenden als Menschen mit ihren spezifischen Ängsten und Nöten da.
Auf die Rückfrage, wie Soldatinnen und Soldaten auf Auslandseinsätze reagierten, betonte Simon die Notwendigkeit zur genauen Unterscheidung: Es gebe genug Freiwillige, die – nicht zuletzt wegen beachtlicher finanzieller Zuschläge – bereit seien, in den Einsatz zu ziehen. Ebenso gebe es aber auch Soldatinnen und Soldaten, die mit den Umständen der Einsätze und ihren Folgen – etwa der Trennung von Familie und Freunden sowie der Gefahr von Verletzungen oder gar Tod – haderten. Es sei schlicht unmöglich, alle Militärangehörigen über einen Kamm zu scheren, erklärte Simon abschließend.
Auf die Vorträge folgte jeweils rege Diskussionen, die bei Gebäck und Getränken im Kreuzgang des Erfurter Domes fortgesetzt wurde.
Die Katholische-Theologische Fakultät der Universität Erfurt sowie das Katholische Forum im Land Thüringen bedanken sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die angeregten Gespräche und freuen sich darauf, Sie auch im nächsten Jahr wieder bei den Kreuzgang-Gesprächen begrüßen zu dürfen.
Fotos: Katholisches-Forum im Land Thüringen (Akademie des Bistums Erfurt)
Die Kreuzgang-Gespräche sind eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und des Katholischen Forums im Land Thüringen (Akademie des Bistums Erfurt). Sie finden jährlich im Mai an drei Mittwochabenden statt. Um über künftige Veranstaltungen informiert zu werden, abonnieren Sie den Newsletter der Katholisch-Theologischen Fakultät oder des Katholischen Forums im Land Thüringen.