Seit Kurzem kann an unserer Fakultät neben dem Dr. Theol. nun auch der Abschluss Dr. Phil. erlangt werden. In diesen Interviews möchten wir zwei unserer ersten Doktorand*innen, die nach der neu eingeführten Promotionsordnung für den Dr. Phil. promovieren, und ihre Promotionsprojekte vorstellen. Mehr Informationen über eine Promotion an der Katholisch-Theologischen Fakultät finden Sie hier.
Möchten Sie erst einmal etwas zu sich erzählen? Was haben Sie gemacht, bevor Sie nach Erfurt gekommen sind?
Ich komm aus England, aus Leicester, einer Stadt in der Mitte des Landes. Meinen Bachelorabschluss habe ich in Philosophie gemacht, an der University of Greenwich in London. Danach habe ich einen Master in Friedensforschung an der University of Bradford gemacht. Und während meines Masterstudiums habe ich gemerkt, dass, wenn man die Frage danach stellt, was Frieden eigentlich ist, niemand einem wirklich eine Antwort geben kann. Als Antwort bekommt man, dass Frieden die Abwesenheit von Krieg ist oder die Abwesenheit von Konflikten – was einem aber natürlich nur sagt, was Frieden nicht ist.
Nach meinem Masterabschluss habe ich im Prinzip drei bis vier Jahre damit verbracht, Heidegger zu lesen. Ich habe Alfred Denker, den Direktor des Heidegger-Archivs in Meßkirch kennengelernt und er bietet sehr viele Webinare, Online-Vorträge und Seminare an. Und so habe ich zwei Jahre lang mehr oder weniger sechs Stunden pro Woche an diesen Veranstaltungen teilgenommen. Das war eine sehr gute und nützliche Erfahrung, weil es lange dauert, bis man Heideggers Philosophie wirklich versteht.
Warum haben Sie sich für Erfurt entschieden und wann haben Sie das erste Mal von unserer Fakultät gehört?
Ich hatte schon länger vor zu promovieren. Darüber habe ich mit Alfred Denker gesprochen, als ich angefangen hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hat mir dann aber gesagt, dass es seit dem Skandal, der durch die Veröffentlichung der „Schwarzen Hefte“ ausgelöst wurde, kaum noch Heidegger-Forschung in Deutschland gibt. Er hat mir aber auch von einem befreundeten Heidegger-Forscher erzählt, mit dem er in der Vergangenheit zusammengearbeitet hatte und der seit kurzen Inhaber der Professur für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Erfurt wäre. Er hat dann netterweise Prof. Zaborowski geschrieben und wir haben dann angefangen, in mehreren WebEx-Meetings darüber zu sprechen, mit was ich mich in meinem Promotionsprojekt beschäftigen könnte.
Heidegger war immer sehr bekannt dafür, dass er eher Fragen gestellt hat als Antworten zu geben. Und ich hatte eine Frage, die niemand beantworten konnte: Was ist Frieden?
Denn die Menschen sind eher daran interessiert, wie man Frieden erreichen kann, wie man ihn wahren kann. Aber die Frage „Was ist Frieden?“ ist eine ontologische Frage. Und wenn man anfängt, Heideggers Begriffe von Erschlossenheit, von Entbergen und Verbergen, von Aletheia auf diese Frage anwendet, klingt sie so: „Warum ist Frieden nicht begreifbar? Warum ergibt Frieden keinen Sinn? Warum fehlt das ist, wenn es um Frieden geht?“ In diesem Sinne hat man eine Frage, die keinen Sinn ergibt, ähnlich wie die Seinsfrage. Aber Frieden ist auch ein geschichtlicher Begriff, genauso wie es Heidegger auch von der Seinsfrage gesagt hat. Also haben sich Frieden und Sein auch irgendwie entwickelt und miteinander entwickelt in der Geschichte der westlichen Metaphysik. Also kann man auch hier Heideggers einzigartige Seinsgeschichte auf den Begriff des Friedens anwenden.
