Im Projekt "Theologie als Hoffnungsforschung? Auswirkungen der Klimakrise auf theologische Reflexion und religiöse Praxis" arbeiten seit April 2024 Nachwuchswissenschaftler*innen der Universität Erfurt und der Paris Lodron Universität Salzburg zusammen, um die Auswirkungen der Klimakrise auf die theologische Forschung und die religiöse Praxis zu erforschen. Andrea Schmuck, Mark Porter, Dominique-Marcel Kosack, Elisabeth Höftberger und Studienassistent Moritz Huber versuchen nicht nur zu verstehen, welche Rolle Hoffnung bei der Bewältigung der Klimakrise spielt, sondern auch wie die Theologie im Dialog mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen komplexe Phänomene untersuchen kann.
Woher kam der Grundimpuls für dieses außergewöhnliche Projekt?
Elisabeth: Die große Herausforderung der Klimakrise und die Frage, wo wir Verantwortung übernehmen können, beschäftigt jeden von uns schon seit einigen Jahren. Als ich meine Postdoc-Stelle angetreten habe, wollte ich mich auch wissenschaftlich damit auseinandersetzen, was die Klimakrise für Theologie bedeutet, vor allem in der Art und Weise, wie wir arbeiten und denken. Und auch, was Theolog*innen beitragen können.
Dominique: Elisabeth und ich arbeiten schon länger im Rahmen der European Graduate School on Theology in Religious, Cultural and Political Processes of Transformation zusammen. Diese ist eine Kooperation der Unis Erfurt, Salzburg und Leuven. Aus unseren Netzwerken vor Ort ergab sich der Kontakt zu Mark und Andrea, die eigene Schwerpunkte in das Projekt einbringen.
Elisabeth: Im Herbst 2023 spielten einige Dinge unglaublich gut zusammen: meine Uni machte einen Call für einen Early Career Grant, um junge Forscher*innen zu fördern. Ich sah darin die Gelegenheit, ein Teamprojekt aufzubauen. Ich halte diese Art zu arbeiten für sehr kreativ, ertragreich und habe auch viel Freude daran. Die Arbeit an einem Projektantrag begann und einige Tage vor Einreichung habe ich zufällig einen Zeitungsartikel über Zukunftshoffnungen von Eltern für ihre Kinder gelesen, der das ganze Projekt stärker in Richtung Hoffnungsforschung lenkte – es war ein tolles Puzzleteil, das die ursprüngliche Idee stark weiterentwickelte, aber auch ein paar intensive Arbeitstage kurz vor Abgabe brachte…
Mark: There are really two parts to my involvement in the project. I finished a big project of my own focussing on Christianity and the climate crisis towards the middle of last year. When Elisabeth invited me to work together with her and the rest of the group on something new in this area it came as something of an unexpected gift – and gifts are pretty rare in the world of universities. We did a little brainstorming together at an early stage in the development of the project, and I’ve drawn in more and more to the work as I’ve discovered the excitement and joy of collaborating together with this team.
Andrea: Wir haben zum Teil schon jahrelange Erfahrung damit, dass Teamarbeit und gemeinsames Forschen nicht nur mehr Freude bringt als alleine über Büchern oder vor dem Laptop zu sitzen, sondern dass der kreative Austausch unser Denken erweitert und zu neuen Erkenntnissen führt. Ich bin der Überzeugung, dass solche dialogischen Forschungsprozesse zukunftsweisend sind, weil komplexe Phänomene wie die ökologischen Krisen nicht anders versteh- oder gar bewältigbar sind. Deshalb war ich von Anfang an motiviert, beim Projekt dabei zu sein. Teil dieses Grundgedankens ist auch, dass Forschende und Studierende zusammenarbeiten. Seit Projektbeginn im Frühling 2024 unterstützt uns deshalb auch Studienassistent Moritz Huber.
Welche grundlegenden Fragen sollen im Rahmen des Projekts beantwortet werden?
Elisabeth: Die Klimakrise verändert, wie Menschen ihre Lebenssituation in der Gegenwart sehen und wie sie in die Zukunft blicken. Das schließt auch die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens und die Hoffnung für zukünftige Generationen mit ein. Wir interessieren uns dafür, wie sich Erzählungen und Vorstellungen von Hoffnung sowohl in religiöser Praxis als auch im theologisch-akademischen Bereich durch die ökologische Krise verändern. Welche Spannungen und Möglichkeiten entstehen dadurch? Mit der Frage nach Hoffnungsnarrativen im Angesicht der Klimakrise wollen wir einen wichtigen Teil der Klimafolgenforschung umsetzen. Wir fragen nach “refiguring hope”, also danach, wie angesichts dramatischer ökologischer Umbrüche neue Formen der Hoffnung entstehen, die sich vielleicht ganz anders zeigen, als wir erwarten würden, - und wie sich Hoffnungskonzepte theologisch weiterentwickeln lassen.
Andrea: Da die Klimaforschung ein multidisziplinäres Feld ist, fragt das Projekt auch danach, wie Theolog*innen und Wissenschaftler*innen aus klimabezogenen Disziplinen in einen guten Austausch kommen können und wie ein inter- und transdisziplinäres Arbeiten gestärkt werden könnte.
Theologie ist keine Wissenschaft, die man auf Anhieb mit Forschung zur Klimakrise verbindet. Was genau kann Theologie in diesem Bereich einbringen und welche konkreten Bezüge ergeben sich zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen?
