Die Schule ist in mehreren Punkten ein besonderer Raum für liturgische beziehungsweise gottesdienstliche Feiern. Durch die Vielfalt innerhalb einer Schulgemeinschaft stellt Schule zudem ein Beispiel für die in den bisherigen Blog-Einträgen dargestellten Transformationsprozesse dar. Zunächst einmal ist Schule DER Lebensraum einer Gruppe von Feiernden, die sich größtenteils noch in der Phase der Suche nach einer eigenen Weltanschauung befinden. Gleichzeitig gibt es an Schulen religiöse Profis, nämlich in Person der Religionslehrer:innen, die durch ihr theologisches Studium Feiern nicht nur selbstständig planen, sondern auch durchführen bzw. zur Durchführung anleiten können. Der folgende Beitrag will grundsätzlich die Bedingungen von Liturgie in der Schule diskutieren und abschließend an zwei Beispielen kurz reflektieren.
1. Die feiernde Gemeinde – Schüler:innen als Feiernde von Liturgie
Schüler:innen sind als primäre und meist einzige feiernde Gruppe von Liturgie in Schulen besonders in den Vordergrund zu rücken. Sie weisen als feiernde Gemeinde einige Besonderheiten auf, die bei der Planung und Feier von Liturgie zu berücksichtigen sind. Zu fokussieren ist die Vielfalt innerhalb dieser Gruppe. Liturgie an Schulen steht der Herausforderung gegenüber, Schüler:innen ganz verschiedener Altersgruppen ansprechen zu müssen, und dies in einem Lebensabschnitt, in dem sich grundlegende Überzeugungen und Weltbilder, auch religiöse, sehr schnell sehr stark verändern. Auch innerhalb einer Altersstufe kommt es zu starker Heterogenität. So kann man auch in katholisch geprägten Milieus davon ausgehen, dass nicht nur katholische Schüler:innen den liturgischen Feiern in Schulen beiwohnen. Hier ist es notwendig zu differenzieren. Nicht alle katholisch getauften und/oder gefirmten Schüler:innen würden sich selbst als (katholisch) gläubig beschreiben und nicht alle Schüler:innen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, sind deswegen automatisch ungläubig oder gar atheistisch. Ganz besonders in dieser Gruppe kann es Suchende nach einer Beziehung zum Transzendenten geben, die in der Liturgie angesprochen werden wollen und Beachtung finden sollten.
2. Die Experten – Rollen(konflikte) von Lehrer:innen bei liturgischen Feiern in der Schule
Um die Rahmenbedingungen von Liturgie an Schulen zu reflektieren, bedarf es auch einer Reflektion der Rolle von Lehrer:innen, insbesondere von Religionslehrer:innen. Diese besitzen durch ihr Lehramtsstudium selbst die fachliche Grundlage für eine Verbindung zwischen den beiden aufeinandertreffenden Räumen – Gottesdienst auf der einen, Schüler:innen auf der anderen Seite – und haben so das Potenzial, diese beiden Seiten zueinander zu bringen. Zudem kennen sie ihre Schüler:innen und stehen in einer Beziehung zu ihnen, sie stellen oftmals die einzige religiöse Bezugsperson der Schüler:innen dar. Lehrer:innen als Gottesdienstleiter:innen bieten somit auch eine Antwort auf die Problematik zunehmend fehlender Priester an, die an der Schule meist zu einem dauernden Wechsel von Priestern führt, die Schulgottesdiensten vorstehen, aber weder die feiernde Gemeinde noch die Situation vor Ort kennen.
Um dieses Potenzial fruchtbar zu machen, müssen jedoch einige Punkte berücksichtigt werden:
Für die Rolle von Religionslehrer:innen in Liturgien an der Schule ist zu berücksichtigen, dass es zu einer Vermischung zwischen Religionsunterricht einerseits und Gottesdienst andererseits kommen kann. Dies bringt auf beiden Seiten Probleme mit sich: Einerseits versteht sich Religionsunterricht heute nicht mehr als katechetische Unterweisung, andererseits ist Liturgie und Gottesdienst immer ein Kommunikationsgeschehen zwischen feiernder Gemeinde und Gott und kann daher nicht für Lernprozesse verzweckt werden. Hier ist eine klare Trennung vonnöten, die etwa auch bei der Raumauswahl zu beachten ist.
Zudem ist daran zu denken, dass Religionslehrer:innen mit all diesen Punkten nicht überfrachtet werden dürfen. Sie haben sich aktiv für eine(n) Beruf(ung) als Lehrkraft und Pädagog:in entschieden und eben nicht für eine Laufbahn im kirchlichen Dienstverhältnis als Gemeindereferent:in oder Priester. Ob und wie Religionslehrer:innen Liturgie gemeinsam mit Schüler:innen feiern oder gestalten wollen, sollte daher immer freie Entscheidung der einzelnen Personen sein. An dieser Stelle ist auch zu erwähnen, dass für die Abrufung des Potenzials von Religionslehrer:innen auch eine Priorisierung der Gestaltung von Liturgie an Schulen notwendig ist. Kurz: Hierfür kann es nicht ausreichen, die Gestaltung von Liturgie „nebenbei“ zur Aufgabe von Religionslehrer:innen zu machen, ohne Zeitkontingente bereitzustellen.