Was erwarten Sie von Erfurt? Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?
Ich glaube, es ist für mich einfach schön, wieder in einem universitären Kontext zu arbeiten. Ich habe meine Abschluss 2017 gemacht, also vor fünf Jahren. Ich habe gemeinsam mit dem Direktor des Heidegger-Archive ein paar Dinge auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Grundlagen für ein European Center for Heidegger Studies und einen YouTube-Kanal für den wir Videos gedreht haben. Deswegen freue ich mich sehr darauf, andere Wissenschaftler*innen zu treffen, die sich für Heideggers Philosophie interessieren. Wie ich vorhin schon erzählt habe, wurde mir gesagt, dass die Heidegger-Forschung in Deutschland im Prinzip vorbei ist, weshalb es umso schöner ist, so viele Promovierende und Post-Docs zu sehen, die sich mit Heidegger beschäftigen.
Möchten Sie erst einmal etwas zu sich erzählen? Wo Sie herkommen, was Sie studiert haben?
Ja, gerne! Ich war schon einmal in Deutschland und habe von 2007 bis 2012, also ungefähr fünf bis sechs Jahre, in München studiert. Ich habe meinen Magisterabschluss an der Ludwig-Maximilians-Universität gemacht, mit Philosophie als Hauptfach und lateinischer Philologie und Archäologie als Nebenfächern. Davor hatte ich in meiner Heimat auch schon einen Bachelor in Philosophie gemacht.
Nach meinem Magisterabschluss bin ich wieder nach Peking zurückgegangen. Dort habe ich Latein und Philosophie unterrichtet an der Universität und auch am katholischen Seminar. Dass ich in München war ist nun schon wieder zehn Jahre her. Und jetzt freue ich mich sehr darauf, wieder nach Deutschland zu kommen.
Warum haben Sie sich für Erfurt entschieden und wann haben Sie das erste Mal von unserer Fakultät gehört?
Auf Erfurt bin ich wegen Prof. Zaborowski gekommen. Er saß im Gremium für ein Stipendium, das ich erhalten habe. Während ich mich in meiner Magisterarbeit mit Husserl und der klassischen Phänomenologie beschäftigt habe, möchte ich meine Dissertation über Heidegger schreiben.
Genau genommen soll es um Martin Heideggers Schreibstil gehen und darum, wie er seine eigenen Werke kommentiert hat.
Zu „Sein und Zeit“ hat er 12 Manuskripte geschrieben. Der Band mit diesen Kommentaren ist in der Gesamtausgabe im Jahr 2018 erschienen; er ist also noch relativ neu. Prof. Zaborowski hat mir vorgeschlagen, diese Kommentare mit dem Originaltext von „Sein und Zeit“ zu vergleichen. Damit will ich weitermachen.
Was erwarten Sie von Erfurt? Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?
Ich habe schon in anderen Interviews gelesen, dass die Bibliothek sehr groß und schön sein soll. Das finde ich sehr gut, weil ich glaube, dass ich dort konzentriert arbeiten kann. Ich habe auch gehört, dass Erfurt eine ruhige und schöne Stadt ist und auch die Kollegen scheinen mir bisher sehr freundlich und hilfsbereit zu sein. Das ist also alles prima.
Ich freue mich natürlich auch darauf, Prof. Zaborowski persönlich kennenzulernen und darauf mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich freue mich auch sehr darauf, durch die Promotion mehr über Forschungsmethoden zu lernen und in diesem Bereich stärker zu werden. Ich habe neulich eine Podcast-Folge mit Prof. Zaborowski zum Thema Solidarität gehört und ich glaube, dass wir auch in der philosophischen Forschung Solidarität als wissenschaftliche Tugend brauchen, um eine gute Zusammenarbeit auch zwischen unterschiedlichen philosophischen Disziplinen zu ermöglichen.
Weitere Informationen zu den Promotionsprojekten finden Sie auf der Seite der Professur für Philosophie.