Dominique: Bei der Forschung zum Klimawandel geht es ja nicht allein um naturwissenschaftliche und technische Fragen. Der Grund, warum wir Menschen so viel über dieses Phänomen wissen und sich dennoch wenig ändert, liegt nicht zuletzt in der Art von Beziehung, die wir zur nicht-menschlichen Natur entwickelt haben. Solange die Natur vor allem als Instrument und Ressource für die eigenen Zwecke erscheint, reproduzieren wir jene Strukturen und Verhaltensweisen, die sie zerstören. Um mit diesem Problem umzugehen, benötigen wir Kompetenzen, die sich besonders in den Geisteswissenschaften finden. Aus diesem Grund haben sich etwa die multidisziplinären Environmental Humanities entwickelt. Und gerade die Theologie mit ihrer Reflexion von Weltverhältnissen, großen Erzählungen und religiösen Deutungen des Menschen und der nicht-menschlichen Natur kann hier wichtige Einsichten bringen.
Andrea: Die Grundproblematik des menschengemachten Klimawandels und der ökologischen Krisen liegt also tiefer als unser problematischer Ressourcenverbrauch oder CO2-Ausstoß. Religionen spielen dabei eine ambivalente Rolle. Als christliche Theolog:innen müssen wir deshalb zunächst unsere eigene Tradition kritisch hinterfragen. Denn Deutungen biblischer Motive und Vorstellungen von Mensch und Natur in westlichen Kulturen, wie etwa die Auslegung der biblischen Schöpfungserzählung, haben mit dazu beigetragen, ein starkes Trennungserleben zwischen Mensch und Natur zu verfestigen. Gleichzeitig bergen Religionen einen reichen Schatz an alternativen Erzählungen, die uns neue Perspektiven auf unsere Beziehung zur Natur eröffnen und zu einer veränderten Wahrnehmung anleiten können.
Dominique: Hinzu kommt, dass der Umgang mit dem Klimawandel für Wissenschaftler:innen oft eine starke existenzielle Betroffenheit mit sich bringt. Wir erforschen hier etwas, zu dem wir nur begrenzt in eine innere Distanz treten können, da es die Grundlagen unseres eigenen Lebens und teils auch aktivistische Interessen betrifft. In der Theologie haben wir es zum Teil mit ähnlichen Phänomenen zu tun, da die erforschte Religion zugleich eng mit persönlichen Sinnfragen verknüpft sein kann.
Elisabeth: Hier besteht mittlerweile eine ausgeprägte Kompetenz, diese eigene Betroffenheit und deren Einfluss auf die Forschung zu reflektieren und methodisch adäquat damit umzugehen. Dies ist auch für die Forschung zum Klimawandel sehr hilfreich.
Wie sieht euer methodischer Ansatz aus?
Mark: We each have different skills and part of this project is about bringing together a range of different methods which can complement each-other in some way to build something that’s more than the sum of those different parts. I’ve been focussing on doing some fieldwork interviews and combining that with participant observation, with the aim of experiencing and reflecting upon what different communities are doing. Others in the group have been more focussed on analysing texts or examining a range of different audio and visual material. The goal is really to use these different sources and methods to understand this question of hope from a range of different perspectives and on a range of different levels. Bringing them together gives a breadth and depth to our shared process of understanding that we just wouldn’t have if we took any one approach on its own.
Dominique: Im Rahmen der systematischen Theologie stellt dieses Vorgehen geradezu einen Paradigmenwechsel dar. In der Fundamentaltheologie und Dogmatik sind wir es gewohnt, Inhalte christlichen Glaubens im Kontext theoretischer Diskurse zu behandeln - oder auch “offizielle” normative Quellen zu diskutieren. Letzteres tun wir zum Beispiel mit Blick auf Papst Franziskus’ Umweltenzyklika “Laudato si’” zwar auch. Die meisten Zugänge und Materialien in unserem Projekt bilden aber konkrete Formen der religiösen Praxis und individuelle Überzeugungen ab. Und wenn wir diese in die systematisch-theologischen Diskurse einspielen, stellen sich natürlich neue inhaltliche und methodische Fragen.
Wie genau funktioniert die standortübergreifende Zusammenarbeit? Schafft ihr es, euch häufiger persönlich zu treffen oder laufen viele Absprachen über digitale Kanäle?
Mark: I think it’s part of the nature of academic work to be in conversation with people in a range of different locations. The people you really want to talk to or who share a common research interest are often scattered around the world, and you get used to that fairly quickly. The difference for us is the intensity of the cooperation. We have met in person a number of times – both in Salzburg and Erfurt, usually for a few days of fairly intensive discussion and brainstorming together. In between those workshops we have online meetings on Microsoft Teams, but also we are all in fairly regular contact via WhatsApp. We have a group chat where we share things we’re thinking about, or things of interest that we stumble across – and it’s a really nice mixture of work-related conversation and more informal discussions that allow us to joke around a bit and build connections on a more-personal level as well. I find it’s that mixture that really helps to give the group a sense of energy and connectedness.
I usually try to avoid using generative AI, but I was curious a few months ago to see what it made of the dynamics of our chat, and it was really sweet what it came up with. It suggested that our interaction was characterised by collaborative leadership and shared responsibilities; blending personal and professional tone; use of multilingual and interdisciplinary input; flexibility and problem-solving; and encouragement of idea exchange. Probably it’s trained to emphasise nice things, but these values resonated with me, and I definitely find they’re characteristics I would hope we aspire to.
Elisabeth: Auch wenn wir von unterschiedlichen Standorten aus arbeiten, fühlt es sich durch die verschiedenen digitalen Formate, Telefonate und die gemeinsamen mehrtägigen Treffen eher so an, als ob wir in Büros auf einem Gang wären und uns in den Kaffeepausen zum kreativen Austausch treffen würden.
Mehr Informationen über das Projekt finden Sie hier: