Theologie ohne Frauen ist keine gute Theologie. Frauen reflektieren – AGENDA Forum katholischer Theologinnen e.V.

Veranstaltungen
Frauen der Kirche - Kirche der Frauen

von Juliane Neitzke

Am 18. Januar 2022 endete für das Wintersemester 2021-22 die Veranstaltungsreihe „Frauen der Kirche – Kirche der Frauen“, die von der Frauenförderung und Gleichstellung an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Verbindung mit der Professur für Exegese und Theologie des Neuen Testaments organisiert und durchgeführt wird. Gast war an diesem Abend die Vorsitzende des Netzwerks AGENDA Forum katholischer Theologinnen e.V., Frau Prof. Dr. Gunda Werner, stellvertretende Leiterin des Instituts für Systematische Theologie und Liturgiewissenschaft im Fachbereich Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz.

„Wer von Ihnen kennt AGENDA?“

Mit dieser Frage an das Publikum eröffnete Frau Professorin Gunda Werner ihren Vortrag. Als Vorsitzende von AGENDA nahm sie die Teilnehmer:innen zunächst mit in das Jahr 1988, hinein in den konkreten Gründungsanlass des Theologinnennetzwerkes. In diesem Jahr wurde der Theologin Regina Ammicht-Quinn aufgrund der in ihrer Habilitationsschrift vertretenen Positionen zu Geschlechter-Anthropologie und Sexualmoral das Nihil obstat verweigert. Als Reaktion darauf schlossen sich katholische Theologinnen zusammen und formulierten den bis heute geltenden Anspruch des Netzwerkes: Glaubensüberzeugungen sind zu reflektieren und die damit verbundenen Geltungsansprüche einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Veröffentlichungen, in denen Frauen nicht vorkommen, sind keine gute Wissenschaft

Ein gemeinsames Ziel haben sich die inzwischen 370 deutschsprachigen katholischen Theologinnen gesetzt, die in insgesamt zehn Ländern die Mitglieder von AGENDA ausmachen. Sie richten den Blick auf die wissenschaftliche Arbeit von Theologinnen mit der Absicht, diese sichtbar zu machen. Dazu gehöre, so die Vorsitzende, ein Erinnern an das Unangenehme, ein wiederholtes Betonen, dass Konferenzen und Veröffentlichungen, in denen Frauen nicht vorkommen, keine gute Wissenschaft seien. Darüber hinaus haben sie es sich als Ziel gesetzt, die Position von Theologinnen in Kirche und Gesellschaft zu stärken und für Frauen in Theologie und Kirche Informations- und Vernetzungsarbeit zu leisten.

AGENDA eröffnet einen Raum, in dem einerseits Theologinnen aus allen Bereichen, aus Universität, Gesellschaft, Kirche, Wirtschaft und Politik in einen fachlichen Austausch miteinander treten können, und in dem andererseits das Knüpfen von Kontakten zwischen beruflich etablierten Theologinnen und Berufseinsteigerinnen gefördert wird.

Die Mitglieder von AGENDA und weitere Interessentinnen kommen alle zwei Jahre beim Hohenheimer Theologinnen-Treffen zusammen. Im Jahr 2019 entstand auf diesem Treffen die Junge AGENDA, ein eigener Zusammenschluss von jungen Theologinnen innerhalb AGENDA. Für Frauen und FINTA, die eine Dissertation oder Habilitation anstreben, sowie für Theologinnen in der Berufseinstiegsphase in Kirche und Gesellschaft will die Junge AGENDA Brücken bauen zwischen den Hierarchiestufen und Generationen innerhalb AGENDA.

50 % der Macht an Frauen, 50 % der Arbeit an Männer

Professorin Gunda Werner eröffnete den Teilnehme:rinnen einen Blick in die konkrete Vorstandsarbeit des Netzwerkes und lenkte den Schwerpunkt auf drei zentrale Punkte, die es einzufordern gilt, um die Ziele von AGENDA umzusetzen.

An erster Stelle nannte sie den Frauenanteil in Theologie und Kirche, den es auf 50 % zu erhöhen gilt. „50 % der Bevölkerung sind Frauen, dann auch 50 % der Macht an Frauen und 50 % der Arbeit an Männer. Das wäre eine gerechte Welt“, so die Vorsitzende. Die faktische Präsenz von Theologinnen in Fachzeitschriften und auf Konferenzen liegt, so hat AGENDA statistisch erhoben, momentan immer noch bei nur 17 %.

Die zweite Forderung besteht darin, das eigene theologische Selbstverständnis stets kritisch zu reflektieren. Eine Kirche, die gesellschaftlich relevant bleiben möchte, braucht, so Professorin Gunda Werner, eine reflektierte und diskursfähige Theologie.

Frauen forschen nicht nur zu Gender-Themen, Kindern, Familien und Emotionen

Als dritten Punkt, der der Umsetzung der Ziele von AGENDA dient, nannte die Referentin die Lobbyarbeit für katholische Theologinnen. Dazu zählt sie die Bewusstseinsarbeit, dass Frauen in der Theologie neue Perspektiven eröffnen und betont, dass sich unterschiedliche theologische Disziplinen verbinden können und Theologie sich dadurch verändern kann. Ein Nicht-Hineinnehmen von Nicht-Männern in die Theologie, mache Theologie einseitig und rufe eine Unwucht innerhalb der Wissenschaft hervor, die nicht der Realität entspreche.

AGENDA hat es sich zur Aufgabe gemacht, Expertinnen zu vermitteln. Die Aussage „es gibt keine Frau, die zu diesem Thema forscht“, akzeptiert das Netzwerk nicht. Im Gegenteil, es gibt sie, die Expertinnen, auch wenn man manchmal länger suchen muss. Hier hilft AGENDA gern, Theologinnen an die Wissenschaft und an Medien zu vermitteln.

Theologie muss für Frauen ein sicherer Ort sein

Damit Frauen in der Theologie bleiben und promovieren, muss Theologie für sie einen uneingeschränkt sicheren Ort bieten. Sicher in mentaler, psychischer, spiritueller, intellektueller und sexueller Hinsicht. Jede*r kann einen Beitrag leisten, die Sichtbarkeit und Präsenz von Frauen zu erhöhen, indem Frauen zu Veranstaltungen, Publikationen und Stellenbesetzungen gleichberechtigt eingeladen werden. Entscheidend sei, so die Vorsitzende des Theologinnennetzwerkes, diese Einladungen genderfreundlich zu gestalten – nicht nur in ihrer Sprache, sondern auch in ihrem Stil.

Als Vorsitzende nutzt Professorin Gunda Werner selbst alle Situationen, die sich ihr bieten, um öffentlich dafür einzutreten, dass Frauen gleichberechtigt in theologischen Veranstaltungen und Veröffentlichungen vorkommen.

Für diesen aufrüttelnden, zugleich nachdenklich und hoffnungsvoll stimmenden Abend sei Professorin Gunda Werner herzlich gedankt.

Wir freuen uns auf die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe „Frauen der Kirche – Kirche der Frauen“ im Sommersemester. Seien Sie schon jetzt dazu herzlich eingeladen.

Sobald die Termine für die Fortführung der Veranstaltungsreihe im Sommersemester feststehen, finden Sie diese im Veranstaltungskalender auf der Website der Fakultät.

Berichte zu den ersten beiden Veranstaltungen der Reihe finden Sie hier.