3. Potenziale nutzen
Was ergibt sich nun aus diesen Punkten? Zunächst muss man die grundlegende Heterogenität des Feldes Schule beachten. Es gibt nicht die eine ideale Form, um Liturgie an Schulen zu gestalten, Liturgie sollte sich vielmehr den Gegebenheiten vor Ort anpassen. Relevante Punkte hierfür wären die Zusammensetzung der Schülerschaft, die personellen Ressourcen der Schule (Religionslehrer:innen, Kontakt zu Gemeinden/ Gemeindereferent:innen, weitere Lehrkräfte, die sich einbringen möchten, etc.) oder die räumliche Situation vor Ort (gibt es einen religiösen oder Meditations-Raum in der Schule, eine Aula, die genutzt werden könnte, angrenzende Kirchenräume, die vielleicht sogar ganz eigen gestaltet werden könnten etc.).
Zur Form der Feier ist festzuhalten, dass in Gottesdiensten an Schulen die Gemeinschaft der feiernden Schüler:innen besonders deutlich und daher die Trennung der christlichen Konfessionen in der Eucharistie besonders schmerzhaft offenbar wird. Da die Feier der Eucharistie von nicht katholischen Schüler:innen in jedem Fall als ausgrenzendes Moment wahrgenommen werden kann, sollte man allgemein über offenere Formen wie Wortgottesfeiern oder Formen der Stundenliturgie nachdenken. Hierdurch würde auch die Vielfalt christlicher Liturgie jenseits der Messfeier deutlich werden. Ebenso sollte ein angemessener Einbezug nicht-christlicher Schüler:innen diskutiert werden.
Die Frage ist nun, wie eine solche situativ angemessene Liturgie gestaltet und vorbereitet werden kann. Hier möchte ich abschließend zwei Beispiele nennen:
Zunächst zur Verbindung von Religionsunterricht und Liturgie. In einem Schulpraktikum durfte ich in einer Doppelstunde hospitieren, in der das christliche Stundengebet thematisiert wurde. Die Lehrkraft erarbeitete Schritt für Schritt die einzelnen Elemente und Strukturen des Stundengebetes und schaute sich gemeinsam mit den Schüler:innen auch einzelne Gebetstexte an. In der zweiten Stunde fragte die Lehrkraft, ob die Klasse nun gemeinsam ein Stundengebet beten wolle, die Klasse entschloss sich dafür. Für das Gebet gingen alle geschlossen aus dem Klassenzimmer in den Meditationsraum der Schule, die einzelnen Rollen wurden auf Schüler:innen übertragen, das Gebet wurde insgesamt von der Lehrkraft angeleitet.
Obwohl das Stundengebet im Rahmen des Unterrichts behandelt wurde, war durch den Raumwechsel klar eine neue Situation entstanden, das Gebet als solches und nicht nur als Unterrichtsthema wahrnehmbar.
Gleichzeitig hatten sich die Schüler:innen eigenständig für das gemeinsame Gebet entschieden und wussten durch die Vorbereitung in der Stunde genau, worauf sie sich einließen und was die Hintergründe der einzelnen Elemente waren. Durch das Verteilen von Rollen wurden sie zudem in die Durchführung der (Stunden-)Liturgie einbezogen. Sie konnten so ihre eigene Rolle und ihren eigenen Wert in dieser und für diese Liturgie erfahren. Liturgie wurde erkennbar zu etwas, was sie nicht mehr stumpf rezipierten, sondern zu etwas, was sie reflektiert selbst gestalteten.
Ein zweites Beispiel habe ich in der Arbeit an meiner Examensarbeit kennengelernt. In einer Schule in katholischer Trägerschaft in Ostdeutschland wurden die Gottesdienste grundsätzlich gemeinsam mit Schüler:innen vorbereitet. Diese Vorbereitung stand hierbei allen Schüler:innen, egal ob katholisch oder auch christlich offen und wurde von einer Religionslehrkraft angeleitet. Auf diese Weise wurden Themen, Texte und Elemente für die Gottesdienste an der Schule ausgesucht oder selbst erstellt. Auch an dieser Schule konnten die Schüler:innen in den gefeierten Gottesdiensten liturgische Rollen ausfüllen und sich so als Gestalter:innen von Liturgie wahrnehmen. Die Texte konnten gleichzeitig das Lebensgefühl, die Wünsche und Gedanken der Schüler:innen aufnehmen und abbilden, die Lehrkraft in der Vorbereitung für Bedeutung und Rolle gewisser liturgischer Elemente sensibilisieren und so einen Zugang zur Liturgie schaffen. Letztlich wurden dann ökumenische Wortgottesfeiern gefeiert.
Beide Beispiele zeigen, wie Liturgie an Schulen gelingen kann, indem man die Potenziale, die Lehrkräfte mit sich bringen aktiv nutzt, indem man Schüler:innen an der Vorbereitung von Feiern beteiligt, ihre Ideen und Gedanken aufnimmt und sie gleichzeitig in den Feiern aktiv mit einbezieht.
Liturgie wird so von etwas Kaltem, in Teilen Fremdem und Unverständlichem zu etwas Bedeutsamen und tatsächlich zu einem Kommunikationsgeschehen der jeweiligen feiernden Gemeinde mit Gott, indem sich Schüler:innen in ihrem alltäglichen Lebensraum mit ihren Wünschen, Sorgen und Nöten und vor allem ihrem persönlichen Glauben vor Gott stellen und eine Beziehung in der Liturgie aufbauen. Ebenso wird durch dieses gemeinsame Gestalten und Feiern von Liturgie durch Schüler:innen und Lehrkräfte auch das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen für alle Beteiligten erfahrbar und mit Leben gefüllt.
Literatur zu diesem Thema: